Erlanger Studie zu Corona und Geflüchteten: Auf dem Weg in die Exklusionsgesellschaft?
21.4.2021, 17:50 UhrSie sind eine vergessene Gruppe der Pandemie: Geflüchtete und Menschen mit Migrationsgeschichte. Geschlossene Grenzen, ausfallende Sprachkurse, erschwerter Zugang zu Beratungsangeboten: Corona trifft sie oft mit voller Härte. Die Situation dieser Menschen liefe häufig "unter dem Radar", sagt Professorin Petra Bendel vom Institut für Politische Wissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) .
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Gemeinsam mit einem Team erarbeitete Bendel eine Studie zu möglichen Szenarien, was das für die Integration und das künftige Zusammenleben in Deutschland bedeutet. Befragt wurden dafür Expertinnen und Experten unterschiedlichster Disziplinen über ihre Erwartungen für das Jahr 2030.
Das erste mögliche Szenario beschreibt eine "Exklusionsgesellschaft" nach dem Motto "Germans First". Bei diesem Szenario wird die zukünftige, deutsche Gesellschaft als wenig solidarisch, sicherheitsfixiert und schließlich rassistisch-exkludierend beschrieben. Migration und Integration werden weitestgehend verhindert, Armut und Segregation in Kauf genommen. Dazu könnte es dann kommen, wenn die Pandemie weitreichende wirtschaftliche Folgen nach sich zieht, in der Gesellschaft die Unsicherheit zunimmt und die EU deutlich nach rechts rückt.
Neue Ära von "Gastarbeitern"?
Das zweite Szenario wird als "utilitaristische Gesellschaft" beschrieben. Weil die Wirtschaft vermehrt qualifizierte Arbeitskräfte braucht, wird in Sachen Migrationspolitik selektiv nach Qualifikation, Alter und Gesundheitszustand aussortiert. Die Integration wäre in diesem Falle nur zeitlich befristet und berufsspezifisch.
Diese temporär angeworbenen Arbeitskräfte wären eine Art neue "Gastarbeiter". Dies könne so kommen, weil die demografische Entwicklung weiter voranschreitet und keine Lösung zum Fachkräftemangel gefunden wurde. Außerdem schritt die Sicherung der EU-Außengrenzen voran.
Im dritten und letzten Szenario malen sich die Experten eine "teilhabeorientierte Gesellschaft" aus. Dabei werden "alle Teilbereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens wertgeschätzt" und politische Inklusion wird vorangetrieben. Ein solches Szenario ist dann realistisch, wenn auf Corona ein wirtschaftlicher Aufschwung folgt und die lokale Ebene, vor allem die Kommunen, in den Ausbau von Integrationsangeboten investieren.
Als konkrete Handlungsempfehlungen nennt Bendel, beispielsweise Gemeinschaftsunterkünfte zu dezentralisieren, sodass weniger Menschen an einem Ort leben, und Mobilität auch in Krisensituation weiter möglich zu machen. Auch seien Digitalisierung, präventive Antirassismus-Arbeit und ehrenamtliches Engagement wichtig und weiter zu fördern.
Diskriminierung im Jahr 2020 gestiegen
Tatsächlich hat sich die Situation für Geflüchtete schon in der ersten Phase der Pandemie verschlechtert. Wie der Mediendienst Integration darlegt, zeigen Daten, dass Menschen mit Fluchtgeschichte besonders stark von den wirtschaftlichen Folgen betroffen sind.
Ein Grund dafür ist, dass sie häufiger in befristeten Arbeitsverhältnissen oder von der Krise betroffenen Branchen arbeiten. Während der ersten Welle der Pandemie stieg die Arbeitslosigkeit bei Geflüchteten besonders stark und lag im Mai 2020 bei knapp 40 Prozent. Ende des Jahres ging diese Quote aber wieder zurück.
Wie vorläufiger Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes außerdem zeigen, haben sich Fälle von Diskriminierung seit Beginn der Pandemie gehäuft. Die Anfragen für Beratungen haben sich von 3600 (2019) auf 6000 im Jahr 2020 erhöht. Insbesondere Fälle von rassistischem Verhalten und Hassbotschaften gegen Personen, denen asiatische Herkunft zugeschrieben wurde, wurden dabei geschildert.
Welches der drei Szenarien nun im Jahr 2030 am wahrscheinlichsten eintreten könnte, das wird in der Studie nicht geklärt. Entscheidend seien als "treibende Kräfte" unter anderem die wirtschaftliche Entwicklung nach der Pandemie, das gesellschaftliche Klima und Fluchtursachen. Bendel stellt klar: "Wir halten alle drei Szenarien für plausibel."
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