CSU-Abgeordneter für Erlangen

Mehr als umstrittene Tweets? Das ist Stefan Müllers Bundestagsbilanz

Sharon Chaffin

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7.8.2021, 14:30 Uhr
Der CSU-Politiker Stefan Müller sitzt für den Wahlkreis Erlangen, der die Stadt und den Landkreis umfasst, seit 2002 im Bundestag. 

© Henning Schacht, NN Der CSU-Politiker Stefan Müller sitzt für den Wahlkreis Erlangen, der die Stadt und den Landkreis umfasst, seit 2002 im Bundestag. 

Das ist die Ausgangslage

Stefan Müller, geboren am 3. September 1975 in Neustadt a. d. Aisch, ist seit 2002 als CSU-Abgeordneter im Bundestag, er wurde im Wahlkreis 242 (Erlangen) immer direkt gewählt. Bei der Nominierung als Direktkandidat für die Bundestagswahl 2021 bekam er in der Kreisdelegiertenversammlung 96,9 Prozent der Stimmen. Müller war von 2009 bis 2013 und ab 2017 Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe.

Mit Blick auf die kommende Legislaturperiode sagte er im parteieigenen Info-Heft der Erlanger CSU unter anderem: „Wir werden uns sehr anstrengen müssen, wenn wir für unsere Kinder und Enkel den Wohlstand und die Lebensqualität in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung sichern wollen, die wir genießen durften und dürfen.“

In der Klima-Debatte sieht er die „Technologie als Schlüssel“ und wendet sich gegen „eine Verknüpfung des Kampfes gegen den Klimawandel mit einer grundsätzlichen sozial-ökologischen Transformation, wie sie nicht zuletzt von den Grünen vertreten wird. Wir in der Union sind überzeugt davon, dass die große Mehrheit der Deutschen (...) den Klimawandel nicht durch Einschränkung individueller Freiheiten und Rückbau erreichter Errungenschaften bekämpfen will, sondern durch Innovationsgeist und überzeugende weltmarktfähige Alternativen.“

Gegenüber diesem Medienhaus klingt die Antwort auf die Frage nach seinen Vorhaben in der nächsten Wahlperiode dann für den Bereich doch etwas moderater. Er ist sehr dafür, sagt er, dass Deutschland als global führende Wirtschaftsmacht den Weg zu einer klimaneutralen Industrienation einschlägt und ein Stück weit seiner Vorbildfunktion gerecht werde. "Dies aber nicht um den Preis, dass wir
unseren Bürgerinnen und Bürgern Wohlstandsverluste zumuten, ohne dass für das Klima etwas gewonnen wird, weil andere, größere Emittenten ihren Vorteil suchen und womöglich nicht mitmachen."

Das steht auf der Habenseite

In der ablaufenden Legislaturperiode ist Müller in der Energie- und Klimapolitik im Bundestag nicht nennenswert aktiv geworden. Allerdings erhielt er im Februar 2021 von seinem Parteifreund Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die Zusage, dass der Bund die Planungen für einen Radschnellweg zwischen Erlangen und Herzogenaurach mit 1,78 Millionen Euro fördert.

Nach Gesprächen im Bundesverkehrsministerium, an denen teilweise auch Vertreter des Ortsteilbeirats Eltersdorf teilgenommen hatten, konnte Müller bereits zum Jahresende 2020 auch mitteilen, dass der Bund aufgrund neuer, strengerer Grenzwerte die Kosten für den in Eltersdorf immer wieder geforderten, weitergehenden Lärmschutz an der A 73 doch übernimmt.

Auf der Habenseite des CSU-Abgeordneten steht auch, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags im März dieses Jahres zwei Millionen Euro für die Sanierung des Eisstadions in Höchstadt freigab. Die Förderung erfolgt aus dem Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“.

Müller hatte im November 2020 bei einem Gespräch mit Bürgermeister Brehm angekündigt, dass er sich für die Förderung des wichtigen Sanierungsprojekts durch den Bund einsetzen wird.

