750 Milliarden Euro Corona-Hilfen: Ein Neumarkter stimmte dagegen

Lena Wölki

Politik und Wirtschaft

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31.3.2021, 05:45 Uhr
Ein Hängebeschluss des Bundesverfassungsgerichts stoppt die Ausfertigung des Ratifizierungsgesetzes, dass 750 Milliarden Euro für den Aufbau nach Corona verspricht. 

© dpa Ein Hängebeschluss des Bundesverfassungsgerichts stoppt die Ausfertigung des Ratifizierungsgesetzes, dass 750 Milliarden Euro für den Aufbau nach Corona verspricht. 

750 Milliarden Euro für den wirtschaftlichen Aufbau nach Corona bedeuten einen enormen Berg an Schulden. Und die wollen die Mitglieder der Europäischen Union eigentlich gemeinsam aufnehmen. Doch nun liegt das deutsche Ratifizierungsgesetz erst einmal auf Eis. Der Grund: eine Verfassungsbeschwerde, die beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht wurde.


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Das Ratifizierungsgesetz sieht die deutsche Zustimmung zum Finanzierungssystem der EU vor. Es gibt der Europäischen Kommission von deutscher Seite aus grünes Licht, Kredite in Höhe von 750 Milliarden Euro und einer Laufzeit von bis zu 38 Jahren aufzunehmen. Im Rahmen des Konjunkturpakets "NextGenerationEU" soll das Geld eingesetzt werden, um die wirtschaftlichen und sozialen Schäden der Corona-Pandemie zu beheben.

Am 25. März stimmten die Abgeordneten des deutschen Bundestags darüber ab und verabschiedeten den Gesetzentwurf. 478 Parlamentarier stimmten dafür und 95 dagegen. Ein Großteil der Gegner kam aus den Reihen der AfD, die gesammelt mit "Nein" stimmte. Von der CSU war nur ein Abgeordneter dagegen - und der stammt aus der Region: der Neumarkter Alois Karl.

Furcht vor einer Vergemeinschaftung der Schulden

Zunächst wollte er nicht gegen den Gesetzesentwurf stimmen, sagt der Abgeordnete im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch nachdem der Staatsminister für Europa, Michael Roth (SPD), in seiner Eingangsrede von einem "notwendigen und überfälligen Schritt in Richtung Fiskalunion" sprach, habe er sich umentschieden. "Bislang hat sich die Union immer mit Händen und Füßen gegen eine Fiskalunion gewährt", sagt der Neumarkter. Mit einer Fiskalunion verbinden Kritiker die Furcht vor einer Vergemeinschaftung der Schulden der 27 EU-Staaten. Weshalb mit Karl nur acht Mitglieder der Unions-Fraktion dagegen gestimmt haben, kann er deshalb nicht nachvollziehen. Doch er vermutet, dass nicht allen die "Tragweite der Entscheidung" bewusst gewesen sein könnte.


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Vor allem gegen die gemeinsame Schuldenaufnahme richtet sich die Kritik des "Bündnis Bürgerwille", das die Verfassungsbeschwerde eingereicht hatte. Der Zusammenschluss besteht aus einer Professorengruppe um den früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke und wird nach eigenen Angaben von mehr als 2200 Bürgern unterstützt. Dass der ehemalige Neumarkter Oberbürgermeister mit seiner Entscheidung auf einer Seite mit der AfD steht, ändert seine Meinung nicht: "Ich habe nach Gutdünken entschieden, die AfD ist mir da egal."

Aufgrund des Eilantrags ordnete der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am 26. März 2021 an, dass das Ratifizierungsgesetz erst einmal nicht durch den Bundespräsidenten ausgefertigt werden darf. Dieser "Hängebeschluss" greift aber nur vorläufig, bis das Gericht zu einer inhaltlichen Entscheidung gekommen ist. Dass der Bundespräsident mit der Ausfertigung eines Gesetzes wartet, bis Karlsruhe entschieden hat, ist kein ungewöhnlicher Vorgang. Bei Vorhaben auf EU-Ebene würden sonst Fakten geschaffen, hinter die Deutschland kaum noch zurück kann. Der Hängebeschluss bestätigt den Neumarkter Abgeordneten Karl: "Es freut mich, dass da auch andere rechtliche Bedenken zu diesem Vorhaben haben."

Alois Karl (links) mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, mit dem er schon seit dessen Zeit als Außenminister eine herzliche Freundschaft pflegt.

Alois Karl (links) mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, mit dem er schon seit dessen Zeit als Außenminister eine herzliche Freundschaft pflegt. © Büro Alois Karl

Die eingereichte Beschwerde enthält im Wesentlichen zwei Kritikpunkte: Zum einen sind die Kläger der Ansicht, dass eine gemeinschaftliche Verschuldung nicht zulässig ist. Zum anderen sei die Haftungsgrenze so hoch angelegt, dass Deutschland im schlimmsten Fall für die gesamten 750 Milliarden Euro haften müsse. "Ein Mantra der CDU/CSU war bisher, dass keine Verantwortung für andere EU-Länder übernommen werden soll. Das Gesetz steht dem entgegen", sagt Alois Karl und teilt damit die inhaltlichen Kritikpunkte der Beschwerde.

Ein abschließendes Urteil, ob das Corona-Hilfspaket tatsächlich verfassungswidrig ist, hat Karlsruhe noch nicht gesprochen. Unklar ist auch, wann das Gericht eine solche Entscheidung treffen wird. Die Kläger spielen auf Zeit. Denn die EU-Kommission kann mit der Aufnahme der Kredite und der Auszahlung erst beginnen, wenn alle 27 Staaten den Beschluss ratifiziert haben.

Nach seinem Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften hat Karl nicht nur als Anwalt gearbeitet, sondern auch das Neumarkter Rechtsamt geleitet. Eine Einschätzung, wie die Richter in Karlsruhe entscheiden könnten, möchte er deshalb nicht geben: "Aus Erfahrung kann ich sagen, Gerichte entscheiden oft anders als man denkt."

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