Kuriose Wende im Fall Kofferfabrik: Kündigung vom Tisch - und alles nur ein Versehen?
02.03.2021, 18:35 UhrEs gebe aktuell "keine Pläne", das Areal zu verändern, so Fredrik Holmberg, einer der Geschäftsführer der Nürnberger Lauer Immobilien-Service GmbH. "Aktuell" heißt jedoch nicht "gar nicht": In "drei, vier Jahren" werde man sehen, was aus dem "Koffer"-Gelände werden könne.
Kommentar: Wirbel um Kündigung - Ist die Kofferfabrik gerettet?
Holmberg zeigte sich am Dienstag beeindruckt von der enormen Resonanz auf die Meldung vom Wochenende, derzufolge das Ende der "Koffer" nahe sei. "Wir haben", so der Lauer-Mann mit Blick auf die Wutwelle, "einen Herzinfarkt bekommen".
Von den sprichwörtlichen Herzproblemen des Eigentümers hatte Kulturreferentin Elisabeth Reichert allerdings nichts mitbekommen, als sie die Firma am Wochenende kontaktierte. Noch am Montag konnte Reichert den FN lediglich mitteilen, dass die Aufhebung der Kündigung zwar seitens der Stadt angestrebt sei, von Seiten Lauers aber noch kein deratiges Signal komme.
Kommen Seniorenwohnungen?
Holmberg sagt nun, im Hause Lauer sei "menschliches Versagen" im Spiel gewesen. Der Mietvertrag mit der Kofferfabrik läuft in der Tat zum 30. September aus, steht aber nicht zur Disposition. "Wir wollten die Grundlagen dieses Vertrags prüfen", hierbei sei es zu einer Verwechslung mit einem anderen Mietvertrag gekommen, sodass Lauers Anwälte versehentlich eine Kündigung in die Kofferfabrik verschickt hätten.
"Wir entschuldigen uns tausendfach, wir haben nichts gegen die Kofferfabrik." Aktuelle Verkaufspläne gebe es Holmberg zufolge nicht.
25 Jahre Kofferfabrik: Das Rezept heißt Toleranz
Trotzdem stehen nun jene "drei, vier Jahre" Fristverlängerung für die "Koffer" im Raum. Holmbergs Schwiegervater, Firmenchef Franz Lauer, erwäge seniorengerechte Wohnungen, "aber das ist nicht machbar, wenn es gleich nebenan Konzerte gibt". Genaueres wisse und plane man derzeit nicht. Betroffen wäre allerdings nicht die Kofferfabrik allein, sondern auch jenes Mieter-Dutzend, das auf dem 4000-Quadratmeter-Gelände lebt und arbeitet.
Spannend wird die Sache auch aus einem anderen Grund, und zwar nicht erst in vier Jahren, sondern jetzt. In der nächsten Woche ist eine Videokonferenz geplant mit Lauer, OB Thomas Jung, Reichert und Baureferentin Christine Lippert; auch "Koffer"-Chef Martin – der sich zur neuesten Entwicklung am Dienstagabend nicht äußern mochte – soll dabei sein. "Wir wollen zu einer einvernehmlichen Lösung kommen", sagt Reichert. Eine Lösung, die Holmberg in eine konkretere Richtung lenkt: "Wir müssen über Haftungsfragen reden."
Sprich: Alles sieht danach aus, dass die bekanntermaßen marode Bausubstanz der "Koffer" – Dach, Fenster, Heizung – nun zum Verhandlungsgegenstand wird. Wer etwa ist verantwortlich für herabfallende Ziegel? So könnten die bevorstehenden Gespräche zum Armdrücken zwischen Lauer und der Stadt in Sachen Sanierungskosten werden.
Unterdessen hat Reichert ihren – auch von Jung geäußerten – Satz von der Suche nach einem "alternativen Standort" relativiert. "Einen alternativen Standort gibt es in dieser Form in Fürth nicht. Uns würde etwas Wichtiges fehlen, wenn es die Kofferfabrik nicht mehr gäbe."
13 Kommentare
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Sunny2
@Umdenker: Richtig, der Ansatz müsste noch weiter greifen.
Ich glaube nicht, dass sich die breite Mehrheit der heute 30-, 40- oder 50-jährigen einmal in einem Altenheim der aktuellen Sorte einfinden will...
Und den Lebensabend fremdgestaltet in Abhängigkeit von Pflegekassen-Pflegegeld und einem Alltag und der Hilfe unwürdig fremdbestimmt vom Pflegegesetz verbringen will... (z.B. Zähneputzen 3 Minuten, tägl. Waschen xy Minuten, egal ob ich Hilfe trotz körperlicher Fitness wegen Demenz brauche oder ob ich mich nur langsam Schritt für Schritt mit Unterstützung zum Bad begeben kann!)
MeineMeinung
Ja klar, eine Seniorenwohnanlage neben einem Veranstaltungsort, wo man in Deutschland schon ein Gesetz benötigt um Kinderlärm neben Wohnungen zuzulassen um den dauernden Klagen einen Riegel vorzuschieben. Unsinnige Vorschläge zuhauf
Umdenker
Bin mal gespannt, wie das "Theater um die Kofferfabrik" weiter geht. Sieht alles aus wie vom Investor inszeniert - und ich finde es klasse, dass ein BREITE Öffentlichkeit hier eine Reaktion zeigt. Mehr davon auch zu anderen Themen!
@Sunny2: Ja - daraus lässt sich noch ein anderes Modell weiter denken: Seniorenwohnanlage mit gleichzeitiger Partizipation an diesem Modell der Kofferfabrik. Unterstützung bei Veranstaltungen, in der Küche, etc. und umgekehrt freier Eintritt bei Veranstaltungen oder gar selber gestalten von Veranstaltungen? Warum nicht mal kooperativ denken.. das würde unserer Gesellschaft wirklich gut tun.
lol
... "Lauer" besitzt eine Immobilie mit der sie ganz sicher nicht "optimalen Ertrag" erwirtschaften und zusätzlich auch noch Risiko tragen - Lauer ist keine caritative Einrichtung
Lauer weiss aber auch ganz sicher um Identifikation und Bedeutung der "Koffer" für sehr viele Menschen in der Region
ich denke, das haben sie (schelmisch) ganz klug gemacht - die Reaktion der "Fans" war ja offensichtlich gewaltig und somit ein Auftrag, sich einzubringen ... in erster Linie an die Stadt! ... Fürth renommiert ja schliesslich enorm mit der Koffer
in Nürnberg haben sie jahrelang nix in das Opernhaus investiert ... jetzt muss man dort Angst haben dass es dicht gemacht wird - und da geht es um ganz andere Beträge als in Fürth
Felinator
Kann mir niemand sagen, dass das ein "Versehen" war. Wie schickt man bitte eine rechtmäßige Kündigung "aus Versehen" raus?
Wie jemand unten schon geschrieben hat, war das sicherlich ein Probelauf...