Das steht auf der Sollseite

Weniger glücklich war Müllers Abstecher in die Medienpolitik. Im Mai 2020 schaltete er sich in die Diskussion um die geplante Erhöhung der Rundfunkgebühr um 86 Cent auf 18,36 Euro ein. Zuständig dafür sind letztlich die Länder bzw. deren Ministerpräsidenten. Mit einem Hashtag und einem Brief an die Regierungschefs forderte er, auf die Erhöhung zu verzichten. Sie passe angesichts der angespannten Wirtschaftslage (Corona) „in keiner Weise“. Alle müssten sparen, auch die Rundfunkanstalten.

Die Begründung in allen Ehren, doch es konnte Müller nicht entgangen sein, dass die AfD zur gleichen Zeit eine Kampagne gegen die „Zwangsbeiträge“ für die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Gang gesetzt und eine gründliche Rundfunk-Reform gefordert hatte.

Im Landtag von Sachsen-Anhalt war die Regierungspartei CDU gegen die Erhöhung, doch Ministerpräsident Haseloff (CDU) zog den entsprechenden Gesetzentwurf zurück, weil die Koalitionspartner SPD und Grüne nicht mitzogen und die CDU nur mit der AfD eine Mehrheit hätte erreichen können. Die Koalition stand auf der Kippe – die Rundfunkgebühr wurde nicht erhöht. Müller erntete von der AfD vor allem Spott („schlechte Kopie“).

Am Donnerstag, 5. August 2021, stimmte das Bundesverfassungsgericht der Gebührenerhöhung zu.

Auf Twitter agierte der CSU-Abgeordnete ebenfalls – vorsichtig ausgedrückt – unglücklich. Nachdem der Bundesfinanzhof der Organisation Attac die Gemeinnützigkeit entzogen hatte, schrieb Müller, als nächstes müsse "man an die Umwelthilfe ran". Es kann nicht sein, dass kleine militante Splittergruppen die Gesellschaft drangsalieren und dann dafür auch noch die Gemeinnützigkeit für sich reklamieren“. Die Erlanger Jusos erinnerten Müller daran, dass die Umwelthilfe unter anderem den Vollzug von Gesetzen einklage, die vom Bundestag beschlossen worden seien.

Nach dem versuchten Sturm auf das Reichstagsgebäude während einer Querdenker-Demo twitterte Müller: „Der Reichstag ist das demokratische Symbol aller Deutschen. Weder kindisch-kreischende Chaoten noch Öko-Transparente von Greenpeace haben dort etwas zu suchen.“ Diese Gleichsetzung eines überwiegend rechten Mobs mit einer Umweltorganisation rief einen Shitstorm hervor. Die Junge Union stellte sich dagegen auf die Seite Müllers.

Schließlich Müllers Nebentätigkeiten und -einkünfte. Noch im März hatte der CSU-Abgeordnete wie die Mehrheit des Bundestags ein Gesetz abgelehnt, das strengere Transparenzregeln für die Parlamentarier vorsieht. Im Juni wurde es dann doch verabschiedet, auch Müller stimmte dafür.

Im April hatte die Organisation Abgeordnetenwatch – auch vor dem Hintergrund der Vorgänge um die Beschaffung von Schutzmasken – Nebentätigkeiten genauer unter die Lupe genommen und war dabei auch auf Stefan Müller gestoßen. Konkret auf seine (ehrenamtliche) Vorstandstätigkeit bei der Lobby-Organisation „Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen“. Unter den Mitgliedern finden sich viele Verbände aus der Energiewirtschaft, der Automobil- oder Chemieindustrie.

Außerdem sind darin vertreten der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, Deutscher Braunkohle-Industrie-Verein, Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband, innogy SE (E.ON) Propan Rheingas und die Lobby-Initiative Zukunft Gas. Laut Lobbypedia , einem von Lobby Control betriebenes unabhängiges Lobbyismus-Lexikon, bringt der Verein Wirtschaftsverbände, Unternehmen und einzelne Personen mit Abgeordneten (insbesondere Mitglieder von Bundestagsausschüssen) und Vertretern der Bundesregierung (insbesondere Parlamentarische Staatssekretäre) zusammen und ermöglicht damit die informelle Einflussnahme auf die Gesetzgebung. Der Verein verfasst Pressemitteilungen, veröffentlicht aber keine Sitzungsprotokolle.

Müller hingegen sieht das anders. Die Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen sei ein traditionsreiches überparteiliches Forum für den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik zu Fragen, die, so der CSU-Mann, für die Weiterentwicklung unseres Landes relevant seien und/oder werden könnten.

