Bedenken und Sicherheitslücken

Die elektronische Patientenakte für alle kommt später als geplant - Was sind die Vor- und Nachteile?

Alina Boger

Werkstudentin

E-Mail zur Autorenseite

20.03.2025, 05:00 Uhr
Die elektronische Patientenakte gibt es mittlerweile in etwa 300 Testeinrichtungen, auch in Franken. (Symbolbild)

© ABDA/obs Die elektronische Patientenakte gibt es mittlerweile in etwa 300 Testeinrichtungen, auch in Franken. (Symbolbild)

Alle Patientendaten, Verfügungen, Befunde, Medikationspläne und Aufnahmen an einem Ort - das soll die elektronische Patientenakte, kurz ePA, ermöglichen.

Eigentlich kann seit 2021 jeder Versicherte eine elektronische Patientenakte bei seiner Krankenkasse beantragen. Laut der Techniker Krankenkasse (TK) wurde dieser Service aber eher selten genutzt, knapp fünf Prozent der Versicherten bei der TK meldeten eine elektronische Patientenakte an, heißt es in einem Bericht des ZDF. Ab 2025 soll die ePA aber für alle eingeführt werden.

Am 15. Januar 2025 startete eine Pilotphase in bestimmten Testregionen, darunter auch Franken. Frühestens vier Wochen später sollte die ePA dann bundesweit eingeführt werden, dieser Termin ist aber bereits verstrichen. Wie steht es nun um die ePA, wie verläuft die Pilotphase und welche Vor- und Nachteile hat eine solche digitalisierte Patientenakte überhaupt?

Vor- und Nachteile der ePA

Die ePA ist ein "persönlicher, digitaler und lebenslanger Aktenordner für Gesundheitsdaten", beschreibt es die Verbraucherzentrale. Seit 15. Januar 2025 bekommen alle gesetzlich Versicherten eine solche Akte angelegt, es sei denn, sie haben diese vorher abgelehnt. Aber auch im Nachhinein sei das noch möglich, wie die Verbraucherzentrale erklärt. Ärzte, Krankenhäuser, Physiotherapeuten, Apotheker und auch die Versicherten selbst haben die Möglichkeit, medizinische Unterlagen einzuspeichern. 300 Gesundheitseinrichtungen in Hamburg, Franken und Nordrhein-Westfalen testen die ePA seit Januar.

Bereits vor der Testphase gab es Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieser digitalen Akte. Der Bundesminister Karl Lauterbach bezeichnete die ePA aber als "Quantensprung" für das Gesundheitssystem. Beide Meinungen haben wohl ihre Daseinsberechtigung. Daraus ergeben sich aber auch die Vor- und Nachteile einer elektronischen Patientenakte.

Vorteile:

Zu den wohl wichtigsten Vorteilen der ePA zählt die Tatsache, dass alle Informationen rund um die Gesundheit eines Menschen an einem Ort digital und jederzeit abrufbar gespeichert sind. Um das Ausmaß dieses Vorteils zu verstehen, muss etwas tiefer differenziert werden.

So wird der Austausch zwischen medizinischen Einrichtungen jeglicher Art erleichtert. Unterlagen müssen nicht erst angefordert werden oder vom Patienten mitgebracht werden, sondern sind über die ePA abrufbar. Vor allem für Patienten, die wegen eines Anliegens mehrere Ärzte aufsuchen müssen und beispielsweise Röntgenaufnahmen mitbringen müssen, könnte das eine große Erleichterung sein.

Daraus ergibt sich auch, dass Doppeluntersuchungen entfallen. Dies würde den Patienten sowie den Ärzten Zeit und Arbeit ersparen.

Falls ein Patient seinen behandelnden Arzt wechseln möchte, könnte die ePA auch hier vorteilhaft sein, da der neue Arzt so von vornherein einen Überblick über den Patienten hat.

Auch bei einem Krankenhausaufenthalt, vor allem, wenn diese ungeplant stattfindet, kann sich das Krankenhauspersonal einen detaillierten Überblick verschaffen und ist im Zweifelsfall über wichtige Tatsachen informiert.

Nachteile:

Wie hilfreich eine ePA auch sein mag, doch bringt sie, vor allem zum Anfang, auch einige Nachteile mit sich.

Wie bei allen Themen rund um die Digitalisierung spielt auch in diesem Fall die Sicherheit der Daten eine enorm wichtige Rolle. So versichern Verantwortliche zwar, die sensiblen Daten der Patienten seien durch ausreichende Sicherheitsverkehrungen geschützt, dennoch könne man aber das Risiko eines Hackerangriffs und des Datenmissbrauchs nicht vollständig eliminieren, erklärt die Verbraucherzentrale.

