Kommentar zum Giffey-Aus: Darum war der Rücktritt richtig
19.5.2021, 13:19 UhrLangsam könnte man schon eine eigene Regierung bilden mit den Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitikern, die wegen fachlich zweifelhafter und manchmal auch regelrecht betrügerischer Doktorarbeiten ihr Amt verloren haben. Jüngstes Mitglied dieses Clubs, dessen Mitglied niemand gerne wird, ist Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Sie wartete nicht ab, bis die zuständige Uni ihr den Titel entzog, sondern kam dem zuvor.
Plagiatsaffäre: Bundesfamilienministerin Giffey tritt zurück
Es war der richtige Schritt, denn die 43-jährige Sozialdemokratin hatte es ja selbst versprochen: Wenn sich die zuständige Kommission gegen sie entscheide, dann werde sie verzichten. Das ist inzwischen der Standard für Kabinettsmitglieder, man denke nur an die Fälle zu Guttenberg und Schavan. Giffey und ihre Partei hätten kaum schlüssig erklären können, warum ausgerechnet für sie eine Ausnahme gelten sollte.
Im konkreten Fall war es sogar ein vergleichsweise geringes Opfer. Die Familienministerin wollte im September ohnehin aus der Bundespolitik ausscheiden und sich im Stadtstaat Berlin engagieren, am liebsten als Regierende Bürgermeisterin. Sie zog also ihren Abschied nur um vier Monate vor.
Eine ausreichende Strafe
Hätte sie aber nicht der Politik gleich ganz Adieu sagen müssen? Nein. Wir sollten uns hüten, Menschen zur Persona non grata, zur unerwünschten Person zu erklären, weil sie vor Jahren bei ihrer Doktorarbeit schummelten. Der Abschied aus dem Ministeramt ist neben dem Verlust des Titels und der öffentlichen Blamage eine angemessene und ausreichende Strafe.
Giffey und die Plagiatsvorwürfe: Was bringt ein Doktortitel?
Annette Schavan durfte als Botschafterin Deutschlands beim Vatikan weitermachen. Und dass Karl-Theodor zu Guttenberg keine weitere Chance erhielt, ist wohl eher eine Angelegenheit zwischen ihm und der CSU - und weniger ein gesellschaftliches Verdikt. Vermutlich hätte "KT" keine Lust, einen Parteichef Söder um einen interessanten Posten zu bitten.
Bei Franziska Giffey ist die Angelegenheit jetzt sogar ziemlich einfach: Die Berliner Wahlberechtigten wissen bei der Abgeordnetenhauswahl am 26. September ganz genau, mit wem sie es zu tun haben. Mit einer Frau, die sich nach Meinung der Uni wissenschaftliche Unregelmäßigkeiten bei ihrer Doktorarbeit geleistet hat. So dürfte zumindest der Tenor der Entscheidung lauten, die demnächst veröffentlicht wird.
Die Wähler werden entscheiden
Die Hauptstädterinnen und Hauptstädter können also im vollen Bewusstsein der Verfehlungen entscheiden: Ist mir das wichtig oder nicht? Will ich diese Frau an der Spitze einer Landesregierung oder nicht? Wenn sie die SPD und ihre Spitzenkandidatin zur stärksten Kraft im Berliner Parlament machen würden, was derzeit nicht zu erwarten ist, dann wäre das als offizielle "Verzeihung" für Franziska Giffey zu bewerten.
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