Geschlagen, beleidigt und diskriminiert

Wenige Wochen vor der Fußball-WM: Human Rights Watch erhebt schwere Vorwürfe gegen Katar

25.10.2022, 18:45 Uhr
Nach Angaben von Human Rights Watch werden Angehörige der LGBTQIA+ Community in Katar systematisch vom Staat diskriminiert.

© via www.imago-images.de Nach Angaben von Human Rights Watch werden Angehörige der LGBTQIA+ Community in Katar systematisch vom Staat diskriminiert.

Die Austragung der anstehenden Fußball-WM in Katar ist höchst umstritten. Immer wieder sorgte das Emirat mit seinen kontroversen Werten, Arbeitsbedingungen und der Sittenpolizei für Schlagzeilen. Einen Monat vor der Meisterschaft erhebt die Organisation Human Rights Watch (HRW) erneut schwere Vorwürfe gegen Katar.

Die Menschenrechtsorganisation hat zwischen 2019 und 2022 sechs Fälle dokumentiert, in denen Inhaftierte Opfer physischer Gewalt wurden. Ebenso wurden fünf Fälle dokumentiert, bei denen die Betroffenen sexuell misshandelt wurden. Nach dem Bericht von HRW nahmen Sicherheitskräfte die Personen fest, weil sie in der Öffentlichkeit ihre selbstempfundene geschlechtliche Identität zur Schau getragen haben.

HRW hat sechs Menschen aus der LGBTQIA+ Gemeinschaft Katars interviewt. Darunter waren vier Trans-Frauen, eine bisexuelle Frau und ein homosexueller Mann. Alle Betroffenen haben ausgesagt, dass sie von Mitarbeitern der präventiven Sicherheitsabteilung inhaftiert und in ein Untergrund-Gefängnis in Al Dafna, Doha, gebracht wurden. Dort sollen sie verbal belästigt und geschlagen worden sein. Eine Betroffene berichtet, dass sie dabei das Bewusstsein verlor.

Den Gefangenen soll der Zugang zu rechtlicher Beratung, ihrer Familie und einer medizinischen Versorgung verwehrt worden sein. Alle sechs Betroffenen sagten aus, dass sie von der Polizei gezwungen worden waren, ein Gelübde zu unterschreiben, dass sie "unmoralische Aktivitäten" einstellen werden. Als Bedingung für ihre Freilassung zwangen die Sicherheitskräfte unter anderem Trans-Frauen, sich zur Teilnahme an einer Konversationstherapie zu verpflichten. Die Konversationstherapien werden an Zentren für "Verhaltensmedizin" angeboten, welche durch den Staat finanziert werden, heißt es von HRW.

In der Haft Misshandelt

In dem Bericht von HRW erzählt eine Trans-Frau, dass sie von den Beamten festgenommen und beschuldigt wurde, mit ihrem Auftreten Frauen zu imitieren. Im Polizeiwagen wurde sie dann von den Sicherheitskräften geschlagen, bis ihre Nase und Lippe bluteten. Ebenso sei ihr in den Bauch getreten worden. Ein Polizist soll dann gesagt haben: "Ihr Schwulen seid unmoralisch, deswegen werden wir zu euch genauso sein."

"Ich habe viele andere Menschen von der LGBT-Gemeinschaft dort gesehen", erzählt die Frau. "Ich selber war drei Wochen inhaftiert - ohne Anklage. Polizisten haben mich dabei mehrfach sexuell belästigt. Teil meiner Entlassungsbedingungen war, dass ich mich mit einem Psychologen treffen sollte, 'damit er mich wieder zu einem Mann macht'."

Eine andere Trans-Frau sei durch die präventive Sicherheitsabteilung festgenommen worden, weil sie geschminkt war. "Sie gaben mir Handwischtücher und zwangen mich, das Make-up von meinem Gesicht zu wischen", so die Betroffene. "Sie haben dann die mit Make-up beschmierten Tücher als Beweismittel gegen mich genutzt und Bilder von mir mit den Tüchern in der Hand gemacht. Sie haben mir auch die Haare rasiert."

Eine bisexuelle katarische Frau erzählt HRW, dass die Mitarbeiter der präventiven Sicherheitsabteilung sie schlugen, bis sie mehrmals das Bewusstsein verlor. Ein Polizist soll ihr dann ebenfalls die Augen verbunden haben und zu einem Ort gebracht haben, "der sich wie ein privates Anwesen anfühlte". Daraufhin musste die Frau zusehen, wie Inhaftierte geschlagen wurden. Wie die Frau vermutet, diente das als Einschüchterungstaktik.

In allen Fällen zwangen die Mitarbeiter der präventiven Sicherheitsabteilung, die Inhaftierten ihr Handy zu entsperren. Daraufhin machten die Beamten Bildschirmfotos von privaten Fotos und Konversationen, sowie auch Kontaktinformationen von anderen Personen aus der LGBTQIA+ Gemeinde.

Gerechtigkeit für LGBTQIA+

Basierend auf den Anschuldigungen verlangt HRW nun, dass Katar jegliche Gesetzte aufheben soll, welche einvernehmliche sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe kriminalisieren. Ebenso soll der Staat Gesetze erlassen, welche Diskriminierungen basierend auf sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität, online und offline, verhindern.

Im Jahr 2020 hat Katar versichert, dass "LGBT-Besucher" im Land willkommen seien und Regenbogen-Flaggen während der Weltmeisterschaft gehisst werden dürfen. HRW erwiderte darauf, dass die Freiheit, sich selber auszudrücken, nicht nur für WM-Besucher gelten sollte, sondern auch permanent für alle in Katar lebenden Menschen.

Derweil weist der Staat jegliche Anschuldigungen der Menschenrechtsorganisation zurück, so RTL. "Katar toleriert keine Diskriminierung von irgendjemandem, und unsere Politik und Verfahren basieren auf einer Verpflichtung zu den Menschenrechten für alle", erklärt ein Regierungsbeamter Katars.