Zudem muss man sich bei der Verwendung von elektronischen Patientenakten auf die Technik verlassen, diese kann aber ausfallen. Systemausfälle, technische Fehler und auch eine langsame Internetverbindung können die Nutzung der ePA behindern oder gar unmöglich machen.

Ein weiterer Nachteil betrifft vor allem ältere Menschen, die aber in vielen Fällen öfter einen Arzt aufsuchen. So haben Menschen, die kein geeignetes Smartphone, einen Computer oder einfach das technische Know-how besitzen, keinen Zugriff auf die eigene ePA.

Bundesweite Freigabe verschoben - wie steht es aktuell um die ePA?

Ursprünglich war geplant, dass die ePA nach der etwa vierwöchigen Pilotphase deutschlandweit eingeführt wird, das wäre Mitte Februar gewesen. Wie die Apotheken Umschau berichtet, wurde der vorläufige Zeitraum aber wegen Sicherheitsmängel verschoben. Der neue Termin: zu Beginn des zweiten Quartals, also im April. Wie alle Kassenärztliche Vereinigungen (KV) der Testregionen gegenüber der Apotheken Umschau erklärten, sei die ePA noch nicht für eine bundesweite Einführung bereit. Es brauche einen längeren Testzeitraum, um "bereits bekannte Sicherheitslücken" zu schließen und die Technik zu verbessern. So bestätigten mehrere Testpraxen aus allen Testregionen Probleme mit dem Zugriff auf die elektronische Akte wegen eines fehlenden Softwareupdates. Auch bei funktionierendem Zugriff gebe es weiterhin anderweitige Probleme bei der Nutzung.

Grundsätzlich seien die Sicherheitsvorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) für die ePA hoch, schreibt die Verbraucherzentrale. So hätte im Oktober 2024 ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie das Sicherheitskonzept geprüft und als angemessen befunden. Dennoch scheint es noch Probleme zu geben.

Bei den "bereits bekannten Sicherheitslücken" handelt es sich wohl um die im Dezember vom Chaos Computer Club entdeckten Lücken, mit deren Hilfe potenzielle Angreifer mit gefälschten Praxisausweisen oder gefälschten Gesundheitskarten auf die Patientenakten hätten zugreifen können. In einem Bericht zitierte der Deutschlandfunk Martin Tschirsich vom Chaos Computer Club. Seiner Aussage nach habe es eine Woche gedauert, um Zugangsschlüssel für alle 70 Millionen Akten zu generieren, es wäre "tatsächlich erschreckend einfach" gewesen, erklärte Tschirsich. In dem Beitrag warnte er Patienten, sich zu überlegen, "was einem persönlicher wichtiger ist: die Vertraulichkeit der Daten oder dass die Daten nutzbar sind".

In einem offenen Brief an Karl Lauterbach äußerten sich beispielsweise die Deutsche Aidshilfe, der Bundesverband der Verbraucherzentralen, Patientenorganisationen und der Chaos Computer Club dazu, dass es für eine bundesweite Einführung der ePA noch zu früh sei.

Der Bundesgesundheitsminister versicherte daraufhin, dass die ePA nicht ans Netz gehen würde, wenn auch nur ein Restrisiko für einen großen Hackerangriff gegeben sein sollte. Es seien aber "nur noch Kleinigkeiten" zu lösen, zitierte der Deutschlandfunk den 62-Jährigen.

Auch die Gematik – die Gesellschaft, die für die Digitalisierung im Gesundheitswesen verantwortlich ist, äußerte sich zu den Sicherheitslücken. Demnach seien die Angriffe theoretisch möglich, aber in der Praxis nur unter bestimmten Bedingungen und mit hohem Aufwand umsetzbar, wird die Gesellschaft von der Verbraucherzentrale zitiert. Für die Behebung der Lücken sollen weitere Sicherheitsmaßnahmen eingeführt werden, beispielsweise eine Verschlüsselung, verbesserte Zugangskontrollen, verstärkte Überwachungssysteme und eine intensivere Sensibilisierung der Nutzer für den sicheren Umgang mit Daten.

Laut der Apotheken Umschau seien diese Versprechen und Aussagen für viele Verantwortlichen im Gesundheitswesen aber unzureichend. Dass die ePA aber dennoch die medizinische Versorgung auf ein neues Niveau bringen kann, stehe aber laut den Beteiligten außer Frage. Damit dies aber geschehen kann, "sollte sie keine zusätzlichen Hürden erzeugen", heißt es seitens der Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe.

2 Kommentare