Verlieben in Corona-Zeiten: So kann die Partnersuche laufen

22.02.2021, 05:55 Uhr
Gerade in Pandemiezeiten wünschen sich viele Singles einen Partner, mit dem sie Sorgen und Ängste teilen können. Aber wie findet man diesen Menschen während des Lockdowns?

© Sergey Nivens via www.imago-images.de Gerade in Pandemiezeiten wünschen sich viele Singles einen Partner, mit dem sie Sorgen und Ängste teilen können. Aber wie findet man diesen Menschen während des Lockdowns?

"Singles wird derzeit in ihrer leeren Wohnung oft schmerzlich bewusst, dass ein Partner fehlt, mit dem sie ihre Ängste und ihre Sorgen teilen können", sagt Eric Hegmann, Single-Coach und Paarberater, der zahlreiche Bücher über Liebe und Partnersuche veröffentlicht hat.

Der Wunsch nach Nähe ist bei vielen Menschen stark vorhanden. Ganz besonders in unsicheren Pandemiezeiten mit ihren Kontaktbeschränkungen. Vor Corona war der erfolgreichste Kuppler der Freundeskreis, sagt Hegmann. Danach kam das Internet, auf Platz drei der Arbeitsplatz und danach der Freizeitbereich. Von diesen Vieren bleibt jetzt mehr oder weniger einer übrig. Auf der Suche nach der Liebe vertrauen daher viele den großen Online-Datingportalen. Die legen in der Pandemie zu: "Wir haben einen Anstieg der Neuregistrierungen und lagen 2020 knapp ein Zehntel über dem Niveau des Vorjahres", sagt Jana Bogatz von dem Online-Anbieter Parship.

Neues Bewusstsein

Es sind aber nicht nur mehr Menschen auf der Suche, sie tun das auch intensiver: "Unsere Mitglieder haben 2020 zeitweise ein Fünftel mehr Nachrichten als im Vorjahr verschickt", sagt Beatrice Bartsch von der Plattform Elite.Partner. Bogatz glaubt, dass das nicht nur daran liegt, dass das Kennenlernen offline erschwert ist. Sie ist davon überzeugt, dass die aktuelle Krise auch mehr Bewusstsein für den Wert einer langfristigen und glücklichen Beziehung schafft.

Corona hat die Partnersuche via Internet aber auch verändert. Die Menschen sind vorsichtiger, zurückhaltender, im positiven Sinne wählerischer geworden: "Sie überlegen sehr viel genauer, mit wem sie in Kontakt treten", sagt Hegmann. Das alte Modell mit möglichst vielen Kontakten und möglichst vielen Treffen sei out. Man überlege länger und schaue genauer hin, wer es wirklich wert sein könnte, kontaktiert zu werden.

"Wie geht es dir?"

Wie das dann geschieht, auch das hat sich verändert – nicht nur technisch, auch inhaltlich. Sehr viel schneller als vor der Pandemie werden die Gespräche persönlich und emotional. "Wie geht es dir denn in dieser Situation?" So oder so ähnlich fangen viele der ersten Unterhaltungen an, sagt Hegmann. Das heißt: Es plätschert kein unverbindlicher Smalltalk über Wetter, Hobbys, Beruf vor sich hin. "Die Gespräche sind tiefgründiger geworden", sagt er. Und das ist aus Sicht des Experten gut so: "Smalltalk hilft nicht gegen Einsamkeit, Austausch über Ängste aber schon."

Die großen Online-Anbieter haben bereits im Frühjahr 2020 die Möglichkeit für Video-Dates zum virtuellen Kennenlernen eingeführt. Ein Service, der insbesondere in Zeiten des Lockdowns immer stärker angenommen wird. Die Zugriffszahlen steigen. "Schon kurz nach Einführung gab es Video-Dates, die fünf Stunden und mehr gedauert haben. Das längste Video-Date erstreckte sich sogar über 15 Stunden", sagt Bartsch über den neuen Service.

Vorbereitungen fürs Video-Date

Bei dem, so betont Hegmann, geben die Gesprächspartner mehr von sich preis als bei einem Date im Café oder Restaurant. Denn im Hintergrund des Videos zeigt man sein Lebensumfeld, ein Stück seiner Einrichtung, seines Wohnstils und Geschmacks. "62 Prozent der Frauen machen sich für ein Video-Date zurecht wie für ein physisches Treffen, auch den Hintergrund und das Outfit überlegen sich viele Singles genau", fasst Bartsch die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung zusammen.

Aber natürlich wollen Alleinstehende, die auf Partnersuche sind, einen potenziellen Kandidaten oder eine mögliche Kandidatin auch ganz analog, ganz "echt" treffen. Nicht leicht in Pandemiezeiten. Der Klassiker für das erste Date ist inzwischen der Spaziergang. "Man ist draußen, man ist in Bewegung. Das macht Spaß und hat viel weniger von einem ,Verhör’, als das man solche Treffen am Tisch in einem fremden Café oft empfindet", meint Hegmann.

