Ankündigung des Gaststättenverbandes
Gastronomie bis zu 30 Prozent teurer: Personalmangel treibt Preise hoch
30.8.2021, 16:41 UhrDie Zeiten, in denen man in Wirtshäusern der Fränkischen Schweiz für 2,90 Euro einen halben Liter Bier oder für 8,50 Euro einen Schweinebraten bekommen hat, dürften laut Thomas Förster bald vorbei sein. Denn mit solchen Preisen findet sich laut dem Vizepräsidenten des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, selbst Wirt des Bratwurst Rösleins in Nürnberg und von sechs Autobahnrasthäusern, bald niemand mehr, der diesen Schweinebraten auch serviert.
Kein Trinkgeld während des Lockdowns
Etwa ein Viertel des Personals ist der Gastronomie während der Corona-Pandemie verlorengegangen, genaue Zahlen werden gerade noch bei einer deutschlandweiten Umfrage erhoben. Weil die Mitarbeiter nicht nur insgesamt fast neun Monate auf einen Teil ihres Lohns verzichten mussten, sondern vor allem auch auf das in dieser Branche so wichtige steuerfreie Trinkgeld, sind viele abgesprungen und verdingen sich jetzt als Paketzusteller, im Einzelhandel oder in Corona-Testzentren.
"Seit dem Mittelalter hatte das Gastgewerbe immer ein massives Fundament, weil eine Beschäftigung dort als absolut krisensicherer Job galt. Doch dieses Fundament hat Corona zum Einsturz gebracht", verdeutlicht Förster.
Zwar laufen derzeit schon viele Initiativen, um Personal für die Gastronomie zurückzugewinnen, einen durchschlagenden Erfolg können diese laut Förster aber nur haben, wenn vor allem ein Faktor stimmt: das Geld. Denn weniger als bei den neu gefundenen Jobs wird wohl kaum jemand verdienen wollen, nur weil das Arbeiten in der Gastronomie so viel Spaß macht.
20 bis 30 Prozent mehr Lohn für das Personal
"Es wird so kommen müssen, dass wir in der Gastronomie die Preise um 20 bis 30 Prozent erhöhen. Nicht zugunsten der Unternehmen, sondern zugunsten der Mitarbeiter. Der Preisaufschlag sollte zu 100 Prozent an das Personal weitergegeben werden", kündigt Förster an.
Laut einer Dehoga-Umfrage von Ende Juli sehen sich bayernweit knapp 40 Prozent der Betriebe in ihrer Existenz bedroht, in Mittelfranken sind es mit 42,2 Prozent sogar noch etwas mehr. Mehr als 18 Prozent der Betriebe in Mittelfranken denken konkret übers Aufhören nach. Kein Wunder, lag die Auslastung der Übernachtungsbetriebe im ersten Halbjahr gerade mal bei 13 Prozent. Selbst 2020 waren es noch 21,3 Prozent, im Nicht-Corona-Jahr 2019 dagegen 40,5 Prozent.
"Wir müssen den Neustart hinbekommen, die Tourismus-Saison 2021 muss erfolgreich werden. Die Umsetzung von Hygiene-Konzepten ist aber aufwändig und teuer, der Staat muss Förderkonzepte auflegen", meint Harald Hubert, Mittelfranken-Vorsitzender der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Dehoga.
Stillstand in fetten Tourismus-Jahren
Wichtig für den Erfolg seien auch weniger Bürokratie und mehr Flexibilität, etwa durch die Abschaffung einer täglichen zugunsten einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Und der massive Ausbau kreativer Angebote und digitaler Möglichkeiten, was in den zurückliegenden fetten Tourismus-Jahren aus mangelnder Notwendigkeit dann doch vielerorts zu kurz gekommen ist.
Förster sieht trotz aller Probleme und einem branchenweiten Umsatzminus von 62 Prozent gegenüber 2019 auch einige positive Entwicklungen: Viele innovative Ideen sind entstanden, die verschlafene Digitalisierung wird angepackt, der Inlandstourismus boomt und die Wertschätzung bei den Gästen ist wieder eine ganz andere.
"Die Leute, die heute kommen, sind eher bereit, mehr Zeit zu investieren und mehr Geld auszugeben", hat er beobachtet. Zudem kaufen die Betriebe mittlerweile deutlich regionaler ein - wenn auch teilweise gezwungenermaßen, weil viele internationale Lieferketten arg gelitten haben.
Radikale Absage an 2G
Förster und die Dehoga fordern für die Zukunft endlich verlässliche Maßstäbe, eine inzidenzunabhängige Öffnung und Erleichterungen in Sachen Abstand und Masken. "Das wird vielleicht noch ein paar Wochen dauern, bis wir eine Impfquote von über 70 Prozent haben, aber dann muss etwas passieren", betont er. Auch Clubs sollten für Geimpfte, Genesene und Getestete wieder öffnen dürfen. Die Umsatzsteuer auf Speisen müsse dauerhaft reduziert bleiben und zusätzlich auf Getränke ausgeweitet werden.
Von 2G-Experimenten wie in Hamburg, wo ein Betrieb mit geringeren Auflagen möglich ist, wenn man nur noch Geimpfte und Genesene zulässt, hält Förster überhaupt nichts. "Wir wollen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Ich verabscheue das. Ich will in der Adventszeit im Bratwurst Röslein nicht nur Geimpfte und Genesene bewirten, und die anderen müssen sich dann an der Scheibe die Nase plattdrücken."
Er wünscht sich, dass Ungeimpfte durch intelligente Konzepte und Aufklärungskampagnen überzeugt werden, nicht durch Zwang. "Ungeimpfte vergessen nicht, wo sie abgewiesen wurden. Zu diesen Betrieben gehen sie dann auch in Zukunft nicht mehr hin", meint Förster.
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