Arbeitsagenturen zu Corona: "Existenzsicherung oberstes Ziel"

Manuel Kugler

Redaktion Politik und Wirtschaft

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26.3.2020, 11:01 Uhr

NN: Herr Holtzwart, vor einem Jahr hätten wir uns über die immer neuen Rekorde auf dem Arbeitsmarkt unterhalten können. Jetzt stecken wir in der womöglich tiefsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Erschreckt Sie das nicht?

Ralf Holtzwart: Gerade weil sich der Arbeitsmarkt in der Vergangenheit so gut entwickelt hat, ist er auch sehr robust - davon profitieren wir heute. Und natürlich von der massiven Unterstützung durch den Bund und durch den Freistaat. Für die Frage, wie sich der Arbeitsmarkt nun entwickelt, ist ganz entscheidend, wie rasch wir diese Krise überwinden. Wie stark die Arbeitslosigkeit steigt, ist deshalb noch nicht seriös zu beziffern.

Wie reagiert Ihre Behörde auf diese Krise?

Holtzwart: Wir haben die Arbeitsagenturen innerhalb von einer Woche massiv umgebaut, unsere Kräfte konzentriert auf die Aufgaben Telefonie, Beratung und die Bearbeitung der Tausenden Kurzarbeitergeld-Anzeigen, die wir bekommen. Existenzsicherung für Unternehmen, Existenzsicherung für Arbeitnehmer - das ist für uns jetzt das oberste Ziel.

Was macht diese Herausforderung mit Ihren Mitarbeitern?

Holtzwart: Ich erlebe eine große Bereitschaft mit anzupacken und neue Aufgaben zu übernehmen. Wir haben 2000 Menschen in neue Aufgaben gebracht, das wäre unter normalen Bedingungen so schnell und so umfassend überhaupt nicht denkbar gewesen. Es gibt natürlich auch Kollegen, die sich Sorgen machen, dass sie angesteckt werden, aber deswegen haben wir ja auch den persönlichen Kontakt mit den Kunden in den Agenturen eingestellt. Jede Agentur ist dafür jetzt ein Callcenter. Dazu haben wir eine ganze Reihe von Online-Angeboten geschaltet. Wir sind weiter gut erreichbar.


So funktioniert Kurzarbeit: Die wichtigsten Fragen und Antworten


Viele Beschäftigte erhalten jetzt Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit. Wann geht Ihnen das Geld aus?

Holtzwart: Um das Geld muss sich niemand sorgen. Kurzarbeitergeld ist eine Pflichtleistung, dafür ist immer genug Geld da. Wir haben eine Rücklage von 26 Milliarden Euro. Das ist eine große Summe, mit der wir ein ganzes Stück weit kommen.

Wo sollen Menschen, die jetzt arbeitslos werden oder es bereits sind, unterkommen?

Holtzwart: In der kompletten Kette der Lebensmittelversorgung - von der Landwirtschaft bis zum Endkunden - gibt es einen großen Bedarf nach Arbeitskräften, ebenso in der Gesundheitsbranche. Ich glaube, dass sich viele Kurzarbeiter, aber auch Studenten zum Beispiel sagen werden: "Bevor ich jetzt zuhause bin, verdien ich noch was dazu und helfe gleichzeitig mit, eine unserer großen Herausforderungen zu lösen". Über Plattformen wie www.saisonarbeit-in-deutschland.de müssen wir jetzt die Menschen und die Firmen zusammenbringen.

Wirtschaftsinstitute schätzen, es wird Jahre dauern, bis diese Krise bewältigt ist. In welchen Zeiträumen denken Sie?

Holtzwart: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass sich die Wirtschaft ab dem Herbst wieder erholen könnte, wenn die erste Coronawelle überwunden ist. Für uns ist dann wichtig, die Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen.

Ist Ihr Optimismus berufsbedingt?

Holtzwart: Ich bin nüchtern-optimistisch. Ich male nicht Schwarz an die Wand, ich male die Wand aber auch nicht Rosa.

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