Ein Vorbild für Nürnberg
Eröffnung der Isarphilharmonie: München hat für 43 Millionen Euro einen tollen Konzertsaal gebaut
9.10.2021, 21:41 UhrDie neue Isarphilharmonie, die am Freitag, 8. Oktober, feierlich von den Münchner Philharmonikern unter ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev eröffnet wurde, hat die Musiker und das Publikum bereits bei diesem Konzert mit ihrer hervorragenden Akustik begeistert. Für nur 43 Millionen Euro, bei drei Jahren Planung inklusive eineinhalb Jahren Bauzeit, wurde ein Konzertsaal geschaffen, der auch ein Vorbild für Nürnberg sein sollte.
"Die ideale Blaupause für Kulturbauten der Zukunft"
Zwar soll der Bau nur ein Provisorium während der Generalsanierung des Kulturzentrums Gasteig sein, doch den angeblich nur vorübergehenden Charakter der Isarphilharmonie stellte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter bereits in seiner Eröffnungsrede augenzwinkernd in Frage. "Ich ahne, dass dieses Interim relativ lange Bestand haben wird", sagte er. Und er unterstrich: "Für mich wäre die Isarphilharmonie die ideale Blaupause für Kulturbauten der Zukunft." Das Konzert wurde live übertragen und ist in der ARD-Mediathek abrufbar.
Der Nürnberger Konzertsaal ist dagegen im Moment in weite Ferne gerückt. Eine desolate Realität für die Weiterentwicklung der klassischen Musikkultur in Bayerns zweitgrößter Stadt, die immerhin im Zentrum einer Metropolregion mit 3,5 Millionen Einwohnern liegt. Mancher Nürnberger wäre vermutlich schon froh, wenn es für die hiesige Konzertkultur eine Perspektive gäbe, die in der bayerischen Landeshauptstadt lediglich den Status einer Interimslösung hat.
Denn der Gasteig, Europas größtes Kulturzentrum mit den Zentralen von Stadtbibliothek, Volkshochschule und Musikhochschule, muss generalsaniert werden, was nach derzeitigem Stand der Dinge mindestens bis zum Jahr 2030 dauern wird. Deshalb musste auch für den dort untergebrachten Konzertsaal, immerhin Heimstatt der Münchner Philharmoniker und damit eines europäischen Spitzenorchesters, ein Ausweichquartier gefunden werden.
Dieses wird nun am 8. Oktober eröffnet. Es befindet sich im eher industriell geprägten südlichen Stadtteil Sendling auf einem Gelände der Münchner Stadtwerke und trägt den modern klingenden Namen „Gasteig HP8“, benannt nach der Adresse an der Hans-Preißinger Straße gleich an den Isarauen.
Als Nürnberger, der zähe, sich über Jahre hinschleppende Diskussionen erst vom gescheiterten Konzertsaal und nun von der hoffentlich gelingenden Generalsanierung des Opernhauses gewohnt ist, reibt man sich ungläubig die Augen, wenn man sieht, wie gut und günstig die Stadt München ihre Ausweichlösung hingekriegt hat.
Im Frühjahr 2018 erhielten die Architekten vom Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner (gmp) nach einem zweistufigen Verhandlungsverfahren den Auftrag, im März 2020 war Baubeginn, nun ist die neue Wunderkiste in akustisch vorteilhafter Schuhschachtelform schon fertig: lediglich 43 Millionen Euro kostete das Gebäude, das 1900 Zuschauern Platz bietet – zum Vergleich: die Baukostenschätzung für den Nürnberger Konzertsaal mit 1500 Plätzen lag zum Zeitpunkt des Moratoriums bei gut 200 Millionen Euro.
Der Münchner Bau ist auch deshalb so günstig, weil er als Holzmodulbau in eine äußere, rechtwinklige Stahlkonstruktion mit einer silbergrauen Metallfassade eingehängt ist. Und billig muss nicht schlecht sein, im Gegenteil. Das Gebäude macht nicht nur einen guten Eindruck, sondern lässt auch akustisch aufhorchen.
Die Münchner Philharmoniker zeigen sich nach ersten Proben sehr zufrieden, ja euphorisch. „Als wir angefangen haben zu spielen, waren die Musiker sehr glücklich“, sagte Chefdirigent Valery Gergiev. Jeder habe das Gefühl, eingebunden zu sein, was auch an der kreisförmigen Anordnung des Orchesters liege. Verantwortlich für das Klangerlebnis ist der weltweit gefragte japanische Klangdesigner Yasuhisa Toyota, der unter anderem die Akustik in der Elbphilharmonie gestaltet hat.
Auch das Raumerlebnis wirkt stimulierend: schwarze Bestuhlung vor grauen Holzelementen an den Wänden, das Podium ist aus hellem Holz, die Abstände sind allesamt gering, so dass eine große Nähe zwischen Musikern und Publikum möglich sein wird.
