Kommentar: Die rücksichtslose Strategie der Impfgegner

Christine Thurner

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1.2.2021, 10:02 Uhr
Briefkästen im Blick: Derzeit landen dort besonders viele Flyer und Broschüren mit dubiosem Inhalt. Vor allem für ältere Menschen kann das zum Problem werden.

Briefkästen im Blick: Derzeit landen dort besonders viele Flyer und Broschüren mit dubiosem Inhalt. Vor allem für ältere Menschen kann das zum Problem werden.

Sie liegen derzeit in vielen Briefkästen, man findet sie am schwarzen Brett im Supermarkt oder bekommt sie auf der Straße gleich direkt in die Hand gedrückt: Flyer gegen die Corona-Impfkampagne, die mit Szenarien von schweren Nebenwirkungen oder gar Todesfällen vor dem "Retter Impfung?" warnen. Freiwillige, so genannte "Freiheitsboten", schwärmen aus und verteilen die Pamphlete, bei deren Inhalt einem angst und bange werden kann. Schwere Nebenwirkungen werden prophezeit, Unfruchtbarkeit oder gar der Tod, sollte man sich auf eine Impfung einlassen. Außerdem enthalten: eine falsch interpretierte Grafik der WHO zu Grippezahlen und Ähnliches.


Corona-Faktencheck: So erkennen Sie Fake News und Desinformation


Solche Flyer werden derzeit in der Region von Gegner der Covid-19-Impfung verteilt. Der Inhalt: angstmachende und falsche Informationen.

Solche Flyer werden derzeit in der Region von Gegner der Covid-19-Impfung verteilt. Der Inhalt: angstmachende und falsche Informationen. © Christine Thurner

Jetzt könnte man sagen: Es sind eben die üblichen Corona-Leugner und -Skeptiker, die noch immer die Thesen von Corona-Leugnern und -Skeptikern wie Bhakdi, Wodarg und Konsorten glauben. Sollen sie sich halt nicht impfen lassen, die Freiheitsboten, bleibt mehr für den Rest, der sehnsüchtig auf das Vakzin wartet. Und mit ein paar Klicks im Internet kann sich doch jeder schnell selbst ein Bild machen und die falschen Behauptungen entkräften.

Doch so einfach ist es nicht. Ja, im Netz sind Faktenchecks noch vergleichsweise einfach, lassen sich Thesen gegenchecken. Und wer in den sozialen Netzwerken unseriöse Panikmache postet, muss zumindest mit Gegenwehr und Aufklärung in den Kommentarspalten rechnen. Solche Korrektive fallen weg, wenn die Flyer in den Briefkästen älterer Menschen landen, die entweder gar keinen Zugang zum Netz haben oder im Umgang damit nicht fit genug sind. Sie finden Faltblätter, die auf den ersten Blick wie eine medizinische Aufklärungsbroschüre daherkommen oder, ein anderes Beispiel, Hochglanz-Broschüren mit Reichstag und schwarz-rot-goldener Fahne auf dem Cover, die den Anschein erwecken, es handle es sich um eine offizielle Drucksache der Bundesregierung.

Beides nutzt auf treffsichere Art und Weise etwas aus, das diese Personen besonders mitbringen: Vertrauen in offizielle Stellen, in die Wissenschaft und in alle, die einen Doktor- oder Professorentitel tragen. Es ist nicht schwer sich vorzustellen, dass ein Großteil der Älteren den Inhalt glaubt, wenn er so seriös angepinselt präsentiert wird. Es sind die gleichen Menschen, die am Telefon auf Enkeltricks hereinfallen oder falschen Polizisten Schmuck aushändigen. Sie sind, nicht nur in medizinischer Hinsicht, sondern auch was Informationen angeht, höchst vulnerabel.

Natürlich soll sich nur impfen lassen, wer das auch möchte. Aber die jungen, gesunden "Freiheitsboten", die auf langen Spaziergängen die Briefkästen ihrer Nachbarschaft bestücken, haben auch ohne Piks gute Chancen, bei einer Corona-Infektion glimpflich davonzukommen. Erwischen wird es andere: Die Alten, in dieser Pandemie ohnehin die Schwächsten unserer Gesellschaft. Sie werden von den Impfgegnern mit ihren perfide aufbereiteten Falschinformationen im schlimmsten Fall von einer Impfung abgehalten und damit sogar in Lebensgefahr gebracht. Und das ist verantwortungslos und abstoßend.

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