Millionen-Projekte: Nürnbergs Museen stehen vor Modernisierung
17.8.2020, 05:27 UhrDokuzentrum: Im September wird der Bauzaun aufgestellt
Das 2001 eröffnete Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände platzt aus allen Nähten, es ist weder bei Klima, Brandschutz und Barrierefreiheit noch in Sachen moderner Ausstellungsaufmachung up to date. Bald geht die Sanierung und Erweiterung los: Im September wird der Bauzaun aufgestellt, die Bauarbeiten werden im Januar 2021 starten. Um die Öffnung während der Umbaujahre zu gewährleisten, entwickelt man derzeit eine "abgespeckte" Interims-Dauerausstellung für den gesamten Umbauzeitraum von drei Jahren. "Sonst geraten wir aus den Köpfen", sagt Thomas Eser, Direktor der städtischen Museen.
Die Gesamtkosten für die Erweiterung des Dokuzentrums sind mit 16,7 Millionen Euro veranschlagt. Darin sind 7,4 Millionen Euro für den musealen Ausbaubedarf enthalten. "Die Finanzierungen durch Stadt, Freistaat und Bund sind in den Größenordnungen generell im Konsens abgesprochen, aber in den jahresgenauen Mittelzuflüssen noch in letzter Klärung", sagt Eser.
Dokuzentrum: 300.000 Besucher im Jahr
Das Dokuzentrum ist finanziell gesehen einer der größte Brocken. Es ist aber auch mit über 300.000 Besuchern im Jahr das mit Abstand besucherstärkste Haus im städtischen Museumsverbund, zu dem auch das Dürer-Haus, das Stadtmuseum Fembohaus, das Museum Tucherschloss mit Hirsvogelsaal, das Spielzeugmuseum, das Museum Industriekultur, das Memorium Nürnberger Prozesse, die Historischen Lochgefängnisse und der Historische Kunstbunker sowie das Deutsche Spielearchiv, das Haus des Spielens und die Kunstsammlungen gehören.
Memorium: Experimente in der ehemaligen Kfz-Werkstatt
Das Memorium Nürnberger Prozesse hat im Prinzip drei Baustellen: Erstens die Verwandlung des Ostbaus des Justizpalastes zum Museum, zweitens die museale und mediale Einrichtung des "Saals 600" und drittens der Aufbau eines Besucherzentrums, für das es nun eine neue Übergangslösung gibt: Auf lange Sicht soll ein Neubau auf dem Gelände des Kfz-Reparaturwerkstattgebäudes "Pitstop" in der Fürther Straße entstehen. Zunächst aber will Eser die ehemalige Kfz-Werkstatt als Interimsangebot nutzen — und zwar bereits ab 20. November (an diesem Tag vor 75 Jahren begannen die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher).
"Das soll ein Experimentierort werden", sagt der Chef der Museen. Kosten für den Neubau stehen noch nicht fest. Sie dürften laut Eser im "niedrigen zweistelligen Millionenbereich" liegen. Die baulich-technische Sanierung des Ostbaus wurde durch das Staatliche Bauamt mit rund 8 Millionen Euro kalkuliert. "Die Zuständigkeit für diese anstehende Sanierung befindet sich zwischen Stadt und Freistaat gegenwärtig aber noch in letzter Klärung, da nicht die Stadt, sondern der Freistaat Eigentümer des Gebäudes ist", erklärt Eser. Für die Neugestaltung der Dauerausstellung würden schätzungsweise 5 Millionen Euro benötigt. Um den "Saal 600" für die Besucher aufzubereiten, sind rund 840.000 Euro veranschlagt.
Museum Industriekultur: 2023 wird ein Jahr lang zugesperrt
Die Ausstellung und die Konzeption des Museums Industriekultur entsprechen in großen Teilen noch dem Stand vor 35 Jahren. "Eine Aktualisierung des Konzepts ist längst überfällig", sagt Museumsleiterin Monika Dreykorn und möchte die sich dafür nun bietende Gelegenheit beim Schopf packen. Das Haus muss demnächst nämlich schließen. Brandschutzmaßnahmen sind nötig, die 2023 ausgeführt werden sollen. Für die zwölfmonatige Sanierung sind 3,9 Millionen Euro im städtischen Planungsverfahren veranschlagt.
Arbeit ein Schwerpunkt in Kulturhauptstadt-Bewerbung
Und wenn sowieso schon alle beweglichen Teile raus müssen, liegt es nahe, die Dauerschau auf neue Füße zu stellen — zumal das Thema Arbeit ein Schwerpunkt in Nürnbergs Bewerbung als Kulturhauptstadt ist und das Museum Industriekultur darin eine wichtige Rolle spielt. Für eine Neuaufstellung des Hauses mit seinen 4000 Quadratmetern Schaufläche müssten rund 10 Millionen Euro investiert werden.
Kulturhauptstadt 2025: Nachbessern dringend erwünscht!
