Nürnberger Autohändler glauben weiter an den Diesel
02.03.2018, 12:15 UhrDoch, es gibt sie noch, die Verteidiger des Diesel-Motors. Sogar dort, wo man sie in diesen Tagen der aufgeregten Fahrverbotsdebatte am wenigsten vermutet: bei den Gebrauchtwarenhändlern. "Der Diesel ist alternativlos", sagt Martin Faupel trotzig. Seit 16 Jahren handelt er in der Äußeren Bayreuther Straße im Nürnberger Norden mit gebrauchten Kfz. Mit jungen Mercedes-Pkw, um genauer zu sein. Und vielleicht liegt es daran, dass Faupel hartnäckig beteuert: "Wir merken nichts."
Trotzdem gilt: Der Diesel ist ins Gerede gekommen. Nicht erst seit Dienstag, als das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass Städte, in denen der Jahresmittelwert der Stickoxidbelastung über dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegt, Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge erlassen können. "Die Verunsicherung der Kundschaft bekommen wir schon seit September 2015 zu spüren", sagt Leopold Pillenstein, Geschäftsführer des gleichnamigen VW-Autohauses an der Stadtgrenze Fürth/Nürnberg.
Knapp zweieinhalb Jahre ist es her, dass Volkswagen gegenüber der US-Umweltbehörde die Manipulation von Abgaswerten bei VW-Diesel-Motoren einräumen musste. Aus dem Abgasskandal, von dem – zumindest erwiesenermaßen – bisher nur Fahrzeuge von VW, Audi, Skoda und Seat betroffen sind, wurde recht zügig eine allgemeine Diesel-Krise. Vor allem die kaufinteressierte Kundschaft wurde misstrauisch. "Früher", sagt Leopold Pillenstein, "war das Verhältnis von Benzinern zu Diesel-Fahrzeugen im Verkauf 50 zu 50. Jetzt liegt es etwa bei 65 zu 35."
Autohändler sauer auf den Konzern
Der Autohaus-Chef versichert, dass er nichts schönreden wolle. Die betrügerischen Tricksereien nimmt er seinem Hersteller-Konzern immer noch übel. Aber dass der Diesel-Antrieb plötzlich in Bausch und Bogen verteufelt wird, das mag er auch nicht verstehen. "Gewerbetreibende, die ihre Fahrzeuge mit Drei-Jahres-Leasing erwerben, brauchen ihren Diesel."
Pillenstein räumt gerne ein, dass die finanziellen Vorteile für Vielfahrer nicht nur durch den geringeren Verbrauch, sondern auch durch den Steuervorteil des Diesel-Kraftstoffs zustande kommen. Er warnt aber davor, jetzt nur noch gebannt auf die Stickoxid-Emissionen zu blicken. Der neue Trend zurück zum Benziner ist umweltpolitisch in der Tat zweifelhaft, da der Otto-Motor mehr Kohlendioxid ausstößt als der mit Diesel betriebene. Pillenstein: "Das passt nicht zu unseren CO2-Zielen."
Bleibt als Alternative das Elektroauto. "Bitte nicht", stöhnt der Autohändler auf und bittet gleich darum, nicht falsch verstanden zu werden. Im Grunde, versichert er, wäre es ihm ja egal, was die von ihm verkauften Fahrzeuge antreibt. Aber für große Euphorie in Sachen E-Mobilität sieht er derzeit noch keinen Anlass. Er erzählt, dass er vorhatte, zwei Ladestationen bei seinem Autohaus einzurichten. "Aber wenn Sie das machen und zwei Autos gleichzeitig daran aufladen, geht im Viertel das Licht aus." Die Infrastruktur, soll das heißen, reiche hinten und vorne nicht.
Richtig hart trifft die Diesel-Krise vor allem jene Händler, die geleaste Pkw mit Abgasnorm Euro 4 oder 5 zurückbekommen und als Gebrauchtwagen weiterverkaufen wollen. "Diese Diesel bieten wir wie Sauerbier an", klagt Willi Kippes, der in der Leyher Straße im Nürnberger Westen neue und gebrauchte VW verkauft. Im Leasingvertrag, erzählt er, sei in aller Regel vereinbart, dass das Fahrzeug nach drei Jahren von ihm bei ordentlichem Gesamtzustand für 50 Prozent des Neupreises zurückgenommen wird. "Weiterverkaufen können wir es derzeit aber nur für 30 bis 35 Prozent des Neuwerts", sagt Kippes.
Gelegentlich fragen bei ihm auch mal Kunden nach, ob sie ihren Golf Diesel auf Euro-6-Norm nachrüsten lassen können. VW und die anderen Hersteller bieten das aber noch nicht an, obwohl laut ADAC die Wirksamkeit von SCR-Katalysatoren inzwischen nachgewiesen ist. Zwischen 1400 und 3300 Euro würde eine solche Nachrüstung – je nach Fahrzeugtyp – einmal kosten.
Handwerker sorgen sich um Innenstadt-Verbot
Nicht nur aus der Politik wird die Forderung immer lauter, dass die Autohersteller die Umrüstung möglich machen und die Kosten dafür übernehmen sollen. Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der Sorge hat, dass Handwerker mit ihren Diesel-Autos bald nicht mehr in die Innenstädte fahren dürfen, fordert dies ganz vehement.
So stehen die Zeichen auf Streit. Auch auf juristischem. Längst gibt es einige deutsche Anwälte, die Klagen gegen VW und andere Hersteller zum Geschäftsmodell ausgebaut haben und recht offensiv um enttäuschte Autobesitzer als Mandanten werben.
Das macht Thomas Ritter von der Nürnberger Kanzlei Dr. Scholz & Weispfenning nicht. Er ist allgemein auf Schadenersatzklagen spezialisiert und vertritt nun auch einige "Diesel-Geschädigte".
Ursprünglich, berichtet Ritter, habe die Rechtsauffassung vorgeherrscht, dass nur der Händler, bei dem das Auto gekauft wurde, verklagt werden könne. Das habe sich dann geändert. "Seither gibt es auch Klagen gegen VW wegen arglistiger Täuschung." Auch das Landgericht Nürnberg-Fürth hat schon in mehreren Verfahren VW zu Schadenersatz verurteilt. Allerdings sind diese Urteile noch nicht rechtskräftig.
Nervös ist man auch bei Mercedes und BMW, denen noch keine Manipulationen nachgewiesen wurden. Örtliche Händler verweisen bei Anfragen auf die Konzernzentralen. Nur der Gebraucht-Mercedes-Händler Faupel ist entspannt. "Autos mit dem Stern vorne drauf sind krisensicher." Und wenn ihnen der Diesel-Antrieb hier zum Verhängnis werde, "dann gehen sie eben nach Aserbaidschan".
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