Für die Chauvis, für Frauen, für mich: Ein Plädoyer für den Frauentag

Sebastian Böhm

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8.3.2021, 05:14 Uhr
Besonders zu Zeiten der Corona-Pandemie tauschen immer noch meistens die Frauen die Arbeit am Schreibtisch gegen die im Haushalt.

© Uwe Anspach, dpa Besonders zu Zeiten der Corona-Pandemie tauschen immer noch meistens die Frauen die Arbeit am Schreibtisch gegen die im Haushalt.

Am Sonntag war der Tag der Zerealien, heute ist der Tag des Korrekturlesesn… des Korrekturlesens, danke, und der Internationale Frauentag. Zwei dieser drei Tage braucht es nicht, weshalb vielen auch der dritte, der Weltfrauentag, beliebig erscheint, überflüssig sogar. Und all jenen, die nicht zwischen Frau und Mann und schon gar nicht zwischen der Arbeit von Frau und Mann unterscheiden und die nicht sofort in Schnappatmung verfallen, wenn es jemand wagt, ein Gendersternchen zu setzen, mag es albern vorkommen, dass an diesem einen Tag im Jahr Aufsichtsratsvorsitzende, Politiker und Zeitungsredakteure zu Feministen werden, um an den anderen 364 Tagen auf diesen einen Tag verweisen zu können. Aber das Leben findet eben nicht in der Wohnküche statt, wo der Mann mit dem Baby im Tuch am Herd steht, während die Frau im Zoom-Call ihr Team auf den nächsten Pitch vorbereitet. Das Leben, wie wir es kennen, wird immer noch von Menschen bestimmt, bei denen sich am Weltfrauentag ihr schlechtes Gewissen meldet.


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Mit der Aufzählung, wie ungerecht Frauen im Vergleich mit Männern in nahezu allen Berufsgruppe und auf nahezu allen Ebenen bezahlt werden, verlöre dieser Text mit der ersten ernüchternden Zahl einen großen Teil seiner Leser. Und dabei müsste man es immer wieder schreiben, in der jeder Ausgabe, genauso wie man immer wieder darauf hinweisen müsste, dass die Perspektive von Männern auf Frauen und die daraus erschaffenen Schönheitsideale ebenso überkommen ist wie die traditionellen Rollenbilder, die aber doch überall vorgelebt werden; auf Instagram, in der Kinder- und Schulbüchern, in der Werbung; genauso wie man immer wieder schreiben müsste, dass Millionen Frauen jeden Tag in Angst vor Männern leben. Man müsste das alles schon allein deshalb schreiben, weil sich durch die selbstverständliche Feststellung, wie falsch das ist, noch immer so viele Menschen provoziert fühlen.

Für eine endlich gerechte Welt

Dieser Text spart sich aber die Zahlen, die Vorwürfe und die Empörung, damit möglichst viele mitbekommen, dass er persönlich endet: Ich kann diese Zeilen nur deshalb schreiben, weil meine Frau nur an drei, nicht wie ich an fünf Tagen arbeitet, weil sie gerade mit den Jungs bastelt, weil sie Termine koordiniert, die Fenster putzt, die Handwerker auf weitere Risse in den Fugen hinweist, weil sie plant, was vom Urlaub übrig bleiben könnte, weil sie zu unseren Freunden Kontakt hält und hart für unsere Familie arbeitet, ohne dafür bezahlt zu werden. Trotzdem würde ich mich als Feminist bezeichnen, sehr wahrscheinlich bin ich es aber nicht.


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Wir brauchen den Weltfrauentag also für die Frauen in Bangladesch, die von seiner Existenz nie etwas erfahren werden, für die selbstbewussten und die heimlichen Chauvis, für Innenministerkerle, die sich nur mit Kerlen umgeben, für die Sexisten und die Frauen, die nicht mehr wissen, was Sexismus ist, für die Alleinerziehenden, für endlich eine gerechte Welt, in der Frauen wortwörtlich genauso viel wert sind wie Männer – und für mich.

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