Stadtmuseum Fembohaus: Geld von der Schoeller-Stiftung
Das Fembohaus zwischen Burg und Rathaus ist das einzige Nürnberger Kaufmanns- und Patrizierhaus aus der Frühen Neuzeit, das den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden hat. Die Dauerschau dort hat 20 Jahre auf dem Buckel. "Wir müssen neue Lebendigkeit reinbringen", sagt Evelyn Reitz. Sie ist neu im Leitungsteam der Museen der Stadt Nürnberg und verantwortet die Abteilung Kulturhistorische Museen.
Auch künftig sollen die Besucher das Haus von oben nach unten erobern, also beginnend vom Dachgeschoss mit seinem riesigen Stadtmodell. "Aber es besteht dringender Erneuerungsbedarf in der Art der Vermittlung, im Einsatz moderner Medien, im Ausbau der Infrastruktur, und es herrscht Erneuerungsbedarf beim Geschichtsbild das die Ausstellung vermittelt", so Reitz.
Besucher sollen stärker eingebunden werden
Stadthistorie will sie im Fembohaus künftig weniger als lineare Abfolge von Ereignissen darstellen, sondern als Vielfalt von Geschichten. Die Besucher sollen stärker eingebunden werden, die Vororte viel mehr aufscheinen in der Präsentation. Es ist viel zu tun.
Zögerliche Besucher: So geht es Nürnbergs Museen
Reitz träumt von einem Ausbau des Kellers, von einer Überdachung des Innenhofs und einer rundum zeitgemäßen Präsentation. Von der Schoeller-Stiftung gab es bereits 1 Million Euro an Projektförderung. "Damit können und müssen wir loslegen", sagt Eser. 700.000 Euro seien derzeit im mittelfristigen Investitionsplan der Stadt veranschlagt.
Spielzeugmuseum: "Emotionales Weltmuseum" ist das Ziel
Ein halbes Jahrhundert wird das Spielzeugmuseum im kommenden Jahr alt. Bis zum 50. Geburtstag soll zumindest das Entree aufgehübscht sein, offener, freundlicher, großzügiger werden. Knapp 500.000 Euro sind dafür in diesem und dem nächsten Jahr veranschlagt. "Wir können zur Finanzierung auf einige wertvolle ältere Nachlässe zurückgreifen", sagt Thomas Eser. Das Jubiläum soll aber Anlass für eine umfassende Erneuerung sein.
Als "Nürnbergs emotionales Weltmuseum" will Museumsleiterin Karin Falkenberg den spielenden Menschen künftig in den Mittelpunkt stellen, will mit ihrem Konzept Emotion mit Fantasie und Wissenschaft verbinden. Weil die Ausstellungsfläche mit 1400 Quadratmetern deutlich zu klein ist für die riesige Vielfalt der spielerischen Themen, soll ergänzend "Das digitale Spielzeugmuseum" entstehen.
Im Pellerhaus soll das "Haus des Spielens" entstehen
Die Arbeiten laufen. Ab 12. Oktober soll der Interimszugang über die Karlstraße 17 eröffnet werden, die Umbaumaßnahmen im Erdgeschoss sollen bis April 2021 abgeschlossen sein. Dann geht es bis in den Herbst hinein ans Einrichten. Sukzessive sollen dann der erste, zweite und dritte Stock saniert werden. Dafür wären insgesamt 3,5 Millionen Euro nötig.
Haus des Spielens: Im Oktober startet ein großes Festival
Im Pellerhaus soll auf insgesamt 6000 Quadratmetern das "Haus des Spielens" entstehen – mit Spielesaal, Depots für die Sammlung, Räumen für Workshops, zum Arbeiten, Forschen und für Veranstaltungen. Hier soll man von "früh um 10 bis in die späten Abendstunden das analoge und digitale Kulturgut Spiel erleben können. Wir wollen ein Netzwerkknotenpunkt für alle Themen rund um das Spielen werden", sagt Gabriele Moritz, die das Projekt bei der Stadt Nürnberg federführend betreut.
Im Oktober soll ein vorwiegend digitales Festival unter dem Titel "games and" die Schnittstellen von Spielen und anderen Kulturformen wie Theater oder Bildende Kunst aufzeigen.
Trotz des durch Corona angespannten Haushaltes sieht Moritz zuversichtlich in die Zukunft: "Die Stadt muss das Haus sowieso sanieren. 50 bis 60 Prozent bekommen wir von der Städtebauförderung des Freistaates", sagt sie. Das Thema Spiel ist ein zentrales in der Bewerbung Nürnbergs als Europas Kulturhauptstadt 2025. Der grobe Kostenrahmen für die Sanierung des Pellerhauses und die Einrichtung des Haus des Spielens liegt bei 34,5 Millionen Euro. "Bis September wird die Entwurfsplanung fertig und damit eine genauere Kostenberechnung möglich sein", sagt Moritz.
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