Spaziergänge im Park

Gemeinsame Spaziergänge im Park seien auch ohne Bedrohung durch ein Virus eine gute Wahl fürs erste Date, meint der Single-Coach. Sein Favorit ist in Normal-Zeiten aber ein gemeinsamer Besuch auf dem Flohmarkt. "Da sieht man gleich, welchen Geschmack die Person hat, ob sie sparsam oder großzügig ist und wie im Umgang mit anderen."

Das Geschäft mit der Liebe aus dem Internet wächst stetig und hat auch bei der Dating-App Tinder für deutliche Umsatzzuwächse gesorgt: Im ersten Quartal 2020 hatte Tinder 6,03 Millionen zahlende Kunden, drei Jahre zuvor waren es 1,9 Millionen. 47 Prozent der 16- bis 29-Jährigen in Deutschland haben schon einmal Online-Dating-Dienste genutzt. Man geht davon aus, dass die Anzahl der Nutzer von Online-Singlebörsen im Jahr 2024 bei weltweit 280 Millionen liegt.


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Raus aus der Tabuzone

Bedeutet diese Konkurrenz das Aus für die niedergelassenen, die klassischen Partneragenturen vor Ort? "Im Gegenteil", sagt Simone Janssen, Vorsitzende des Gesamtverbandes der Ehe- und Partnervermittlungen. Seit die Online-Börsen großflächig für ihre Dienste werben, sei das Thema Partnervermittlung kein Tabu mehr und in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Das ist auch gut für die niedergelassenen Kollegen. Was Reinhold Lang, der seit über 35 Jahren seine Partnervermittlung in Weiden in der Oberpfalz betreibt, bestätigt. "2020 habe ich übers Jahr gesehen nicht weniger Umsatz gemacht als sonst", sagt er.

Lang arbeitet ganz klassisch – mit ausführlichen Gesprächen mit seinen Kundinnen und Kunden, um herauszufinden, wie sie sind und welchen Partner sie sich wünschen. Er legt Profile an. Und zwar richtige, wie er betont. Sich jünger oder schlanker machen, das geht bei ihm nicht durch. Auf seine Angaben könne man vertrauen, sagt Lang, anders als bei den unkontrollierten Einträgen im Internet. Er macht seinen Auftraggebern dann – gegen einen je nach Aufwand bemessenen Festbetrag – Vorschläge für mögliche Partner. Dabei nimmt er übrigens nicht jeden in seine Kartei. "Wenn ein 80-Jähriger eine Frau um die 40 sucht, dann nicht mit mir."

Angst vor Ansteckung

Was Lang wie auch die Kollegen von den Online-Portalen feststellt, ist derzeit eine gewisse Zurückhaltung im Vereinbaren von persönlichen Treffen, die zudem durch Ausgangssperren ab 21 Uhr erschwert werden. Die Leute, weiß Lang, haben Angst vor Ansteckung. "Das merkt man vor allem bei Älteren, die das Thema Partnersuche dann lieber verschieben", sagt er.

Verbandsvorsitzende Janssen ist selbst als Partnervermittlerin in Köln tätig und hat in der Corona-Zeit "keinerlei Einbußen" zu verzeichnen. Was für sie leicht erklärbar ist: "Gerade in solchen Krisen suchen die Leute auch bei der Partnerwahl nach Sicherheit." Die böten reale Partnervermittler sehr viel mehr als digitale. Weil klassische Vermittlungsagenturen die potenziellen Partner nach persönlichem Eindruck handverlesen, sei die Qualität bei den Treffen auch deutlich höher. "Bei mir geht die Vermittlung oft ratzfatz", sagt Lang und meint: "Im Internet verprassen die Leute oft ihre Zeit."

"Wir leisten Seelenarbeit"

Laut Zahlen des Gesamtverbandes der Ehe- und Partnervermittlungen gibt es rund 2000 Online-Partnerbörsen. "Aber nur sechs Prozent der Partnersuchenden werden dort fündig", heißt es auf der Homepage. "Viele sind mit dem Riesenangebot der Online-Börsen schlichtweg überfordert", glaubt Janssen, die seit mehr als 30 Jahren im Geschäft ist. Ihre Vermittlungsquote schätzt sie auf 80 Prozent. "Ich habe ehemalige Kunden, die jetzt ihre Kinder zu mir bringen", sagt sie.

Corona hat aber auch ihre Arbeit nicht nur durch die Abstandsgebote verändert: "Wir leisten viel Seelenarbeit." Noch nie, sagt Janssen, habe sie so viel Zeit mit Kunden oder Interessenten verbracht, um ihnen in Gesprächen über die Einsamkeit hinwegzuhelfen.

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