Corona-Tote: 85 Prozent "an" statt nur "mit" Covid verstorben
7.2.2021, 14:34 Uhr"Bei 85 Prozent der Fälle konnten wir wirklich bestätigen, dass sie an Covid-19 verstorben sind", sagte der Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Christoph Röcken. In Kiel wurden bislang mehr als 50 Menschen im Alter von 53 bis über 90 Jahre obduziert, die sich vor ihrem Tod mit Sars-CoV-2 angesteckt hatten. Nur ein kleiner Teil sei mit statt an Covid-19 gestorben, sagte Röcken.
Röcken und sein Team obduzieren aktuell zusätzlich zu ihren anderen Aufgaben täglich zwei Menschen, die an oder mit Covid-19 gestorben sind. Ihr Ziel: Wissen sammeln über einen Erreger und eine Krankheit, die derzeit überall auf der Welt wüten. Die Ergebnisse werden im Rahmen einer bundesweiten Initiative von 34 Unikliniken systematisch zusammengetragen. In einem Obduktionsregister werden die Daten aus ganz Deutschland gesammelt und ausgewertet sowie Gewebeproben von an Covid-19 Verstorbenen aufbewahrt.
RKI verzeichnete bisher mehr als 60.000 Corona-Tote
Bislang liegen bundesweite Daten aus dem Obduktionsregister noch nicht vor. Aber er höre von anderen Pathologen bundesweit, dass diese zu ähnlichen Ergebnissen kämen, sagte Röcken.
Das Robert Koch-Institut verzeichnete bislang mehr als 60.000 Corona-Todesfälle. In die Statistik gehen dabei sowohl Menschen ein, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind, also auch solche mit Vorerkrankungen, bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war.
Regensburger Studie liefert Anhaltspunkte
Eine kleine Studie vom Uniklinikum Regensburg liefert bei der Frage, ob die obduzierten Menschen an oder mit dem Coronavirus verstorben sind ebenfalls interessante Anhaltspunkte. Von acht obduzierten Corona-Toten starben demnach sieben an multiplem Organversagen, ausgelöst durch die Infektion mit dem Coronavirus. Dabei ist sich die Verantwortliche der Studie sicher, dass ohne die Corona-Infektion sieben Patienten wohl noch am Leben wären. Bei den acht Personen handelt es sich um Menschen, die in der ersten Infektionswelle an oder mit Corona verstorben waren. Darunter waren vier Männer und vier Frauen im Alter von 44 bis 73 Jahren. Alle waren zuvor am Uniklinikum beatmet worden, wie der BR bereits berichtete.
Corona-Pandemie: Was die Übersterblichkeit aussagt - und was nicht
Die Ergebnisse zeigen auf, dass nur bei einer Patientin eine kritische Vorerkrankung zum Tod führte – die anderen Infizierten starben an multiplem Organversagen, ausgelöst durch eine Corona-Infektion. Bei den sieben Toten lagen leichte Vorerkrankungen vor.
Relativ große Stichprobe: Fast 50 Prozent obduziert
Insgesamt sind im Frühjahr 2020 17 Menschen mit oder an Corona an der Uniklinik in Regensburg verstorben. Acht davon wurden anschließend obduziert, das sind beinahe 50 Prozent der Verstorbenen. In Anbetracht dessen, dass es in Bayern sonst eine Obduktionsrate von nur etwa vier Prozent gibt, sei die Stichprobe also relativ groß, wie die Oberärztin und Studienverantwortliche Katja Evert betont. Angehörige müssen in Bayern einer Obduktion verpflichtend zustimmen. In anderen Bundesländer wie zum Beispiel in Hamburg war das anders - das Infektionsgesetz wurde hier angepasst.
Evert, die auch die Hauptverantwortliche der kleinen Studie ist, sagt, dass die sieben Patienten keine gravierenden Vorerkrankungen gehabt hätten. Leichte Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes oder vereinzelt Herzerkrankungen standen aber in den Krankenakten. Dennoch ist sie sich sicher: "Ich bin keine Hellseherin, aber es hat keiner eine Erkrankung gehabt, an der er ohne die Corona-Infektion verstorben wäre".
Studie und Erkenntnisse von Pathologen fast deckungsgleich
Außerdem stellt die Oberärztin in ihrer Studie fest, dass der Grund für das Organversagen bei vier Patienten eine vorangegangene Pilzinfektion war, deren Ursprung wiederum in der Corona-Infektion lag.
Corona-Tote: Darum sterben so viele außerhalb der Intensivstationen
Um also wirklich Klarheit über die Frage, wie viele Covid-Erkrankte an oder mit dem Virus versterben zu erlangen, müssten mehr Obduktionen und auch klinische Befunde im Einzelfall ausgewertet werden, sagt die Oberärztin.
Somit sind die Erkenntnisse über die Anzahl an Menschen die "an" dem Virus verstorben sind statt "mit" von Christoph Röcken vom UKSH und der kleinen Studie des Regensburger Uniklinikum fast deckungsgleich. Während Röcken von einem bestätigten Tod aufgrund der Corona-Infektion von 85 Prozent spricht, entsprechen die sieben von acht Obduzierten aus Regensburg, die an dem Virus verstorben sind, einem Anteil von 87,5 Prozent.
Hier können Sie Ihre Meinung zur Corona-Krise kundtun oder sich mit anderen Usern zum Thema austauschen. Alle Artikel zu Corona haben wir zudem für Sie auf einer Themenseite gesammelt.