Kommentar: Ein Armutszeugnis für die Europäische Union

Matthias Oberth

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3.7.2019, 11:14 Uhr
Sie ist derzeit in aller Munde: Ursula von der Leyen.

© Photo by Tobias SCHWARZ / AFP Sie ist derzeit in aller Munde: Ursula von der Leyen.

Natürlich ist es möglich, diese Personalie als klassische Kompromissentscheidung im Stile der EU zu feiern. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass viele Namen in die Runde geworfen wurden und am Ende jemand ganz anderes zum Zuge kam. Es ist ebenfalls richtig, dass es galt, die Interessen von 28 Nationalstaaten sowie von 751 EU-Abgeordneten, aufgeteilt in sieben Parteifamilien, unter einen Hut zu bringen. Dennoch haben sich viele Menschen etwas anderes erhofft als den Rückgriff auf eine Politikerin, die zwar altgedient, aber gleichzeitig mit wenig Fortune ihr Amt als Verteidigungsministerin ausgeübt hat.

 

 

 

Pleiten, Pech und Pannen begleiten die heute 61-jährige CDU-Politikerin seit ihrem Wechsel im Jahr 2013 vom Arbeits- und Sozialministerium an die Spitze des Verteidigungsministeriums. Der exorbitante Anstieg der Kosten für die Sanierung der "Gorch Fock" von 2015 geschätzten 9,6 Millionen Euro auf nunmehr 135 (!) Millionen Euro lassen Zweifel daran aufkommen, ob die Ministerin ihre einzelnen Abteilungen im Griff hat oder von Spitzenbeamten an der Nase herumgeführt wurde. Bereits vorher wurden zahlreiche Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr bekannt. Ein immer wiederkehrender Vorwurf, der zum steten Begleiter ihrer Amtszeit wurde.

Und jetzt noch ganz aktuell die massiven Vorwürfe wegen zigmillionenschwerer Beraterverträge, die ohne Ausschreibung abgeschlossen wurden und nun in einem Untersuchungsausschuss genauer durchleuchtet werden sollen. Nicht gerade optimale Voraussetzungen für die Übernahme des EU-Spitzenamts. Gerade deshalb ist diese Entscheidung der Regierungschefs - so sie vom EU-Parlament durchgewunken wird - kein "klassischer" Kompromiss, sondern ein klassischer Schuss in den Ofen.

Warum Gabor Steingart dennoch der Kanzlerin als Strippenzieherin gratuliert, hat einen einfachen Grund. Noch am Tag zuvor hatte er in seinem "Morning Briefing" Angela Merkels Bilanz bei der Besetzung von internationalen Posten mit der Formel 14x0=0 verhöhnt. Für seine Behauptung "Merkel weiß nicht, wie man Beute macht", hat er sich nun mit einer Belobigung und Gratulation entschuldigt. So kann eine falsche politische Entscheidung mal schnell schön gerechnet werden.

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