Bayreuther Arbeitsrechtler hat Bedenken
Geplantes Ende der Quarantäne-Lohnfortzahlungen für Ungeimpfte: Warum der Effekt verpuffen könnte
15.9.2021, 18:30 UhrHerr Sagan, in der aktuellen Diskussion sprechen manche von einer „indirekten Impfpflicht“ für den Fall, dass die Lohnfortzahlung für Ungeimpfte bei Quarantäne abgeschafft wird. Gehen Sie da mit?
Das ist juristisch komplex. Es gibt nämlich zwei Wege, den Verdienstausfall von Beschäftigten in der Quarantäne zu decken.
Und zwar?
Auf der einen Seite wären da privatrechtliche Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Ein solcher Anspruch besteht bei verhältnismäßig kurzen Verhinderungen wie etwa der Abwesenheit wegen einer Beerdigung oder eben auch bei einigen Tagen in Quarantäne. Für diesen Zeitraum behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes. Das gilt im Ergebnis auch dann, wenn der Arbeitnehmer in der Quarantäne krank ist. Das wäre die eine Finanzierungsschiene.
Und die andere?
Auf der anderen Seite sieht das öffentliche Recht vor, dass die Staatskasse den Verdienstausfall bei einer behördlich angeordneten Quarantäne trägt. Soweit ich weiß, sind in der Pandemie auf diesem Weg bereits 500 Millionen Euro geflossen. Und jetzt steht zur Diskussion, ob diese zweite Finanzierungsschiene erheblich eingeschränkt wird. Das Argument: Die Beschäftigten hätten sich ja impfen lassen können. Dafür gibt es auch eine Grundlage im Infektionsschutzgesetz, sofern eine hinreichende Impfstoffversorgung sichergestellt war.
Wenn der Geldhahn nur auf einer Seite zugedreht wird
Was halten sie davon?
Meine Frage lautet: Wenn man auf der öffentlich-rechtlichen Seite im Infektionsschutzgesetz den Geldhahn zudreht, wird das nicht lediglich dazu führen, dass die Ansprüche auf dem privatrechtlichen Weg wahrgenommen werden?
Also dass die Ansprüche dann doch direkt bei den Unternehmen eingefordert werden?
Ja genau, bei den Arbeitgebern. Dann trifft man mit der finanziellen Mehrbelastung, die bislang die Staatskasse getragen hat, die Unternehmen.
Noch einmal zum „Impfzwang durch die Hintertür“: Den können Sie im geplanten Ende der Lohnfortzahlungen also logischerweise nicht erkennen?
Würde die finanzielle Belastung auf die Unternehmen abgewälzt, gäbe es insofern keinen indirekten Impfzwang für den Arbeitnehmer. Wenn der bezweckt ist, müsste man darauf achten, dass die Finanzierung anschließend nicht über die Unternehmen läuft. Denn der gewünschte Effekt, die Impfquote zu erhöhen, würde dann verpuffen. Es hört sich im Wahlkampf vielleicht gut an, auf Ungeimpfte mehr Druck auszuüben, aber möglicherweise trifft dieser Druck am Ende die Unternehmen.
"Eine politische Entscheidung"
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sagte sinngemäß: Wer sich bewusst gegen eine Impfung entscheide, könne von der Solidargemeinschaft keine Entschädigung verlangen.
Das ist im Kern eine politische Entscheidung. Ich könnte nur ergänzen, dass wenn die Solidargemeinschaft nicht einspringt, es auch nicht folgerichtig wäre, wenn die Unternehmen dann die Kosten trügen. Man müsste den Geldhahn sozusagen auf beiden Seiten zudrehen.
Gewerkschaftler sehen noch eine ganz andere Schwierigkeit bei der Sache, nämlich dass Arbeitnehmer dem Chef dann über ihren Impfstatus Auskunft geben müssten.
Wenn es bestimmte Ansprüche des Arbeitnehmers gibt, für die er seinen Impfstatus offenlegen muss, halte ich das für rechtlich unproblematisch. Eine echte Auskunftspflicht im Sinne eines Fragerechts des Arbeitgebers ist es ja nicht. Der Arbeitnehmer kann selbst entscheiden, ob er seine Ansprüche geltend macht und seinen Impfstatus offenlegt.
Problematische Ungleichbehandlung?
Je nach Beruf dürften die Pläne Arbeitnehmer ganz unterschiedlich treffen. Wäre ich ungeimpft, könnte ich als Journalist im Quarantänefall einfach aus dem Homeoffice weiterarbeiten – als Verkäufer oder Putzmann aber nicht. Ist das nicht eine problematische Ungleichbehandlung?
Arbeitsrechtlich jedenfalls nicht. Und auch unter dem Gesichtspunkt von Grundrechten wäre das nach meinem Dafürhalten sachlich gerechtfertigt. Es macht eben einen Unterschied, ob sie Bürotätigkeiten auch von Zuhause aus ausüben können, oder ob sie nur ortsgebunden arbeiten können. Das ergibt sich, platt formuliert, aus der Natur der Sache.
Andere Länder wie Frankreich oder die USA führen für bestimmte Berufsgruppen eine Impfpflicht ein. Wäre das auch in Deutschland denkbar?
Eine durchsetzbare Impfpflicht wird es im Arbeitsverhältnis in keinem Fall geben. Das ist ausgeschlossen, darüber sind sich alle einig. Die Frage ist eher, ob der Arbeitgeber bei bestimmten Tätigkeiten voraussetzen darf, dass nur geimpftes Personal zum Einsatz kommt. In Krankenhäusern etwa können Arbeitgeber in bestimmten Fällen schon heute nach dem Impfstatus fragen. Es ist aber nicht so, dass Ungeimpften da automatisch die Kündigung droht. Vorrangig sollten sie auf Arbeitsplätze versetzt werden, wo die Risiken vergleichsweise gering sind. Das hängt aber sehr vom Einzelfall ab.
Vergünstigungen für geimpftes Personal
Zum Abschluss: Wenn der Effekt von ausbleibenden Lohnfortzahlungen ihrer Meinung nach zu verpuffen droht, was würden Sie dann vorschlagen, um die Impfquote zu erhöhen?
Wir sollten den Weg positiver Anreize gehen. Ich kann mir aus arbeitsrechtlicher Perspektive durchaus Vergünstigungen für geimpftes Personal vorstellen. 3G ist auch in der Betriebskantine sinnvoll!
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