Wegen Corona: Altkleider-System vor dem Kollaps

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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1.4.2020, 12:30 Uhr

"Der Altkleidermarkt ist eben ein sehr internationaler Markt. Jetzt kapseln sich alle Staaten ab, da ist es unglaublich schwer, das aufrechtzuerhalten. Die Ware fließt nicht mehr ab", erklärt Helmut Huber, beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) in Nürnberg für die Altkleidersammlung zuständig. Vielerorts geht das Problem schon damit los, dass die Fahrer für die Containerentleerung fehlen. Denn oft kommen diese aus Polen oder anderen osteuropäischen Ländern - und stecken nun in ihrer Heimat fest.

Dazu kommt, dass in Polen ein bedeutender Textilsortierer für den deutschen Markt sitzt. Dieser musste bereits zeitweise schließen, auch die Lieferungen dorthin gestalten sich schwierig. Für das BRK Nürnberg, das auch die Altkleidersammlungen in Fürth, Erlangen sowie im Kreisverband Südfranken (die Landkreise Roth, Weißenburg-Gunzenhausen und die Stadt Schwabach) organisiert, ist vor allem ein Textilsortierer zuständig, der zwei Standorte zu beiden Seiten der tschechischen Grenze hat. "Wenn der tschechische Teil ausfällt, kann der andere das nicht auffangen", meint Huber.

Schiffe fahren nicht mehr

Dazu kommt: Auch die sortierte Ware kann nicht mehr abfließen und staut sich. "Die Schiffe, die Produkte aus China angeliefert haben, haben normalerweise auf dem Rückweg Klamotten nach Afrika transportiert", erklärt Huber. Doch diese Schiffe bleiben momentan größtenteils aus.

Was in Nürnberg vor dem Weiterversand für den Kleiderladen in der Sulzbacher Straße aussortiert wird, ist nur ein winziger Anteil der Gesamtmenge. Zudem sind Kleiderladen und -sammlung wegen der Corona-Allgemeinverfügung momentan ohnehin geschlossen.

"Keiner weiß, wann es einen Dumpfen tut"

"Wann genau es einen Dumpfen tut im ganzen System, weiß keiner. Aber es ist wohl schon sehr bald", glaubt Huber. Ohnehin war das Altkleider-Geschäft auch schon vor Corona in der Krise. "Die Qualität der Ware wird immer schlechter. Da merkt man den Trend zu Fast Fashion", verdeutlicht Huber.

Früher waren die meisten Klamotten zu 100 Prozent aus Baumwolle. Was nicht mehr als Kleidung taugte, wurde zu Putzlappen verarbeitet. "Heute haben die Klamotten meistens einen hohen Kunstfaser-Anteil. Die nehmen natürlich keine Feuchtigkeit auf und taugen deshalb nicht mal mehr als Putzlappen", erläutert Huber.

Doch was tut man nun, falls das System bald tatsächlich kollabieren sollte? "Wir betreuen 1000 Container, die können wir nicht einfach abziehen. Da wären wir ja ne Weile beschäftigt. Außerdem wüssten wir gar nicht, wo wir die abstellen sollten", sagt Huber. Nicht zuletzt würden die meisten Menschen ihre Altkleider wohl trotzdem an der gewohnten Fläche abstellen - selbst wenn da gar keine Container mehr stehen.

Direkt in die Müllverbrennung

Anstatt also das Sammelsystem aufzulösen und es später wieder mühsam aufzubauen, schlägt Huber deshalb vor, es beizubehalten und die Container einfach weiter zu leeren. Statt zum Textilsortierer würden die Klamotten dann aber direkt in die Müllverbrennung gehen. "Das wäre wohl die einzige Möglichkeit", meint Huber.

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