800-V-Technik - Hohe Reichweite - Ab 41.900 Euro
Ioniq 5: Hyundai unter Hochspannung
10.7.2021, 18:18 UhrHyundai hegt ambitionierte elektrische Probleme. Bis 2025 will der südkoreanische Hersteller nichts weniger als zum europaweit führenden Anbieter von E-Autos werden. "Dieser Konzern ist bereit, bei alternativen Antrieben unheimlich Gas zu geben", sagt Hyundai-Deutschland-Geschäftsführer Jürgen Keller; und auch wenn die Sache mit dem Gasgeben eher metaphorisch gemeint ist, tut das der dahinter zu vermutenden Entschlossenheit keinen Abbruch.
Neben dem Wasserstoff-Crossover Nexo und allerlei Plug-in-Hybriden bevölkert zwar schon jetzt eine rein batterieelektrische Version des Kona das Modellprogramm. Ergänzend hat Hyundai aber eine eigene elektrische Submarke gegründet, Ioniq heißt sie, ihr erster Spross Ioniq 5 startet jetzt in den Markt.
Moment mal, mag der in der Elektro-Szene bewanderte Leser da einwenden, Ioniq – den gibt's doch schon längst? Richtig, die erste Generation wurde bereits 2016 vorgestellt, für damalige Verhältnisse ungewöhnlicherweise gleich mit drei Alternativ-Antrieben – rein batterieelektrisch, Hybrid und Plug-in-Hybrid.
Mit dem ersten seines Namens hat der neue Ioniq 5 indes gar nichts mehr gemeinsam. Ausschließlich pur elektrisch ist er unterwegs, vor allem aber baut er auf der speziellen "Electric Global Modular Platform" (E-GMP) auf, die auch Konzernschwester Kia für den eng verwandten Kia EV6 verwendet.
Optisch sieht der 4,64 Meter lange Ioniq 5 ein bisschen so aus, als sei er aus der Zukunft ins Hier und Jetzt gebeamt worden. Klare, scharfe Kanten, glatte Flächen, bündig versenkte Türgriffe, die Tagfahrleuchten in rechteckiger Pixelgrafik, am Heck ein Leuchtenband, für das man, wie Chefdesigner Thomas Bürkle sagt, richtiggehend "gekämpft" habe. Captain Future hätte seine Freude an diesem Crossover.
Mit zweitem Elektromotor zum Allradantrieb
Jenseits des spacigen Stils interessieren den E-Autofahrer aber in erster Linie die technischen Details, und da vor allem, wie es um Antrieb und Reichweite bestellt ist. Vom Ioniq 5 wird es vier Varianten geben, mit kleiner und größerer Batterie, mit Heck- oder Allradantrieb, in letzterem Fall arbeitet ein zweiter Elektromotor an der Vorderachse. Die Versionen im Überblick:
- 58-kWh-Akku, Heckantrieb, 125 kW/170 PS, maximale Reichweite 384 km, Preis ab 41.900 Euro.
- 58-kWh-Akku, Allradantrieb, 173 kW/235 PS, maximale Reichweite 360 km, Preis ab 45.700 Euro.
- 72,6-kWh-Akku, Heckantrieb, 160 kW/217 PS, maximale Reichweite 481 km, Preis ab 45.100 Euro.
- 72,6-kWh-Akku, Allradantrieb, 225 kW/305 PS, maximale Reichweite 460 km, Preis ab 48.900 Euro.
Mit wem der Koreaner um Kunden konkurriert, ist klar – neben dem verschwisterten Kia EV6 legt er sich vor allem mit VW ID.4 und ID.4 GTX, Audi Q4 e-tron, Skoda Enyaq iV, Cupra Born oder Mercedes EQA an. Was die anderen nicht haben: Beim Laden unterstützt nicht die übliche 400-Volt-Technologie, sondern ein leistungsfähiges 800-Volt-System, wie es ansonsten nur in den lichten Höhen des Hochpreissegments (Porsche Taycan, Audi e-tron GT) geboten wird.
In 18 Minuten auf 80 Prozent
Was das bedeutet, lässt sich in der Währung Zeit ausrechnen: An der (allerdings noch raren) 350-kW-Schnellladesäule braucht es im Idealfall nur 18 Minuten, um die Hochvoltbatterie von 10 auf 80 Prozent Ladestand zu bringen, in fünf Minuten soll Strom für weitere 100 Kilometer Strecke nachgetankt sein. Hyundai hat sich dem Schnellladenetz Ionity angeschlossen, im Rahmen des "Charge myHyundai"-Programms zahlt der Ioniq-5-Kunde reduzierte 29 Cent pro kWh.
An der verbreiteteren 50-kW-Schnellladestation nimmt das 0-auf-80-Prozedere je nach Modellvariante in etwa 50 bis 60 Minuten in Anspruch. Und das standardmäßige Laden von Wechselstrom (AC) an der 11-kW-Wallbox oder -Säule erfolgt dreiphasig, in fünf bis sechs Stunden ist der Ioniq 5 dann wieder komplett gesättigt.
Gegen 1500 Euro Aufpreis generiert ein Solardach 1500 Kilometer Zusatz-Reichweite pro Jahr, "gemessen in südeuropäischen Gebieten", wie Hyundai allerdings vorsorglich anmerkt. Und dank seiner bidirektionalen Ladefähigkeit (Vehicle-to-Load oder V2, wie der Fachmann sagt) wird der Ioniq 5 zur überdimensionalen Powerbank, darüber freuen sich dann das strombedürftige E-Bike oder, beim Picknick, der Elektrogrill.
