Loch in der Reaktor-Stahlkugel von Grafenrheinfeld
Kernkraftwerk in Franken: 18 Tonnen Atommüll lagern in einer Halle nebenan
19.12.2021, 05:53 UhrUnterwasserkameras sind an den Sägen und anderen Werkzeugen angebracht, mit denen die Rückbau-Experten im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld bei Schweinfurt gerade die Einbauten des Reaktordruckbehälters zerlegen. In zehn bis 14 Metern Tiefe muss dabei gearbeitet werden, das Wasser im Reaktor- und Abstellbecken schirmt die Arbeiter am Beckenrand vor der radioaktiven Strahlung ab.
Mit dem Fernglas am Beckenrand
Mit bloßem Auge sieht man so aber natürlich nur sehr ungenau, wie man da unten hantiert und was man teilweise über komplizierte Seilzugsysteme bedienen muss. Deshalb die Unterwasserkameras. "Ich habe aber auch schon mal jemanden mit Fernglas vom Beckenrand in die Tiefe blicken sehen", erzählt Kraftwerkssprecherin Evamaria König.
Seit dem 28. Juni 2015 wird in Grafenrheinfeld kein Strom mehr erzeugt, das Kraftwerk wurde stillgelegt und wird zurückgebaut. Die sprichwörtliche grüne Wiese sieht man dort aber noch lange nicht, der Rückbau soll erst im Jahr 2035 abgeschlossen sein. Und selbst dann wird hier noch keine grüne Wiese sein, weil das Zwischenlager und das Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, die beide direkt neben dem Kraftwerk stehen, wohl noch sehr viel länger in Betrieb bleiben werden.
Im Dezember 2020 hat das letzte Brennelement das Kraftwerk verlassen, die Anlage ist seither offiziell brennstofffrei. "Jetzt hat die Hochphase des Rückbaus begonnen", betont König. Seit August werden die Einbauten des Reaktordruckbehälters zerlegt, ab Mitte 2023 soll dann der Behälter selbst an die Reihe kommen.
54 Castor-Behälter mit Brennelementen im Zwischenlager
Im Mai 2021 ist die 101 Meter lange, 28 Meter breite und 17 Meter hohe Bereitstellungshalle neben dem Kraftwerk in Betrieb gegangen, in der bis zu 6000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle gelagert werden dürfen. 18 Tonnen Atommüll aus dem Kraftwerk wurden dort seither in zwölf Behältern eingelagert, unter anderem Filtermaterialien und verschiedene Anlagenteile. 59 leere Behälter stehen schon für weitere Abfälle bereit.
Dabei handelt es sich um sogenannte "Konrad-Container", die ab dem Jahr 2027 im Schacht Konrad bei Salzgitter eingelagert werden können - so das dortige Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle denn auch wirklich zu diesem Zeitpunkt in Betrieb gehen kann.
In Grafenrheinfeld stehen im Zwischenlager nebenan nun 54 Castor-Behälter mit Brennelementen, für 88 solcher Container ist das Lager zugelassen. Stefan Mirbeth, Sprecher der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH, versichert aber, dass die Einlagerung "final abgeschlossen" ist.
Neues Loch in der Reaktor-Stahlkugel
"An diesem Belegungsstand wird sich nichts mehr ändern. Aufgrund des Atomausstiegs fallen deutlich weniger Brennelemente an", erklärt er. An allen von der BGZ betriebenen Zwischenlager-Standorten seien ausreichend Kapazitäten vorhanden. Eine Verlegung von Castor-Behältern zu anderen Standorten sei deswegen nicht notwendig.
Die Betriebsgenehmigung des Zwischenlagers läuft noch bis 2046. Da ein Endlager für Brennelemente in Deutschland noch längst nicht gefunden ist, werden die Castoren wohl noch sehr lange in Grafenrheinfeld bleiben.
Zurück zum Kraftwerk. Drei Zugänge gab es bisher zum Sicherheitsbehälter als dem Allerheiligsten der Anlage: eine Personen-, eine Material- und eine Notschleuse. Alles musste bislang durch diese drei Nadelöhre und war dann teilweise schwierig weiterzutransportieren.
Atommüll-Transport 28 Meter in die Tiefe
Durch die Brennstofffreiheit war es nun möglich, eine weitere Öffnung in der Stahlkugel des Sicherheitsbehälters zu schaffen. Kurz zur Erklärung: Was man von außen vom Reaktorgebäude sieht, ist zunächst nur eine Betonkugel. Darin sitzt noch einmal eine große Stahlkugel, der Sicherheitsbehälter. Zwischen beiden ist einige Meter Platz. Dort befindet sich der Ringraum mit etlichen verschiedenen Ebenen und Räumen.
Bei der neuen Öffnung wird nun ein Aufzug installiert, mit der das Material quasi vom Erdgeschoss des Reaktorgebäudes, dem sogenannten Beckenflur, 28 Meter in die Tiefe zum Reststoffbehandlungszentrum gelangen kann. Anfang 2022 soll er in Betrieb gehen und den weiteren Rückbau deutlich erleichtern.
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