Nach lebensgefährlichem Fall

Vorsicht! Gesundheits-Stiftung warnt: Extrem giftiger Pilz „lauert überall“

21.10.2024, 08:49 Uhr
Drei Kinder und ein Mann benötigen nach dem Verzehr von Knollenblätterpilzen lebensrettende Spenderorgane.

© Rainer Wald/Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V./dpa / picture alliance / dpa Drei Kinder und ein Mann benötigen nach dem Verzehr von Knollenblätterpilzen lebensrettende Spenderorgane.

Drei Kinder und ein Erwachsener werden wegen akuten Leberversagens nach dem Verzehr von Knollenblätterpilzen auch weiterhin im Essener Uniklinikum intensivmedizinisch behandelt.

Die drei Kinder im Alter von fünf bis 15 Jahren waren laut Uniklinikum in der Nacht zu Dienstag in lebensbedrohlichem Zustand in die Kinderklinik aufgenommen worden und benötigten dringend eine Notfalltransplantation, wie die Klinik unmittelbar danach mitgeteilt hatte. Auch der Vater eines der Kinder wird behandelt. Die Kinder stammen nicht aus Nordrhein-Westfalen, zwei seien aus dem Saarland nach Essen gebracht worden.

In Eilfällen wird europaweit nach einem passenden Spenderorgan gesucht

In derart eiligen Fällen (High Urgency/HU) wird nach Angaben der Deutschen Leberstiftung im europäischen Raum mit oberster Priorität nach geeigneten Spenderlebern gesucht. Dabei spielten etwa Größe oder Blutgruppe eine Rolle, sagte der Hauptgeschäftsführer der Stiftung, Markus Cornberg der Deutschen Presse-Agentur. "Diese HU-Listung gilt zunächst für zwei Wochen, in dieser Zeit wird meist ein Organ gefunden." Meistens erfolge eine Transplantation in solchen Eil-Fälle bereits innerhalb von Stunden oder binnen zwei bis drei Tagen.

Allerdings sei es bei Kindern schwieriger, eine geeignete Leber zu finden. Das Problem sei oft die Größe des Organs. "Daher kann hier die Wartezeit länger sein." Der Experte erläuterte, man könne eine Leber auch auf zwei Personen teilen, das werde "Split-Leber" genannt. In einer High Urgency-Situation erwäge man das aber in der Regel nicht gleich als erste Option. Man müsse dann auch gleichzeitig zwei geeignete Empfänger-Kandidaten haben.

Das Gift des Knollenblätterpilzes schädigt die Leberzellen

Schon sehr kleine Mengen des hochgiftigen Knollenblätterpilzes können tödlich wirken, weil die Leber schwer geschädigt wird. Ohne die Leber geht nichts, sie ist das größte innere Organ des Menschen und für die Entgiftung des Körpers zuständig. Ist die Funktion gestört, wird der Körper mit Giftstoffen überschwemmt. Für Patienten und Patientinnen mit Leberversagen ist eine Lebertransplantation Experten zufolge oft die einzige Möglichkeit einer lebensrettenden Behandlung.

Die Universitätsmedizin Essen gehört zu einem der wenigen Lebertransplantationszentren in Deutschland. Der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin II am Uniklinikum Essen, Lars Pape, hatte am Dienstag geschildert, dass die Kinder bei Eurotransplant über die Warteliste als "hochdringlich" gelistet seien. Das sei auch weiterhin der aktuelle Sachstand, hieß es am Donnerstag im Klinikum.

Zahlen weisen darauf hin, dass es nicht einfach ist, eine passende Leber zu finden. Ungefähr 800 Lebertransplantation werden in Deutschland nach Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) durchgeführt. So waren es im vergangenen Jahr 868 Fälle, 2022 waren es 748 Transplantationen und 2021 waren in 834 Fällen Spenderlebern transplantiert worden. In seltenen Fällen - bundesweit rund elf Prozent - aller Lebertransplantationen waren die Empfänger unter 16 Jahre jung.

Laut DSO warteten Ende 2023 fast 8.400 Personen auf ein Spenderorgan, davon standen mehr als 6.500 Menschen auf der Warteliste für eine Niere. Für alle Organe gelte: "Einige Erkrankte müssen wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes von der Warteliste genommen werden, andere sterben, weil nicht rechtzeitig ein Organ zur Verfügung steht."

"Finger weg": Experte warnt vor giftigen Pilzen

Der Knollenblätterpilz gilt als einer der giftigsten Pilze überhaupt. Und dieser hochgiftige Vertreter sehe dem Champignon sehr ähnlich, sagte Experte Markus Cornberg der Deutschen Presse-Agentur. Der Medizinische Geschäftsführer der Deutschen Leberstiftung warnte vor dem Verzehr selbst gesammelter Pilze aus dem Wald, das Risiko einer Vergiftung sei zu hoch.

Cornberg mahnte: "Finger weg von Pilzen aus dem Wald." Auch auf Apps solle man sich als Laie nicht verlassen. "Pilze sollte man im Supermarkt kaufen." Wer unbedingt sammeln wolle, solle das nur zusammen mit ganz erfahrenen Pilzexperten tun. "Der Knollenblätterpilz lauert überall." Wie stark die Vergiftung ausfalle, hänge vor allem davon ab, wie viel man von dem Knollenblätterpilz gegessen habe. Eine Rolle könne aber auch spielen, wie groß und schwer die betreffende Person sei.

Das Toxin des Knollenblätterpilzes werde über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen. Wenn dort Beschwerden auftreten, sei Eile geboten. Bei schnellem Eingreifen etwa mit Kohletabletten sei ein Leberschaden noch aufzuhalten, es gebe auch ein Gegengift, erläuterte er. Als Intensivmaßnahme bei drohendem Leberversagen gebe es die Möglichkeit, das Gift aus dem Körper herauszuwaschen. Akutes Leberversagen bedeutet laut Stiftung, dass die Leberfunktion komplett zusammenbricht. Weil dieses Krankheitsbild lebensbedrohlich sei, müsse eine Lebertransplantation geprüft werden.

Vergiftungsfälle nach Pilzverzehr würden nicht gemeldet, es gebe keine Zahlen, schilderte Mediziner und Wissenschaftler Cornberg. 2023 seien der Stiftung wieder zunehmend viele Fälle bekanntgeworden, da es sehr früh im Jahr feucht gewesen sei, was das Pilz-Wachstum begünstige. Auch dieses Jahr sei bisher sehr feucht ausgefallen. Großteil aller tödlichen Pilzvergiftungen durch Knollenblätterpilz

Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung werden diesem durchschnittlich zehn Pilzvergiftungen pro Jahr ärztlich mitgeteilt, die Giftinformationszentren der Länder beantworten über 3.000 Anfragen zu Pilzen pro Jahr.

Das BfR und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin gehen davon aus, dass der Knollenblätterpilz für den Großteil aller tödlichen Pilzvergiftungen in Deutschland ursächlich ist. Bei Kindern könne je nach Alter und Gewicht schon der Verzehr einer geringen Menge von fünf bis zehn Gramm tödlich ausgehen.

Angaben im Deutschen Ärzteblatt im Oktober 2020 zufolge wurden in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2018 insgesamt 4.412 stationäre Behandlungen und 22 Todesfälle aufgrund toxischer Wirkung verzehrter Pilze verzeichnet, 90 Prozent der tödlichen Pilzvergiftungen wurden demnach durch den Knollenblätterpilz verursacht.