Sommerurlaub bei 20 Grad

Mäßige Temperaturen statt Brutzeln am Strand - Was steckt hinter dem neuen Reisetrend "Coolcation"?

Alina Boger

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12.8.2024, 20:34 Uhr
Der Reisetrend "Coolcation" verbreitet sich immer mehr bei Urlaubern. Aber was heißt das eigentlich?

© Imago Der Reisetrend "Coolcation" verbreitet sich immer mehr bei Urlaubern. Aber was heißt das eigentlich?

Während des Sommerurlaubs irgendwo in Italien, Spanien oder Griechenland am Strand liegen, das Meer im Hintergrund rauschen hören und sich in der Sonne entspannen. Das war früher mal. Mittlerweile sind die Temperaturen in diesen Ländern im Sommer kaum auszuhalten. In Griechenland wütet ein gewaltiger Waldbrand. In Teilen Italiens herrscht extreme Dürre. Auf einer beliebten Urlaubsinsel wurde ein Wasser-Notstand ausgerufen. Kurz gesagt: Der Klimawandel macht sich bemerkbar.

Wer sich auf einen bevorstehenden Sommerurlaub freut, darf nicht vergessen, die Situation in dem ausgewählten Land zu beobachten. In extremen Fällen muss der Urlaub vielleicht sogar kurzfristig storniert werden. Selbst wenn alles gut läuft, sind die Temperaturen in den geliebten Urlaubsregionen der Deutschen im Juli und August oft extrem hoch. An Sonnenschutz, Kopfbedeckung und reichlich Wasser muss stets gedacht werden. Der Reisetrend "Coolcation" soll eben dem entgegenwirken.

Was bedeutet "Coolcation"?

Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern "cool" (kühl) und "vacation" (Urlaub) zusammen. Damit ist ein Urlaub in Regionen gemeint, in denen die Temperaturen im Sommer selten über 25 Grad steigen.

Laut dem Urlaubsportal "Urlaubsguru" stehe bei solchen Reisen weniger die Entspannung und Rundum-Verwöhnung im Vordergrund. Es gehe mehr um die Schönheit und Einzigartigkeit der Reiseziele. Zudem sei es den Reisenden wichtig, Aktivitäten wie Wandern, Fahrrad- oder Kajak fahren auszuüben, da das in den heißeren Ländern im Sommer teils unmöglich wird.

Der Trend an sich sei nicht neu, sagt Tourismusforscher Dirk Reiser gegenüber der "Rheinischen Post". In Australien beispielsweise würden Menschen die heißen Perioden teilweise auf der Insel Tasmanien verbringen, statt auf dem Festland.

Zuwachs auch in Europa

Mittlerweile kann man diese Entwicklung auch in Europa beobachten. So bestätigt der schwedische Campingplatzbetreiber Bert de Vries der "Tagesschau" eine Steigerung der Anzahl ausländischer Gäste um ganze 20 Prozent in diesem Jahr. Viele seiner Kunden seien zum ersten Mal in Schweden. Früher wären sie in den Süden gereist, mittlerweile sei es ihnen dort zu heiß oder es gäbe Überschwemmungen.

Laut einer Studie der Europäischen Union könnte aus diesen steigenden Zahlen bald ein Trend werden. Anhand von Daten aus 269 europäischen Regionen wurden die Auswirkungen aktueller klimatischer Bedingungen auf die Touristenströme ausgewertet. Dabei kam heraus, dass es ein klares Nord-Süd-Muster bei den Veränderungen der Tourismusnachfrage zu erkennen ist. "Die nördlichen Regionen profitieren vom Klimawandel, während die südlichen Regionen mit erheblichen Rückgängen der Tourismusnachfrage konfrontiert sind", heißt es weiter.

Skandinavische Länder werden immer beliebter

Besonders eine Region scheint beim "Coolcation"-Trend beliebt zu sein. Lisa Volkmann vom Vergleichsportal "Check24" erklärt gegenüber dem "ZDF", sie stelle diesen Sommer eine überdurchschnittliche Nachfrage für kühlere Ziele im Vergleich zum Vorjahr fest. "Besonders häufig gesucht werden Dänemark und Norwegen, aber auch Österreich und Schweden erfahren deutlich mehr Zuwachs", erklärt sie.

Vor allem nach der Corona-Pandemie soll das Interesse an einem Urlaub in Skandinavien gestiegen sein. Auch Deutschland selbst soll interessanter werden, ebenso wie Alaska und Kreuzfahrten durch Polargebiete. Dabei gehe es vielen Menschen um einen aktiven Urlaub, weshalb sie sich häufig für das Campen entscheiden.

Ist "Coolcation" nachhaltiger, als der herkömmliche Strandurlaub?

"Urlaubsguru" sieht den Grund für das steigende Interesse darin, dass "kühlere" Urlaubsorte oft nachhaltige Tourismusmöglichkeiten bieten und noch nicht so überlaufen sind, wie andere beliebte Urlaubsspots. Auch Dirk Reiser findet, Urlauber würden sich umwelt- und naturbewusster verhalten.

Gleichzeitig beobachtet er aber auch eine kulturelle Veränderung. Menschen hätten Interesse daran, sich von der Masse abzuheben und weniger beliebte Orte zu besuchen. Und auch der "Last-Chance-Tourism" soll eine Rolle spielen. Dabei geht es den Reisenden darum, beispielsweise Naturdenkmäler vor ihrer Zerstörung durch den Klimawandel zu sehen. Gletscher fallen unter anderem in diese Kategorie.

Und eben das ist ein heikler Punkt bei "Coolcation". Gegenüber der "Tagesschau" warnt ein Bergführer aus Norwegen vor den Folgen der wachsenden Nachfrage. Seiner Meinung nach sei es paradox, dass Menschen Gletscher sehen wollen, bevor diese verschwinden, wenn gleichzeitig deswegen mehr Menschen mit dem Flugzeug anreisen und das wiederum den Klimawandel weiter beeinflusst.

Auch in Schweden ist man beunruhigt, es soll auch Diskussionen darüber geben, ob das Land auf diese Weise Profit aus dem Klimawandel schlagen darf.

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