Corona-Krise in den Mittzwanzigern: Auch uns geht es schlecht!
12.2.2021, 14:26 UhrDie Corona-Pandemie geht ins zweite Jahr und damit auch die sozialen Einschränkungen und fehlenden Erlebnisse. Besonders hart trifft das Menschen auf den Intensivstationen, in Altenheimen. Auch für Singles ist es schwierig, für Schulkinder, für Alleinerziehende. Aber auch uns Menschen in den Zwanzigern geht es nicht gut. Mir und meinen Freunden reicht es langsam. Vor allem, weil wir in der Krise kaum wahrgenommen werden.
Orientierungshilfe gesucht
Warum ausgerechnet jetzt? Es ist die Phase unseres Lebens, in der wir uns zum ersten Mal ein eigenes Leben basteln. Wir machen Karrierepläne, wollen Träume verwirklichen und die große Liebe finden. Wir brauchen Menschen um uns herum, mit denen wir gemeinsam diese Veränderungen durchmachen können. Menschen, die uns Halt und Orientierung geben. Das geht nicht per Videokonferenz oder am Telefon. Corona nimmt uns die Lebenszeit und -erfahrung, auf die wir so lange gewartet haben.
Weint liebe Studis
Eine Gruppe trifft es besonders hart: die Studierenden. Wer während der Pandemie damit begonnen hat, den beneide ich nicht. Normalerweise ist der Start des Studiums nicht nur die nächste Bildungsstufe. Viele verlassen das Elternhaus und stehen das erste Mal auf eigenen Beinen.
Wie schwer das Studierenden momentan fällt, konnte ich bei meiner Freundin Anna erleben. Bei einem Telefonat zum Semesterbeginn Anfang Oktober hatte sie viele Fragen an mich, auf die ich damals in meiner neuen Clique Antworten gefunden hatte. Oder die ich als Eisbrecher für ein Gespräch vor dem Hörsaal nutzen konnte.
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Meine Kommilitoninnen, die mich bis zum Ende meines Studiums begleiten sollten, lernte ich damals zufällig beim Rauchen vor einer Kneipe oder dem Anstehen für die Mensacard kennen. Online gibt es keine Zufälle. Natürlich kann man sich per Zoom kennenlernen. Aber was, wenn man sich nun durch private Nachrichten annähert, sich bei einem persönlichen Treffen nach Corona aber gänzlich unsympathisch ist? Wir, die Generation Social-Media, wissen doch, wie sehr sich das wahre von dem Online-Ich unterscheiden kann. Nach dem ersten Semester hatte ich ein stabiles Umfeld aufgebaut. Ihr müsst auf diese Sicherheit noch warten.
Berufsalltag ade
Aber auch höhere Semester haben es nicht leicht. Viele sind eigentlich fertig, verlängern aber ihr Studium aus Angst vor dem angespannten Arbeitsmarkt. Andere, die gerade ein Praxissemester absolvieren, sitzen bei Praktika zuhause vor dem PC, statt sich einen Namen in der Arbeitswelt zu machen.
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In der ersten Welle 2020 war ich eine von ihnen. Ich war in Berlin und hatte eine lang ersehnte Praktikumsstelle beim Tagesspiegel ergattert. Mein Glück: Ich konnte eine ganze Woche lang Redaktionsluft schnuppern, bevor sie von Corona kontaminiert wurde. Mein Pech: Danach ging es für drei Monate ins Homeoffice. Kontakte konnte ich dort nur zu meinen Mitbewohnern knüpfen, Anweisungen vom Team gab es nur noch online. Ja, die Arbeitswelt stand damals Kopf. Die Karriereplanung vieler Mittzwanziger allerdings auch. Nicht alle hatten Glück, viele Praktika wurden komplett gestrichen und bis heute nicht nachgeholt. Der Einstieg in den Beruf wurde so für viele deutlich holpriger.
Ohne Moos nix los
Aber nicht nur der anvisierte „Hauptjob“ rückte in den Ferne. Viele Nebenjobs verschwanden zu Beginn des ersten Lockdowns ganz von der Bildfläche. Um mich neben meiner mickrigen Praktikumsvergütung über Wasser zu halten, hatte ich einen Kellnerjob in Kreuzberg. Der Laden musste Mitte März schließen. Die 450-Euro-Kräfte waren die ersten, die nach dem Lockdown kein Geld mehr sahen.
