Pause für die Schuldenbremse: Das Land braucht Investitionen
4.2.2021, 08:16 UhrWahrscheinlich liegt's daran, was die Deutschen in Sachen Geld schon alles erlebt haben. Diverse Währungsreformen, galoppierende Inflation, Geldentwertung - wir hängen mehr an unserem (Bar)Geld als andere Nationen.
Und wir haben auch ein anderes Verhältnis zu Schulden. Für die meisten hatte Angela Merkel ganz recht, als sie 2008 die Spar-Logik der berühmten "schwäbischen Hausfrau" als Vorgabe für Regierungspolitik empfahl: "Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben", sagte sie damals.
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Nicht mehr "schwäbische Hausfrau"
Doch auch die Kanzlerin hat sich davon ja längst verabschiedet - spätestens im Corona-Sommer 2020, mit der Zusage zu einem schuldenfinanzierten EU-Konjunkturprogramm und dem europäischen Wiederaufbaufonds mit seiner gigantischen Höhe von 500 Milliarden Euro.
Und was für die Hausfrau gilt, das gilt so für Staaten eben nicht: Sie können sehr wohl Schulden aufnehmen. Sie sind sogar gut beraten, dies zu tun, gerade in der Krise - um in eine bessere Zukunft zu investieren.
Akademische Debatte
Deshalb ist die Debatte darüber, wann denn die Schuldenbremse - aktuell ausgesetzt wegen der Corona-Krise und der Milliarden, die für Hilfen ausgegeben werden - wieder greifen soll, ziemlich akademisch. Und es ist gut, dass die Verbissenheit, mit der bisher um die Schuldenhöhe gestritten wird, auch bei Ökonomen zusehends einem Pragmatismus weicht.
"Wenn es auf der Welt ein Land gibt, dass sich so etwas leisten kann, dann ist das Deutschland", sagte gerade Gita Gopinath, die Chefökonomin des IWF, auf die Frage, ob die Bundesrepublik sich verschulden könne. In der Tat: Das Land hat viele Probleme - die Schuldenhöhe gehört definitiv nicht dazu.
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Deutlich weniger als andere Staaten
Die Staatsschuldenquote lag 2010, nach der Finanzkrise, bei 82,4 Prozent, sank dann auf 59,5 Prozent 2019 - und dürfte nun, trotz all der Rekordhilfen, zwischen 70 und 75 Prozent liegen. Das ist deutlich weniger als bei vergleichbaren anderen Staaten.
Deshalb sollte es nun wirklich zweitrangig sein, wann die Schuldenbremse wieder gilt. Viel wichtiger sind Investitionen, mit denen das Land aus der Krise heraus wachsen kann. Und gerade die Pandemie hat da die Schwachstellen aufgedeckt.
Überforderte Ämter und Schulen
Dass Deutschland lange Jahre viel zu wenig in die Infrastruktur (Verkehrswege, Schulen und Unis etc.) investiert hat, das war schon vor Corona augenfällig. Nun zeigte sich, wie viel tatsächlich nachzuholen ist bei der Digitalisierung von Behörden und Bildungseinrichtungen. Wir starren ja deshalb auf die Inzidenzzahl 50, weil bei Zahlen über dieser Höhe die Gesundheitsämter (mit Faxen und Zettelwirtschaft) in der Regel kollabieren - auch eine Folge fehlender Investionen und einer Spar-Manie, die dem Land längst massiv schadet.
Kluge, grüne Investitionen rechnen sich
Mit klugen Investitionen in eine nachhaltigere Zukunft kann da viel aufgeholt werden. Jeder Euro rechnet sich, weil er statt der Jobs, die nun wegzufallen drohen - siehe etwa Siemens Energy - Arbeitsplätze sichert oder schafft, die zu einer grüneren Wirtschaft passen. Die brauchen wir angesichts der Herausforderung Klimawandel - und die müssen die Regierungen endlich entschieden angehen. So entschieden und mit ähnlich hohen Ausgaben wie nun in der Pandemie. Es ist gut angelegtes Geld.
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