Strittiges Thema

Klimaschutz-Sofortprogramm der Grünen - Veto mit Folgen

Stephan Sohr

Chefredakteur Nürnberger Zeitung

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03.08.2021, 15:35 Uhr
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerboc und Co-Parteichef Robert Habeck kommen zur Vorstellung ihres "Klimaschutz-Sofortprogramms" ins Naturschutzgebiet Biesenthal.

© Kay Nietfeld, dpa Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerboc und Co-Parteichef Robert Habeck kommen zur Vorstellung ihres "Klimaschutz-Sofortprogramms" ins Naturschutzgebiet Biesenthal.

Die Grünen kämpfen um die Meinungsführerschaft beim Klimaschutzthema. Das ist aus deren Sicht richtig, weil der Natur- und Umweltschutz zur DNA der Partei gehört - und im Gegensatz zu anderen Programmpunkten gesellschaftlich en vogue ist.
Umstandslos können die Grünen dabei jede aktuelle Naturkatastrophe (wie die Flut in Westdeutschland) und jedes aktuelle Extremwetter (die Waldbrände in Türkei) als Vorboten jener Klimakatastrophe heranziehen, die dann droht, wenn es der Menschheit nicht gelingt, ihre Treibhausgas-Emissionen deutlich zu senken. Die Diskussion darüber, ob solche schlimmen Ereignisse nun tatsächlich ursächlich mit dem Anteil des Menschen am Klimawandel zusammenhängen oder eben immer wiederkehrende Naturphänomene sind, muss man bei den Grünen und ihren politischen Vorfeldorganisationen nicht führen, um sich der eigenen Sache sicher zu sein.

Nun gehen die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und ihr Mit-Parteivorsitzender Robert Habeck mit einem „Klimaschutz-Sofortprogramm“ in die Offensive, das sie schnell in die Tat umsetzen wollen, wenn sie an der nächsten Bundesregierung beteiligt sind; diese gar zu führen ist zumindest derzeit nicht garantiert. Zentrale Forderung: ein eigenes Klimaschutzministerium schaffen, das ein Vetorecht hat.

Sind Gesetze geplant, die dem Pariser Klimaabkommen entgegen stehen, dann soll das neue Ministerium sie verhindern können. Ein politiktheoretisch spannender Ansatz, der aber eine Reihe von Fragen aufwirft. Was wäre dann eigentlich mit der Richtlinienkompetenz in der Politik, die immerhin laut Grundgesetz, Artikel 65, dem Amt des Bundeskanzlers vorbehalten ist? Müssten die Grünen dann nicht gleich konsequenterweise eine diesbezügliche Änderung des Grundgesetzes einfordern? Das allerdings wäre mit der Kleinigkeit verbunden, dafür jeweils zwei Drittel des Bundestags und des Bundesrats hinter sich haben zu müssen.


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Eine weitere, ganz praktische Frage wäre, ob die Grünen mit ihrem Veto-Ansinnen nicht konsequenterweise den Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomkraftnutzung anstreben müssten? Man kann viel gegen die Atomkraft ins Feld führen, von der potenziell apokalyptischen Kraft der Energiequelle bis hin zum dauerstrahlenden Atommüll – doch Kohlendioxid-frei arbeiten Atomkraftwerke auf jeden Fall. Nebenbei erwähnt, wäre mit Atomkraft der Ausstieg aus der Kohleverstromung, den die Grünen von 2038 auf 2030 vorziehen wollen, mit Blick auf die Betriebssicherheit der Energie-Erzeugung leichter zu erreichen.


Lohnenswert wäre es ferner, wenn die Grünen im Hinblick auf den Flächenverbrauch darüber nachdächten, ob die Windenergienutzung in Deutschland wirklich auf Biegen und Brechen überall ausgebaut werden soll, auch in Gegenden, wo wenig Wind weht.
Fragen über Fragen. Die Antworten stehen noch aus.

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