Damit saß ich in Berlin, ohne Geld, um wenigstens die Miete zu zahlen. Ich half mir, wie viele andere, die ihre Jobs an Bars, in Bücherläden oder in Taxis verloren haben: Ich pumpte meine Eltern an. Nachdem man sich viele Jahre versucht hat, vom Elternhaus zu lösen, fühlt man sich schrecklich, wenn man plötzlich wieder abhängig ist. Es gab aber auch viele, die sich dieser Geldquelle nicht bedienen konnten. Die für sie vorgesehenen Hilfen kamen im Juni – zu spät und zu wenig.
Zukunftsvisionen im Corona-Tief
Das Positive an der Corona-Kündigung: Ich hatte mehr Zeit, um Bewerbungen zu schreiben. Es ist aber nicht leicht, Zukunftspläne zu schmieden, während täglich neue dystopische Nachrichten auf einen einprasseln. Vielen jungen Menschen blieb keine Zeit zum Jammern, denn eins wurde uns immer gelehrt: Lücken im Lebenslauf sind zu vermeiden – Corona hin oder her.
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Was für viele die Jobsuche, neben Corona-Blues und Isolation zusätzlich erschwert: Die Stellen wurden immer weniger. Viele Betriebe entscheiden sich derzeit, die angespannte Lage abzuwarten, statt in die Zukunft zu investieren. Ich hatte Glück, andere gingen leer aus. Meine Freundin Hannah beispielsweise. Sie machte eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, im Januar war Abschlussprüfung. Ihre Übernahmechancen bei geschlossenen Hotels: minimal.
Neue Stadt, kaum neue Leute
Was wir Menschen in den Zwanzigern neben Reisen und Feiern auch gern machen: Umziehen. Wenn wir für ein Studium in eine andere Stadt ziehen oder eine neue Wohngemeinschaft ausprobieren wollen. Mein schwäbischer Freund Christian ist, wie ich, im Herbst für seinen ersten Job nach Nürnberg gezogen.
Anfangs waren wir beide noch euphorisch, weil wir unsere Arbeitskollegen vor Ort kennenlernten. Aber wie soll man sich mit einer Stadt anfreunden, in der man ab 21 Uhr nicht mehr ohne triftigen Grund aus dem Haus darf? Wie soll man sich neue Leute suchen, wenn nur ein anderer Haushalt zu Besuch kommen darf? Auch die Schwärmereien der alten WG-Bewohner über die lokale Kneipenszene helfen da nicht weiter. Das Bardentreffen, Rock im Park und andere Nürnberger Originale werden wir wohl erst 2022 kennen lernen können.
Aber wir haben Glück – wir haben uns. Andere leben allein und vermissen den Kontakt zu Freunden und Verwandten. Andere sind neu in die Stadt gekommen und arbeiten seitdem im Homeoffice. Wie sollen die momentan Anschluss finden?
Luft ohne Liebe
Zur Zeit fehlt vielen außerdem die Liebe. Dem Traumprinzen auf einer Party über den Weg laufen? Unmöglich! Wir haben immerhin den Vorteil, dass wir das Dating schon vor einiger Zeit ins Netz verlegt haben. Aber auch hier gibt es Probleme, wie mein Freund Alex feststellen musste. Auf Tinder ist es ihm schon häufiger passiert, dass sich die Chatpartner persönlich treffen wollten. Die derzeitigen Corona-Beschränkungen finden offenbar nicht alle sexy. Wenn er darauf hinweist, ist das Interesse am anderen Ende meist schnell verschwunden. Corona wird damit zum Liebes-Killer, dabei hätten wir jetzt ausreichend Zeit für einen Partner.
Bekommen wir unsere Zeit zurück?
Jahr zwei der Pandemie, Jahr zwei der sozialen Unmöglichkeiten. Vergangenen Zeiten soll man bekanntlich nicht nachweinen. Das wird uns in den Zwanzigern allerdings schwer fallen. Ich hab Alex gefragt, ob er denkt, dass wir die verlorene Zeit wieder aufholen können. Seine Meinung: Nein.
Ich denke, es ist nicht unmöglich, aber die Zeit wird anders. Ihr Studienanfänger könnt auch im dritten Semester noch Freundschaften schließen. Ich und mein Mitbewohner können die Stadt auch später noch erkunden, vielleicht sogar mit mehr Elan, als wir es im Herbst getan hätten. Aber einmalige Erinnerungen wie eine Abi-Feier oder ein bereits geplantes Auslandssemester sind dahin. Die Uhr dreht sich weiter, Lücken im Lebenslauf werden trotz Corona Lücken bleiben.
Mein Appell an alle Mittzwanziger: Die Zeit ist zwar futsch, aber wir können unsere Zwanziger auch auf die Dreißiger ausweiten. Ein Jahr haben wir bereits gutgeschrieben.
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