Corona-Lockdown: "Fürth wird kein Widerstandsnest"

Birgit Heidingsfelder

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29.10.2020, 17:50 Uhr
Corona-Lockdown:

© Foto: NGG

Dies äußerte er bei einem Pressegespräch am Donnerstag mit Verweis auf Mails und Anrufe von Bürgern, die ihn als Rathauschef zum Widerstand aufriefen. Es sei sehr bedauerlich, so Jung, wenn die Gastronomie für einen Monat schließen müsse, nach Aussage von Lothar Wieler, dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), aber Feiern bzw. Treffen mit Freunden oder der Familie Haupttreiber der Pandemie sind. Dass Bayern die Kontaktbeschränkungen (bis zu zehn Personen aus zwei Haushalten) auf Privaträume ausdehnt, findet der OB richtig. Er begrüßt, dass Schulen, Kitas und der Einzelhandel offen bleiben sollen und man sich draußen bewegen darf, bedauert aber den Lockdown für Kultur, Sport und Gastronomie.

Jung hatte tags zuvor im Stadtrat erklärt, er erwarte gravierende Folgen für Lokale und Cafés, Wirtschaftsreferent Horst Müller befürchtet, dass ein Drittel der Betriebe nicht überlebt. Robert Horka, Nürnberger Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, spricht von einem Quasi-Berufsverbot, sein Fürther Kollege Paul Reubel vom "worst case" vor dem Weihnachtsgeschäft.

Die Sieben-Tage-Inzidenz für Fürth lag am Donnerstag bei 87,9. Jung kritisierte, dass die Zahlen von RKI und Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) oft auseinanderklaffen. Das verstehe niemand. Beim LGL stand Fürth vormittags noch bei 47,47. Relevant für Maßnahmen ist stets der höhere Wert. Die Diskrepanzen erklären die Verantwortlichen mit unterschiedlichen Aktualisierungszeitpunkten und Verzögerungen bei der Datenweitergabe.

Auch ein Ärgernis für Jung: Dass Fürths Grundschüler aktuell Masken tragen müssen, Gleichaltrige im Landkreis oder in München aber nicht, obwohl die Corona-Ampel hier wie dort auf Rot oder gar Dunkelrot (München) steht. Das Gesundheitsamt hat laut Bürgermeister Markus Braun mit Verweis auf das "rasante Infektionsgeschehen deutlich gemacht, dass es infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar wäre", die Maskenpflicht in Fürth aufzuheben. Die Bezirksregierung machte also keine Ausnahme. Jung wünscht sich da "mehr Klarheit".


Trotz steigender Corona-Zahlen: Hunderte Intensivbetten sind frei


Im Klinikum wurden am Donnerstag zwölf positiv auf Corona getestete Patienten teils wegen Corona, teils wegen anderer Beschwerden behandelt. Ein Covid-19-Patient lag auf der Intensivstation. Jung appellierte an das "Verantwortungsgefühl" der Menschen, es sei wichtig, Maske zu tragen, zu lüften und Abstand zu halten.

Zugleich verkündete er, Fürth sei nun, wie andere Städte, vom Freistaat beauftragt, ein lokales Impfzentrum aufzubauen. Dabei wolle man wie beim Corona-Testzentrum, das die Arbeitsgemeinschaft Notfallmedizin Fürth im Gewerbe- und Wohngebiet "Golfpark" betreibt, mit dem Landkreis kooperieren. Die Staatsregierung hat am Dienstag für 100 Millionen Euro ein Corona-Impfkonzept und den Aufbau entsprechender Kapazitäten beschlossen.

Das hiesige Impfzentrum soll laut Jung bis Jahresende stehen. Doch seien zunächst aufwendige Vorbereitungen nötig. So brauche man "Ultratiefkühlschränke" mit Temperaturen bis zu minus 70 Grad zur Lagerung des Impfstoffs. Man werde dafür unter anderem beim Tiefkühlspezialisten Nordfrost am Hafen anfragen. Noch aber muss ein Impfstoff gegen Corona erst entwickelt werden. Jung hofft, dass es ihn gibt, wenn Fürth im Dezember ein Impfzentrum hat.

6 Kommentare

derUli

vielen Dank, @ohweh - dafür, dass du deinen geistreichen Kommentar gleich mit einer Bemerkung versehen hast, die deutlich zeigt, wie deine soziale Kompetenz einzuordnen ist.

ohweh

@Uli: das Kommando im Sturm abgeben..... also wenn der Kapitän verbraucht ist sollte er sich nicht ans Amt klammern. Wie das ausgeht sieht man bei Fußballtrainern immer wieder.
(Bitte beachten Sie unsere Netiquette)

derUli

@ Saturn:

Also, ich wäre massiv angep... ungehalten, würde Herr Jung in dieser Situation ˋcool ´ bleiben.
Das wäre ein erstes Anzeichen für Desinteresse und Amtsmüdigkeit.

Solange die besonders Betroffenen (z.b. Udo Martin/Kofferfabrik und H.Dölle/Schausteller) die Stadt ausdrücklich loben / von Kritik ausnehmen ob ihres Vorgehens, sehe ich nicht, was auf stätischer Seite falsch sein könnte.

Dass der Chef klarstellt, dass hier nicht gegen Beschlüsse des Landes oder Bundes verstoßen werden wird (von Seiten der Verwaltung), scheint erstmal überflüssig - ist wohl dem Umstand geschuldet, dass jede berechtigte Kritik (auch von seiner Seite) an diesen Beschlüssen mittlerweile gern als ˋLegitimation ´ hergenommen wird, um auszurasten. (Diverse Berichte in dieser Zeitung, Gewalttaten durch Maskenverweigerer).

Cool?
Ja, genau: Das ist cool, sich von allen Vereinnahmungen durch Aluhut-Amokläufer abzugrenzen. Weil es von einem realistischem Bild zeugt. Das eben auch nicht leugnet, dass sogar Fürther austicken können ...

Sehr uncool hingegen fände ich es, wenn der Kapitän mitten im Sturm das Kommando abgäbe. Dafür ist irgendwann Zeit, ja. Aber nicht grad dann, wenn es hart zugeht.

Hopfenmayer

Es ist doch absolut richtig, Coronamassnahmen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu kritisieren. Genau das macht OB Jung, im Gegensatz zu vielen, die blinden Gehorsam leisten. Bei dem riesigen Aufwand, der bei der Nachverfolgung der Infektionsketten betrieben wird, sollte es doch möglich sein, halbwegs herauszufinden, wo und unter welchen Umständen die meisten Ansteckungen erfolgt sind. Da ist aber fast nichts zu hören und bevor man dann vielleicht auf Shishabars oder gewisse "Familientreffen" kommt, wird lieber das ganze Land zugemacht. Bestraft werden all diejenigen, die sich bemüht haben, mit aufwändigen Hygienekonzepten ihren Bereich unter Kontrolle zu halten. Eine Schande !
OB Jung hat vollkommen recht mit seinen Einlassungen !

Saturn

Was ist aus unserem Oberbürgermeister geworden? So richtig cool finde ich seine Handlungen seit dem Beginn der Krise nicht mehr. Vielleicht sollte er sein Amt in der Hälfte seiner Wahlperiode an Markus Braun oder einen anderen Kollegen übergeben.