Klein und aggressiv: Tigermücke in Fürth lässt sich nicht mehr ausrotten

Erik Stecher

Politikredaktion NZ

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3.7.2020, 11:53 Uhr

Das Problem, mit dem sich Fürth plagt, ist nur rund fünf Millimeter groß, aber aggressiv – und will sich offenbar hier festsetzen: Die Asiatische Tigermücke konnte in der Kleingartenanlage Süd überwintern. Und Fachleute befürchten, dass sich dort schon zu viele Tiere angesiedelt haben, um die Population auszurotten.

Experten sind nun alarmiert, für den Laien klingt es zunächst unspektakulär: Rund 30 Asiatische Tigermücken wurden in diesem Jahr bislang in Fürth entdeckt. "Diese Anzahl legt nahe, dass eine Überwinterung stattgefunden hat. Die Tigermücke ist eine sehr wärmeliebende Mücke", erklärt Helge Kampen, Infektionsbiologe am Friedrich-Löffler-Institut.

"Während andere Arten schon längst aktiv sind, geht es bei ihr erst im Juli so richtig los. Wenn wir jetzt schon so viele Exemplare haben, ist das für mich ein schlechtes Zeichen. Meiner Einschätzung nach wird Fürth sich mit der Tigermücke noch über Jahre beschäftigen müssen."

Dengue-Fieber, Zika, Chikungunya und viele weitere Krankheiten werden von der Tigermücke in den Tropen übertragen. Hierzulande noch nicht, denn sie müsste zuerst einen infizierten Menschen stechen, bevor sie diese Viren verbreiten kann. Und das ist in unseren Breiten unwahrscheinlich. Noch. Damit das so bleibt, wird die Tigermücke überall bekämpft, wo sie sich neu ansiedelt. Denn sie ist ein sehr geeigneter Virenüberträger – und sie sticht bevorzugt Menschen.

"Diese Mücke ist aggressiv, sie verfolgt die Menschen regelrecht", sagt Jürgen Tölk, Leiter des Fürther Ordnungsamts. "Sie fliegt den Leuten hinterher, und wenn jemand ins Auto steigt, wird die Mücke an einen anderen Ort verschleppt. In eine andere Straße oder andere Stadt. Auf diesem Transportweg kam sie auch vermutlich aus Italien hierher." Die Fürther Tigermücke kann also leicht zum Problem für andere Orte der Region werden.

Tigermücke reist als blinder Passagier

Als blinder Passagier kommt das Insekt weit, der eigene Flugradius ist allerdings gering: Von seinem Standort aus bewegt es sich in der Saison nur ein- bis zweihundert Meter. Die Grenzen der Kleingartenanlage hat die Population jedenfalls schon überwunden, berichtet Silke Göttler von der Regensburger Beratungsfirma Biogents, die im Auftrag der Stadt Fürth derzeit ein Monitoring durchführt: Die Tigermücke taucht auch in Gärten benachbarten Wohnsiedlungen auf, zum Beispiel in der John-F.-Kennedy-Straße und Gerhart-Hauptmann-Straße. "Letztes Jahr gab es in Fürth vermutlich mehrere hundert Tigermücken", sagt Kampen.

"Ich habe mit Anwohnern rund um die betroffene Kleingartenanlage gesprochen, die haben erzählt, sie sind den ganzen Sommer von kleinen, sehr aggressiven Mücken belästigt worden. Wir haben Einsendungen zum Mückenatlas bekommen, durch die wir überhaupt auf Fürth aufmerksam geworden sind." Und die Einsender haben berichtet, dass sie statt einzelner Tiere auch massenhaft Mücken hätten schicken können.

Mückenproblem bleibt wohl noch länger

Allein die Masse macht es unwahrscheinlich, dass Fürth sein Mückenproblem so schnell loswerden kann wie Erding, das 2017 als erste bayerische Stadt betroffen war. "In Erding wurde die Tigermücke ausgerottet, da habe ich mich vor Ort umgesehen", erzählt Kampen. "Das war ein Glücksfall für die Stadt: Es waren nicht viele Mückenexemplare vorhanden, und die Stadt hat sofort Maßnahmen ergriffen. Es gab nur eine Überwinterung, und im Jahr der Bekämpfung wurden insgesamt nur rund 30 bis 40 Mückenlarven gefunden. Im Jahr darauf dann keine mehr."


Viren-Überträger: Tigermücken auch in Röttenbach?


In Teilen Südeuropas ist die Tigermücke bereits heimisch und wird dort mittlerweile auch für Ausbrüche von Chikungunya- und Dengue-Fieber verantwortlich gemacht. Insbesondere durch Reisende und Warentransporte aus Italien gelangt sie nach Deutschland, 2014 wurde erstmals eine Vermehrung in Freiburg festgestellt.

Insekt ist schwer auszurotten

"In Freiburg und Heidelberg sind die Populationszahlen inzwischen unter Kontrolle. Aber die Hoffnung, dass man die Populationen dort vollständig eliminieren kann, ist nicht mehr da", sagt Kampen. Man versuche aber weiterhin, die Populationsdichte möglichst niedrig zu halten. Das senkt die Wahrscheinlichkeit von Krankheitsübertragungen. "Ich bin der Überzeugung, dass die Situation in Fürth ähnlich werden wird wie in Freiburg", so die Einschätzung Kampens.

Warum aber lässt sich ein Insekt nicht beseitigen, das sich nur in einem kleinen Teil einer Stadt angesiedelt hat? "Die Tigermücke hat oft sehr versteckte Brutplätze", erklärt Kampen. "Das können irgendwelche Gullis sein oder kleinste Wasserbehälter, die versteckt gelegen oder ganz unzugänglich sind.

Nie alle Brutplätze auffindbar

Selbst wenn man sie bekämpft, wird man nie alle Brutplätze finden." Silke Göttler sieht das genauso: "Die Tigermücke hat sich regelrecht spezialisiert auf schwer zu findende Brutstätten. Das können Dinge sein, an die man gar nicht denkt. Zum Beispiel ein vergessenes Teelicht, das sich mit Regenwasser gefüllt hat."

Um die Vermehrung zu begrenzen, bittet Gesundheitsamtschef Tölk um Mithilfe der Bevölkerung: "Jeder kann dazu beitragen. Es gilt vor allem zu verhindern, dass sich in Gärten und Balkons Wasser ansammelt, etwa in Blumentöpfen oder Untersetzern." Göttler empfiehlt, BDI-Tabletten in Regentonnen zu geben, das ist ein Biozid gegen die Larven. "Oder man spannt ein Moskitonetz über die Tonne."

Die betroffenen Haushalte sollen bald über Briefe genauer informiert werden, Göttler zufolge wird auch eine Versammlung geplant, mit den derzeit üblichen Corona-Einschränkungen. In Kürze werden wohl auch Schädlingsbekämpfer Fallen in Fürth aufstellen. Über diese und weitere Maßnahmen beraten sich in diesen Tagen das Ordnungsamt und das Gesundheitsamt mit der Forschungsfirma Biogents.

Trotz aller Bekämpfungsmaßnahmen und auch bei guter Mithilfe der Bevölkerung rechnet jedoch auch Göttler damit, dass die Tigermücke auf absehbare Zeit in Fürth bleiben wird: "Man wird diese Population in den Griff kriegen und kleinhalten können, aber wohl nicht ausrotten."

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