"Sie ist keine Lobbyorganisation", bekräftigt der Abgeordnete gegenüber diesem Medienhaus, "und sie ist auch nicht einseitig auf eine Branche ausgerichtet, wie Sie leicht erkennen können, wenn Sie sich die thematische Vielfalt ansehen, die sich in den Beiräten widerspiegelt." Sie vertrete nicht die Interessen der Mitglieder, betreibe keine eigene politische Kommunikation und formuliere auch keine eigenen politischen Positionen.

Die Tätigkeit selbst hätte Müller beim Bundestagspräsidium angeben müssen, schon nach der alten Transparenzregelung, er tat es aber erst, als Abgeordnetenwatch und Zeit online darüber berichteten.

Zur Begründung erklärte er gegenüber diesem Medienhaus, es sei „keine Absicht“ gewesen, „sondern schlicht ein bedauerliches Versehen". Die Funktion sei selbstverständlich sofort ordnungsgemäß nachgemeldet worden, nachdem er Mitte April darauf aufmerksam gemacht worden sei, erläuterte Müller weiter, und könne seitdem auf seiner Abgeordnetenseite auf www.bundestag.de unter dem Punkt "Veröffentlichungspflichtige Angaben" eingesehen werden.

Außerdem ging es um eine ebenfalls anzeigepflichtige Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG in der Zeit vom 20.November 2018 bis 31.März 2019. Die kurzzeitige Mitgliedschaft gab er an, jedoch nicht die Bezüge von insgesamt 9583,33 Euro. Nach eigenen Angaben hatte er bei der Bundestagsverwaltung nachgefragt, ob diese (relativ bescheidenen) Einkünfte angezeigt werden müssten, aber zunächst keine Antwort bekommen.

Deswegen habe er am 14. April 2012 von sich aus die Bezüge vorsorglich angezeigt. Das war etwa die Zeit, als Abgeordnetenwatch recherchierte. Damals und die Wochen darauf entdeckten auch andere Abgeordnete, dass sie irgendwelche Nebentätigkeiten aus Versehen nicht angezeigt hätten – der Wahlkampf begann, etliche saßen im Glashaus und warfen trotzdem fleißig mit Steinen. Müller empörte sich erst jüngst über einen 1500-Euro-Corona-Bonus für die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.

Das ist das Versprechen

Für die nächste Wahlperiode hat sich Müller viel vorgenommen. Für den Wahlkreis, der neben Erlangen Stadt auch den Landkreis Erlangen-Höchstadt umfasst, werde es weiterhin darauf ankommen, "die Stärken unserer Region" auszubauen, sagte er den "Erlanger Nachrichten".

Für den CSU-Abgeordneten heißt das, "wie schon bisher daran zu arbeiten", dass der Forschungs- und Bildungsstandort sich auch mit Hilfe des Bundes weiterentwickeln könne, dass Infrastruktur erhalten und, wo nötig, ausgebaut werde, und ganz generell, dass "unsere Kommunen so lebenswert bleiben, wie wir sie kennen".

Konkret werde er sich weiterhin für die Einhausung der A73 in Erlangen und generell für Lärmschutzmaßnahmen einsetzen. Wichtig sei ihm auch auch die Schienenanbindung des westlichen und östlichen Landkreises, betonte er auf Anfrage.

Das war die Große Koalition

Nach den Scheitern der Jamaika-Verhandlungen hatte Müller für eine Neuauflage von Schwarz-Rot plädiert. Doch jetzt steht er einer möglichen Fortsetzung eher kritisch gegenüber: "Die letzten Jahre haben aber immer wieder gezeigt, wie schwierig es werden kann, wenn die inhaltlichen Vorstellungen in einer Koalition sich auseinanderentwickeln", sagte er.

Die SPD habe sich ja erkennbar bereits selbst aus dieser Koalition verabschiedet. Aber auch viele grundsätzliche inhaltliche Vorstellungen der SPD seien mit der
Union nicht kompatibel. "Deshalb sehe ich eine Neuauflage von Schwarz-Rot sehr skeptisch", sagt Müller und ergänzt, "groß kann man diese Koalition angesichts der Schwäche der SPD ja ohnehin eigentlich nicht mehr nennen."

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