Frunk unter der Fronthaube
Wie segensreich sich so eine E-Plattform auswirken kann, ist im Innenraum zu besichtigen. Dank des üppigen Radstands und weil lästige Raumfresser wie ein Mitteltunnel wegfallen, gibt es jede Menge Bewegungsspielraum. Die Rücksitzbank lässt sich nicht nur umklappen, sondern auch bis zu 13,5 Zentimeter längs verschieben, wahlweise sogar elektrisch, auch das findet man nicht alle Tage. Das Kofferraumvolumen variiert so zwischen 499 und 1559 Litern, ein zusätzliches Staufach unter der Fronthaube ("Frunk") nimmt weitere 57 Liter auf und schluckt beispielsweise die Ladekabel. Nicht selbstverständlich für ein Elektroauto: Der Ioniq 5 kann einen Anhänger in Schlepp nehmen, die Anhängelast beträgt 750 oder (bei den Allradvarianten) 1600 Kilogramm.
Einen echten Wow-Effekt liefern die beiden großformatigen und zu einer optischen Einheit zusammengefügten Bildschirme, weiß umrandet sind sie und mit ebenfalls weiß grundierter Benutzeroberfläche versehen, Apple-Style trifft auf Kindle Paperwhite. Das Head-up-Display in Bigsize-Dimension zaubert optional Augmented-Reality-Funktionen ins Blickfeld, Außenspiegel-Kameras übertragen, ebenfalls optional, bei gesetztem Blinker das Geschehen im Toten Winkel aufs Fahrerdisplay. Immer wieder freut es uns, bei aller Digitalisierung noch klassisch-haptische Bedienelemente vorzufinden, der Ioniq 5 ermöglicht so fummelfreien Direktzugriff auf wichtige Funktionen wie die der Klimaanlage. Die Mittelkonsole heißt jetzt Multifunktionsinsel und ist um 14 Zentimeter zurückzuschieben; dass der Automatik-Wählhebel ans Lenkrad wandert, schafft zusätzlichen Freiraum.
Lümmeln während des Ladens
Einen besonderen Coolness-Faktor bieten freilich die Vordersitze mit Relax-Funktion (1100 Euro), auf Knopfdruck sind sie in Liegeposition zu bringen, entspannter lässt sich die Ladepause kaum überbrücken.
"Wir haben immer ein Wohnzimmer vor Augen gehabt", sagt Designchef Bürkle über die Interieurgestaltung; auf "dekorative Details" sei aber bewusst verzichtet worden, selbst das Hyundai-Logo fehlt am Lenkrad, "das braucht es nicht", erklärt Bürkle selbstbewusst. Ob dem Kunden die so erzeugte minimalistische, wenn auch hochwertige Schlichtheit gefällt, ist letztlich Geschmackssache, ein bisschen sehnsuchtsvoll haben wir schon an den edlen Materialmix im Audi Q4 e-tron gedacht, als wir zu unserer ersten Ausfahrt mit dem Ioniq 5 aufgebrochen sind.
Gegenstand dieses ersten Kennenlernens war das Topmodell, mit großer Batterie also und 225 kW/305 PS, dazu elektrischem Allradantrieb. Wieder einmal bestätigt es sich, wie erbaulich elegant elektrisches Fahren doch ist. Bis auf den Fußgängerwarnton gibt der Ioniq 5 beim Losfahren keinen Laut von sich, mit ansatzlosem Vorwärtsdrang setzt sich der Zweitonner in Bewegung, 605 Newtonmetern sei Dank. Zum Wohle der elektrischen Reserven ist die Höchstgeschwindigkeit auf 185 km/h begrenzt, das wird nur der Bleifuß-Fraktion alter Schule nicht reichen. Das Fahrwerk, dankenswerterweise eher komfortabel statt sportlich-straff abgestimmt, bügelt Unebenheiten zuvorkommend aus, auch das passt zur relaxten E-Charakteristik.
Mit 407 Kilometern Reichweite schickt uns der Bordcomputer auf Tour, nach 83 Kilometern geschwindigkeitsbegrenzter Strecke sind davon noch 323 Kilometer übrig, als Verbrauch notieren wir 17,5 kWh Strom.
Zur Preispolitik muss noch gesagt werden, dass Hyundai etliche der besonders interessanten Extras in Pakete (Dynamiq, Techniq, Uniq) integriert hat. Das bedeutet, dass das Head-up-Display mit Augmented-Reality-Darstellung oder der Totwinkelassistent mit Monitoranzeige Bestandteile des 11.850 Euro teuren Uniq-Pakets sind, das gleichzeitig die Voraussetzung dafür ist, das Solardach, die elektrisch (!) verschiebbare Rückbank und die Relax-Vordersitze überhaupt bestellen zu können. Davon einmal abgesehen, fällt die Serienausstattung lobenswert umfangreich aus; Digital-Cockpit, Navi und Rückfahrkamera gehören ebenso dazu wie Sitzheizung, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Autobahn-Assistent und Adaptivtempomat.
Ioniq 6 und Ioniq 7 folgen
Wenn sich deren Karriere ähnlich erfolgreich anlässt wie die des "5ers", kann Hyundais Deutschland-Chef Keller wohl zufrieden sein. Das Launch-Modell Ioniq 5 Project 45, sagt er, sei innerhalb von 24 Stunden restlos ausverkauft gewesen.
Hyundai Ioniq 5:
Wann er kommt: Zur Jahresmitte 2021
Wen er ins Visier nimmt: Kia EV6, Audi Q4 e-tron, VW ID.4, Skoda Enyaq, Cupra Born, Mercedes EQA
Was ihn antreibt: Elektroantrieb mit 125 kW/170 PS, 173 kW/235 PS, 160 kW/217 PS und 225 kW/305 PS. Batteriekapazität 58 oder 72,6 kWh
Was er kostet: Ab 41.900 Euro, Umweltbonus in Höhe von 9570 Euro voll abzugsfähig