Andreas Schessl, Chef von München Musik, dem größten privaten Musikveranstalter der Stadt, spendet höchstes Lob: „Die Isarphilharmonie wird zum momentanen Zeitpunkt wahrscheinlich über die beste Akustik Münchens verfügen.“
Die Bedingungen also scheinen hervorragend zu sein und die lokale Presse spricht von „einem Zustand der Glückseligkeit“ und von Vorfreude auf ein neues Kulturquartier, dessen Magnet der Konzertsaal sein wird. Die anderen im Gasteig untergebrachten Institutionen ziehen bald nach, zum Teil in zwei für 2022 geplante Neubauten, zum Teil in die ehemalige Trafohalle, die auch als Foyer, Forum und Café dient.
Angesichts solcher Perspektiven und Qualitäten fragen sich manche schon, ob dieses Provisorium nicht auf Dauer genutzt werden kann. Tatsächlich stehen hinter der Gasteig-Sanierung noch einige Fragezeichen, die die Fertigstellung weit über das Jahr 2030 hinausschieben könnten.
Doch den Münchnern ist angesichts ihrer neuen tollen Interimslösung nicht Bange. Ab Oktober wird dieser Bau jetzt erst mal zwei Wochen lang mit Festkonzerten eingeweiht – und auch die ganze Saison ist immer wieder mit Festprojekten und ungewöhnlichen Konzertformaten bestückt. Denn so ein neuer Saal bietet eben ganz neue Möglichkeiten für das Musikleben einer Stadt.
7 Kommentare
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inuit
Da dem Nürnberger OB wichtig ist, in Togo Club-Shirts zu verteilen, die Siegerehrung bei möglichst jedem Sportevent, mit Pressefoto natürlich, vorzunehmen, kann er sich nicht um die Niederungen der Kultur vor Ort kümmern. Was braucht Nürnberg eine Frau Mallwitz oder einen Herrn Wong? Nicht kleckern, sondern klotzen. Ein paar Milliönchen Extra für den Museumsvermieter Schmelzer, da muss man Präferenzen setzen.
Zeppelin1973
Die in meine Augen angemessenen Baukosten in M im Vergleich zu dem was man glaubte in N auf den Tisch legen zu müssen haben überhaupt nichts mit der Stellung von den beiden Städten zu tun!
Vernünftige Planung die sich daran orientiert was bezahlbar und machbar ist und nicht daran was sein könnte! Vielleicht sollte man auch die Sanierung des Opernhauses der Münchner Stadtspitze überlassen, dann gäbe es da auch wahrscheinlich realistische Kostenschätzungen und nicht eine Zahl die einem die Tränen in die Augen treibt, etwa 26000 Euro pro qm Nutzfläche!
MeineMeinung
D-fence, ach der 'erfolgreiche Mittlere Ring' in München - was ist an der 'berühmt-berüchtigten' (O-ton TZ München) sraureichsten Strecke in Deutschland so erfolgreich? Dass man die Staus unter die Erde gelegt hat? Aus den Augen aus dem Sinn, nur nicht für den Autofahrer. https://www.tz.de/muenchen/stadt/muenchen-mittlerer-ring-stau-verkehr-90253943.html Und zum Fußballclub FCB, wenn ich alle Spieler aufkaufe, die mir gefährlich werden können ist das eigentlich klar. Aber zum Thema sparen, stimmt dass ein solcher Konzertsaal auch für Nürnberg reichen würde, aber wenn schon kein Geld dafür da ist, müssen doch zumindest die Planungen hochtrabend sein.
Hummel
Wie schon öfter in diversen Beiträgen zum Thema Nürnberger Konzertsaal dargelegt, kann ich Uli.Z nur zustimmen. Unsere Stadtspitze mit der sog. Kulturbürgermeisterin hatte und hat kein Interesse und keine Kreativität, um Nürnberg mit seinem riesigen Einzugsgebiet zu einem allgemein geachteten Kulturzentrum neben der LH zu machen - möglicherweise wird das von ihren Parteikollegen in unserer Staatspartei und unserem Schweinauer MP auch gar nicht gewünscht ...
Da sind ja auch keine Parteispenden wie für die horrenden Ausgaben für die Augustinerhofmiete zu erwarten !
Uli.Ziethenzsch-Wand-Sayn
Natürlich hat München einen größeren Haushalt - aber was bitte sind 43 Millionen im Angesicht von Milliardenbeträgen (Opernhaussanierung)?
Factum est:
In München bekommt man also eine Lösung in sehr angemessener Zeit hin, hält das Budget ein, übererfüllt die Hauptfunktionalität - hier Raumakustik - und die Optik, die ich auf den Bildern erkennen kann, lässt auch nichts zu wünschen übrig.
Die Kleingeistigkeit, die aus dem Post von naturalize spricht, muss mittlerweile in der DNA von Stadt, Verwaltung und Kommunalpolitik in Nürnberg tief verwurzelt sein.
Früher war Nürnberg mal Benchmark für andere Städte, heute reicht es nicht mal mehr dazu, Gutes, das andere in vergleichbarer Position entwickelt haben, für eigene Bedürfnisse entsprechend anzupassen.
Ob mit der neuen Uni tatsächlich eine mentale bzw. intellektuelle "Blutauffrischung" stattfindet, die die eingangs beschriebene DNA wieder auf den früher mal ruhmreichen Level zurück bringen möge, bleibt leider nur zu hoffen.