12. September 1969: Startschuss für OPD-Neubau
12.9.2019, 07:10 UhrNachdem das von Architekt Schlegtendal entworfene 34-Millionen-Projekt im Jahre 1965 wegen der konjunkturdämpfenden Politik der Bundesregierung auf Eis gelegt worden war, soll nun die städtebaulich interessante Nordseite des Rathenauplatzes ihre besondere Note bekommen: einen 94 Meter langen, neungeschossigen Trakt, dem im Süden mit Rücksicht auf den benachbarten Laufer Torturm ein zweigeschossiger Flachbau mit zwei Innenhöfen vorgelagert ist.
Bis zum Juli 1971 soll der Rohbau – übrigens handelt es sich um den ersten Neubau für eine Oberpostdirektion nach dem Kriege – vollendet sein. Der Termin für den Einzug: September 1972.
Die Fahnen von Bund, Land und Stadt knatterten in der Brise. Auf der Sohle der Baugrube musizierte die Postkapelle und die Gebrüder Redtenbacher – in ihren historischen Postillon-Uniformen mittlerweile unentbehrliche Staffage bei festlichen Gelegenheiten – schmetterten ins Horn, daß es eine Freude war. Als der Minister leicht verspätet ankam, wurde er von Postobersekretärin Sieglinde Hutzler – ein wenig Herzklopfen konnte sie nicht verheimlichen – mit Versen und Blumenstrauß begrüßt.
„Betrieb vor Verwaltung“
Selten nur bringt ein Ereignis so viel Prominenz auf die Beine wie gestern die Grundsteinlegung. Dr. Kurt Wiesemeyer, der Präsident der Oberpostdirektion, benötigte deshalb auch einige Zeit zum Willkomm. Dann konnte er daran gehen, Urkunde, Baupläne, Briefmarken, Münzen und Tageszeitungen in die Kupferkassette zu legen, die eine Brieftaube zierte.
Während der Behälter zugelötet wurde, wandte sich Minister Dr. Dollinger an die Gäste und versicherte ihnen, daß das von ihm geführte Dienstleistungsunternehmen – das größte in Europa, wie er stolz bemerkte – stets nach dem Wahlspruch handle: „Betrieb geht vor Verwaltung!“ Deshalb habe man auch in Nürnberg immer mehr eigene Räume dem Betrieb zur Verfügung gestellt und sei mit der Verwaltung auf gemieteten Platz ausgewichen.
„Selbst der Präsident wohnt nur in Miete“, erklärte Dr. Dollinger und fuhr fort: „Die Unterbringung in 18 zum Teil weit auseinanderliegenden Gebäuden war unrationell und teurer. Deshalb und weil die Bundespost den Bau moderner Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiter als soziale Verpflichtung betrachtet, ist der Neubau fällig.“
Nachdem die Kassette eingelegt und die schwere Platte auf den Grundstein gelegt worden war, schwang der Minister – er sprach sich außerdem für mehr Kompetenzen für die Oberpostdirektionen aus, damit das Ministerium Führungsaufgaben besser wahrnehmen könne – dreimal den Hammer: der Neubau möge ohne Unfälle entstehen und Kunde von einer Zeit geben, in der Menschen in Freiheit und Frieden für eine bessere Zukunft gebaut haben. In seinen Wänden mögen pflichtbewußte Menschen an der Aufgabe der Post schaffen, Verbindungen zu knüpfen.
Noch einige Zahlen vom Neubau, die ein Bild von seiner Größe geben. Die gesamte Nutzfläche beträgt 27.000 Quadratmeter, wovon 14.500 Quadratmeter auf die Büroräume entfallen. Der umbaute Raum des gesamten Komplexes beträgt 140.500 Kubikmeter. Küche und Speisesaal sind für 1.000 Hungrige angelegt. Im Augenblick werden die Arbeiten für den Kanal-Hauptanschluß ausgeführt, der rund 14 Meter unter der Bayreuther Straße liegt. Es mußte ein 28 Meter langer Stollen unter der Fahrbahn vorangehtrieben werden, der die Entwässerungsleitung aufnimmt.
Die Bundespost, die in den nächsten fünf Jahren 25 Milliarden Mark – darunter 3,5 Milliarden für den für den Hochbau – investieren will, wird in Nürnberg nicht nur am Rathenauplatz bauen. Minister Dr. Dollinger brachte gestern die Botschaft mit, daß es auch am Bahnhof zunächst mit dem dritten Bauteil weitergeht. Die Mittel dafür sind vorhanden.
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