Keine Vertragsverlängerung
Aderlass bei den Chefdirigenten: Wong von den Symphonikern verlässt wie Mallwitz Nürnberg
8.10.2021, 12:42 UhrDie Wege der Nürnberger Symphoniker und ihres Chefdirigenten Kahchun Wong trennen sich. Der bis Sommer 2022 laufende Vertrag des in Singapur geborenen 35-Jährigen wird nicht verlängert, wie Symphoniker-Intendant Lucius A. Hemmer am Freitag gegenüber unserem Medienhaus erklärte.
Die Trennung erfolge in beiderseitigem Einvernehmen, wie Hemmer betont. Wong habe gerade auf dem Gebiet der großen romantischen und spätromantischen Werke das Orchester musikalisch entscheidend weitergebracht. Die Symphoniker wollen sich aber weiterhin in einem deutlich breiteren Repertoirespektrum bewegen und sind nun deshalb auf der Suche nach einer entsprechenden Dirigentenpersönlichkeit.
Nicht nur "dirigentische Exzellenz" solle diese mitbringen, sondern auch einen breiten Erfahrungsschatz in der Arbeit mit Orchestern. Sehr wichtig ist dem Symphoniker-Intendanten ebenfalls eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit des Nachfolgers. "Wir wünschen uns, dass der Neue eine enge Bindung mit dem Publikum aufbaut, dass er eine intensive Kommunikation pflegt."
Wählt man diese Perspektive für ein Kandidaten-Profil, scheint Wong hier Defizite gerade auf dem Gebiet der Sprachkenntnisse zu haben. Darüber hinaus habe Wong seinen Lebensmittelpunkt in Japan, so Hemmer, seine Frau wohnt in Tokio. Auch Wongs berufliche Gewichtung wird sich weiter in Richtung Fernost verschieben, denn Ende August wurde er zum Ersten Gastdirigenten des renommierten Japan Philharmonic Orchestra ernannt.
Einen weiteren Aspekt solcher reiseintensiven Fernbeziehungen will Hemmer nicht unerwähnt lassen: "In Zeiten, in denen Regionalität und Nachhaltigkeit immer wichtiger werden, ist es schwierig zu vermitteln, dass unser Chefdirigent aus Japan anreisen muss", so Hemmer.
Das Aus für den lange geplanten Konzertsaal ist hingegen nicht der entscheidende Grund für Wongs Abschied. "Natürlich ist Kahchun Wong traurig darüber, dass Nürnberg keinen Konzertsaal baut. Aber das betrifft auch das Orchester insgesamt und mich als Intendanten", erklärt Hemmer.
Trotz des Auslaufen des Vertrages sei jedoch die Stimmung zwischen den Nürnberger Symphonikern und ihrem Noch-Chefdirigenten nicht getrübt, betont Hemmer: "Es waren inspirierende Jahre, in denen sich sowohl Kahchun Wong als auch das Orchester künstlerisch auf hohem Niveau weiterentwickelt haben.“ Wong werde Nürnberg nach 2022 deshalb sicherlich als Gastdirigent besuchen, so Hemmer.
Auch Wong spricht in einer Mitteilung von wundervollen Jahre des Musizierens mit den Symphonikern – "trotz der Herausforderungen, vor die uns die Pandemie gestellt hat. Ich bin stolz auf alles, was wir zusammen erreicht haben".
Wong hatte in Nürnberg ab der Saison 2018/19 die Nachfolge von Alexander Shelley angetreten. Sein festlicher Abschied vor sehr großem Publikum ist für das Klassik Open Air am 6. August 2022 geplant.
Derweilen läuft bei den Symphonikern schon längst die Suche nach einem Nachfolger. Es gebe bereits einen Kreis von Kandidaten, aus denen aller Wahrscheinlichkeit nach der neue Chefdirigent gewählt wird, so Hemmer. „Wir stehen im engen Austausch mit einer kleinen Gruppe von extrem interessanten Anwärtern." Eine Frau sei in diesem Kandidatenkreis nicht dabei. Auch seien es nicht durchweg junge Kandidaten. "Erfahrung im Umgang mit Orchester spielt eine große Rolle."
Lucius A. Hemmer hatte Kahchun Wong im Jahr 2016 direkt nach dessen Gewinn des Internationalen Mahler-Dirigenten-Wettbewerbs der Bamberger Symphoniker als Chefdirigenten engagiert. Dieser Wettbewerb ist sehr renommiert, fast alle Preisträger machen in den Folgejahren eine internationale Karriere, das ist auch bei Kahchun Wong der Fall.
Hemmer will Wongs Nachfolger für die Position des Symphoniker-Chefdirigenten so bald wie möglich präsentieren: "Die Entscheidung wird voraussichtlich Ende des Jahres fallen, damit die Stelle zum Start der neuen Saison besetzt ist.“
Wong ist damit in Nürnberg die zweite Dirigentenpersönlichkeit, die innerhalb dieses Jahres ankündigt, ihren Orchester-Chefposten aufzugeben. Schon im Sommer hatte Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz bekanntgegeben, ihren Vertrag am Staatstheater Nürnberg nicht zu verlängern. Stattdessen wechselt die 34-jährige Stardirigentin 2023 nach Berlin.
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