USA tragen besondere Verantwortung

Kommentar: Biden versagt in Afghanistan erneut

Armin Jelenik

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24.8.2021, 20:01 Uhr
Auch britische Soldaten sind an der Evakuierungsmission am Kabuler Flughafen beteiligt.

© BEN SHREAD, AFP Auch britische Soldaten sind an der Evakuierungsmission am Kabuler Flughafen beteiligt.

Es wird dunkler und dunkler in Afghanistan: Eine Verlängerung der Evakuierungsmission am Flughafen von Kabul scheint es vorerst nicht zu geben, in einer Wochen müssen nach derzeitigen Stand auch die letzten ausländischen Truppen das Land verlassen haben.

Der einzig verbliebene Fluchtweg für Zehntausende wäre damit geschlossen – und die Regierung von US-Präsident Joe Biden hätte zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit grandios versagt: Erst ebnete sie den Taliban mit ihrem überhasteten Abzug den Weg zur Macht und jetzt lässt sie auch noch zahllose Menschen im Stich, die auf die Versprechen der Weltmacht vertrauten.

Ob es tatsächlich so kommt und die Taliban auf dem 31. August beharren, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Aber eines ist klar sein: Die USA haben diesen Krieg 2001 begonnen und sie haben ihn jetzt völlig planlos beendet – genau deshalb tragen sie nach wie vor eine besondere Verantwortung für die Menschen in Afghanistan. Und genau deshalb werden sie sich auch immer wieder auf pragmatische, möglicherweise auch fragwürdige Deals mit den Taliban einlassen müssen – anders ist der afghanischen Bevölkerung aktuell mangels anderer Optionen nicht zu helfen.

Berechtigte Ängste

Wie berechtigt die Ängste der Afghanen sind, macht die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, deutlich: Sie berichtet von Massenhinrichtungen und schwersten Menschenrechtsverletzungen vor allem an Frauen und Mädchen durch die Taliban. Die Hoffnung, die Fundamentalisten von einst könnten in den vergangenen 20 Jahren etwas moderater geworden sein, ist also schon wenige Tage nach der Machtübernahme zerstoben.

Im Nordosten des Landes, im Pandschir-Tal, formiert sich zudem bereits bewaffneter Widerstand gegen die Taliban, das Land droht also erneut in einem Bürgerkrieg zu versinken. Und der 11. September steht vor der Tür, jenes Datum, an dem sich die Terroranschläge von New York und Washington zum 20. Mal jähren und an dem nicht auch noch die US-Botschaft in Kabul symbolträchtig in die Luft fliegen sollte.

Trotz vieler berechtigter Bedenken gibt es also nach wie vor viele gute Gründe für die USA und Europa, über den 31. August hinaus in Kabul zu bleiben. Die Gesprächskanäle dürfen nicht noch einmal abreißen – auch wenn die Extremisten wissen werden, wie sie den politischen Preis für jegliches Entgegenkommen in die Höhe treiben können.

Keine Skrupel

Denn nach dem bedingungslosen Abzug der USA sind die Biden-Regierung und mit ihr auch die europäischen Staaten mangels andere Handlungsoptionen besonders anfällig für politische Erpressungen durch die Taliban geworden. Russland und China bemühen sich bereits - unbelastet von der Geschichte der vergangenen zwei Jahrzehnte und frei von allzu großen menschenrechtlichen Skrupeln - um gute Beziehungen zu den neuen Machthabern.

Gibt in der Afghanistan-Frage keine gute Figur ab: US-Präsident Joe Biden.

Gibt in der Afghanistan-Frage keine gute Figur ab: US-Präsident Joe Biden. © ANDREW CABALLERO-REYNOLDS, AFP


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Die westlichen Bekenntnisse, man werden an Afghanistan keine Entwicklungshilfe mehr zahlen und niemals eine Taliban-Regierung anerkennen, könnten sich daher schnell erledigt haben.

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