Ältester Meiler Deutschlands

1,3 Milliarden Euro bis 2035: Atomkraftwerk in Franken wird weiter zurückgebaut

Stefan Besner

Online-Redakteur

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14.04.2025, 05:00 Uhr
ARCHIV - 16.08.2024, Bayern, Grafenrheinfeld: Der Reaktor des stillgelegten Kernkraftwerkes ist nach der Sprengung der Kühltürme hinter einer Staubwolke zu sehen.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa ARCHIV - 16.08.2024, Bayern, Grafenrheinfeld: Der Reaktor des stillgelegten Kernkraftwerkes ist nach der Sprengung der Kühltürme hinter einer Staubwolke zu sehen.

Seit zwei Jahren ist das Ende der Atomenergie beschlossene Sache. Die heruntergefahrenen Meiler müssen nun von den Energieversorgungsunternehmen zurückgebaut werden. Eine langwierige, kostenintensive Prozedur – noch dazu nicht ganz ungefährlich: Erst im März wurden bei einem Brand in einem stillgelegten Atomkraftwerk (AKW) in Franken zwölf Menschen verletzt. Wenn auch seit zwei Jahren kein Strom mehr produziert wird, so fällt in Anlagen wie Grafenrheinfeld doch weiterhin eine ganze Menge Arbeit an. Wie der Stand des Rückbaus bei den zuletzt abgeschalteten AKW ist und warum die Demontage so lange dauert. Ein Überblick.

Das ist der Stand der Dinge in Grafenrheinfeld

Nach achtjährigem Bau wurde das südlich von Schweinfurt gelegene AKW Grafenrheinfeld 1981 in Betrieb genommen. Im Frühjahr 2015 ging der älteste Meiler Deutschlands letztlich vom Netz. Als Grund gab der Betreiber E.ON Kernkraft mangelnde Rentabilität an. Seit 2018 läuft der Rückbau. Das Wahrzeichen der Anlage, die 140 Meter hohen Kühltürme, wurden 2024 gesprengt. Im August 2024 wurde dann der Reaktordruckbehälter - wenn man so will, das nukleare Herz der Anlage - vollständig demontiert, wie das „ZDF“ berichtet. Nach den vier Jahre zuvor entfernten Brennelementen ist er das radioaktivste Teil der Anlage. Sämtliche Brennelemente und einzelne Brennstäbe aus dem Leistungsbetrieb befinden sich laut Bayerischem Staatsministeriums für Umwelt aktuell in CASTOR-Behältern im nahegelegenen Atommüllzwischenlager. Es ist eines von insgesamt 16 solcher Lager, die über das Land verteilt sind. Abgeschlossen ist der Rückbau damit allerdings noch lange nicht.

Rückbau zieht sich - Kosten von bis zu 1,3 Milliarden Euro erwartet

Die Demontage großer Industrieanlagen dauert lange und ist bei AKW aufgrund der Kontamination verschiedener Bauteile besonders aufwändig, sprich: Es benötigt Fachleute, die geltende Strahlenschutz-Richtlinien garantieren, die Gesundheit der Arbeiter schützen und dafür sorgen, dass radioaktive Abfälle nicht in die Umwelt gelangen. Der Rückbau der Systeme und Komponenten erstreckt sich nach Informationen des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (STMUV) über einen Zeitraum von circa zehn bis 15 Jahren. Im Fall von Grafenrheinfeld wären die Arbeiten also frühestens 2028 abgeschlossen. Laut „heise“ wird der Prozess voraussichtlich allerdings bis 2035 andauern.

„Im Anschluss werden die verbliebenen Gebäudestrukturen dekontaminiert, freigemessen und einer anderweitigen Nutzung zugeführt oder abgerissen.“, heißt es auf der Website des STMUV. Die Kosten für diesen Prozess belaufen sich je nach Quelle auf zwischen einer und 1,3 Milliarden Euro.

Sicheres Endlager - erst 2074?

„Der mit breiter politischer Mehrheit auf den Weg gebrachte und vor nunmehr zwei Jahren vollendete Ausstieg aus der Atomkraft hat Deutschland sicherer gemacht und auch der Suche nach einem sicheren Endlager ein gutes Fundament gegeben“, sagte Christian Kühn, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung Sicherheit (BASE) laut einer Meldung. „Weil die Menge der Abfälle berechenbar ist, nämlich rund 1750 Behälter, kann die Suche nach dem wissenschaftlich bestmöglich geeigneten Ort fair, transparent und ohne Streit um mögliche neue Abfälle geführt werden - diesen Konsens braucht es auch weiterhin, damit künftige Generationen sicher und geschützt vor den gefährlichen Hinterlassenschaften der Atomkraftnutzung leben können.“

Ein Endlager, in dem der strahlende Müll tief im Boden für Hunderttausende Jahre sicher verwahrt werden kann, existiert bislang weder in Deutschland noch sonst irgendwo auf der Erde. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) geht im günstigeren von zwei Szenarien für eine Standortentscheidung bis 2046, ansonsten 2068 aus. Eine Analyse des Ökoinstituts kommt zu dem Ergebnis, dass es gar erst 2074 ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle geben kann.

Was ist bislang in den anderen Kraftwerken passiert?

Am Atomkraftwerk Isar 2 wurde im Jahr 2024 eine Dekontamination des Primärkreislaufs durchgeführt – häufig ein erster Schritt zum Rückbau der Anlage. Dabei werden spezielle Chemikalien, z.B. Säure, eingesetzt, um radioaktive Schichten von den Anlageteilen zu entfernen. Im Brennelementlagerbecken von Isar 2 klingen noch alle Brennelemente ab. Zum Rückbau des Reaktordruckbehälters und Biologischen Schilds ist der Antrag gestellt.

Am Atomkraftwerk Neckarwestheim 2 wurde der Primärkreislauf im Sommer 2023 dekontaminiert. Die Brennelemente befinden sich noch im Brennelementlagerbecken. Erste Arbeiten zum Rückbau haben begonnen, u.a. die Trennung der Leitungen des Reaktorkühlkreislaufs.

Am Atomkraftwerk Emsland fand die Primärkreislaufdekontamination im März 2024 statt. Auch hier klingen die Brennelemente noch im Brennelementlagerbecken ab.

Bei den drei am 31. Dezember 2021 abgeschalteten Anlagen gibt es folgenden Stand des Rückbaus

Am Atomkraftwerk Gundremmingen befinden sich alle noch vorhandenen Brennelemente im Brennelementlagerbecken von Block C. Die Blöcke B und C werden derzeit zurückgebaut.

In den Atomkraftwerken Grohnde und Brokdorf sind die Primärkreisläufe dekontaminiert. Im Atomkraftwerk Brokdorf wurde der Reaktorkern bereits entladen, die Brennelemente aus dem Brennelementlagerbecken werden nun sukzessive ins Zwischenlager gebracht. Hierbei kommen spezielle Transport- und Lagerbehälter zur Anwendung.