Diskriminierung: "Im Fußball ist Schwulsein immer noch tabu"
27.01.2021, 06:00 UhrEs ist besonders im Sport ein nach wie vor heikles Thema, das sich die Initiatoren 2021 ausgesucht haben: Sie wollen der Menschen gedenken, die aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität in der Zeit des Naziterrors ausgegrenzt, verfolgt, in Zuchthäuser und Konzentrationslager verschleppt, dort geschmäht, gequält und ermordet wurden. Erschwert wird der Aktionstag dadurch, dass am kommenden Wochenende bei den Amateuren gar nicht gekickt wird und in den Bundesligastadien keine Zuschauer das Anliegen unterstützen können.
Herr Haas, bei der Initiative ist diesmal Einfallsreichtum gefragt. Welche Aktionen können denn bei der 17. Auflage dieses Erinnerungstages überhaupt laufen?
Ludwig Haas: Da müssen vor allem die Fanklubs ihre Kreativität beweisen. Mit Transparenten in den Stadien kann man durchaus auf das Thema hinweisen. Ansonsten läuft halt vieles im Internet. Auf Amateurebene, wo wir als Gräfenberger Sportbündnis sonst bei den Jugendturnieren unserer zehn Mitgliedsvereine auf solche Themen hingewiesen haben, gibt es ja leider derzeit keine Möglichkeiten, uns vor Ort zu engagieren.
Was bieten denn die hiesigen Profivereine zum Erinnerungstag?
Haas: Der 1. FC Nürnberg präsentiert eine spezielle Bande im Heimspiel gegen Regensburg am Mittwoch und ein Interview mit einem Vertreter vom TSV Maccabi Nürnberg rund um die gemeinsame Organisation des Jenö- Konrad-Cups. Jenö Konrad war ein jüdischer Clubspieler, der 1932 vor den Nazis fliehen musste. Durch einen Online-Vortrag vor Lehrern und Schülern soll eine Projektarbeit über "Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit im Sport" an Nürnberger Schulen angestoßen werden – mit einem Turnier auf dem Club-Gelände, falls Corona das zulässt. Die SpVgg Greuther Fürth, sonst sehr aktiv im Kampf gegen Rechtsextremismus, verzichtet wegen der Pandemie auf große Aktionen, plant allerdings gemeinsam mit dem Fanprojekt Fürth im Juni eine Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz.
Vorbild ohne Nachahmer
Sexuelle Diskriminierung ist ja noch wie vor ein Problem – gerade im Fußball. "Schwul" ist da doch weiterhin ein Schimpfwort . . .
Haas: Ja, das ist ein Tabuthema, bei dem auch heute noch viel totgeschwiegen wird. Die Betroffenen scheuen sich, ihre Neigung bekanntzugeben. Es bräuchte mehr Vorbilder wie Thomas Hitzlsperger, mit dem ich persönlich ganz gut bekannt bin. Er hat sich ja als homosexuell geoutet – wenn auch erst nach Ende seiner Spielerlaufbahn. Er hat da eine Leuchtturmfunktion mit seinem Bekanntheitsgrad als Nationalspieler. Aber dennoch gibt es nicht viele Nachahmer.
Gewalt im Fußball: Weniger Vorfälle, aber gravierende Einzelfälle
Ist unsere Gesellschaft denn noch so rückständig bei diesem Thema?
Haas: Da würde ich schon unterscheiden zwischen der Anonymität der Großstadt und dem Leben auf dem Land. In Dörfern gilt es immer noch als Makel, da ziehen viele Betroffene auch lieber in eine größere Stadt, um nicht Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Und im "Männersport" Fußball ist es ähnlich – da gilt Homosexualität nach wie vor als Makel. Also wird geschwiegen.
Ein anderes Kernthema der Initiative ist das Engagement gegen Fremdenhass – hat sich diesbezüglich in der Fußball-Szene etwas getan?
Haas: Ich beobachte das jetzt ja seit einigen Jahren und habe schon das Gefühl, dass es da eine positive Entwicklung gibt. Es gibt weiterhin einige Ausreißer, aber erfreulicherweise viele Profivereine, die sich den Kampf gegen den Rassismus aktiv auf die Fahne geschrieben haben – darunter auch unsere regionalen Zweitligisten 1.FC Nürnberg und SpVgg Greuther Fürth, die solchen Tendenzen eine klare Absage erteilen. Lobenswert sind eindeutige Stellungnahmen der FCN-Führung und seiner größeren Fanclubs, nachdem vor einigen Monaten einem verstorbenen rechtsradikalen Anhänger von Teilen der Fan-Szene gehuldigt worden war.
Rassismus in Einzelfällen
Aber wenn der Gegner einen starken Stürmer mit dunkler Hautfarbe hat, muss der sich manchmal immer noch Affenlaute und Schlimmeres gefallen lassen.
Haas: Natürlich gibt es diese Einzelfälle, aber insgesamt sind Vereine und Fans deutlich sensibilisierter bei diesem Thema. Auch bei Vereinen wie Borussia Dortmund, die vor einigen Jahren noch ein massives Nazi-Problem hatten, hat der Verein eingegriffen, auch wenn das Gedankengut natürlich nicht verschwindet. Aber es wird im Stadion eben nicht mehr geduldet. Ich erinnere mich, wie eine BVB-Fanbeauftragte in einer unserer Sitzungen unter Tränen davon berichtete, dass sie von rechten Fans mit eindeutigen Gesten mit dem Tod bedroht wurde. Sie hat daraufhin ihren Posten aufgegeben.
Es ist der 17. derartige Erinnerungstag – sehen Sie Erfolge?
Haas: Durchaus. Der Rückgang des offen zur Schau getragenen Rassismus in der Fußballwelt liegt ja vielleicht auch ein bisschen an der Aufklärungsarbeit unserer Initiativen und Gruppen. "Nie wieder" hat viele Fangruppierungen animiert, solche Themen in ihre Arbeit aufzunehmen. An den Erinnerungstagen gibt es nicht nur Aktionen in den Stadien, sondern oft auch Lesungen oder Diskussionen zum jährlich wechselnden Schwerpunkt – beispielsweise im Klubmuseum von Eintracht Frankfurt. Am Anfang war es mühsam, aber die Initiative hat sich etabliert und die Zahl ihrer Befürworter wächst.
Wir reden bisher meist über Profifußball. Was kann man an der Basis tun?
Haas: Für mich ist es besonders wichtig, Kinder und Jugendliche auf solche Themen aufmerksam zu machen. Bei Turnieren unserer zehn Mitgliedsvereine halte ich gerne altersgerechte Ansprachen. So erkläre ich, warum auch Asylbewerber ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben und die Teilhabe beispielsweise am Fußballtraining bei uns im Verein haben. Die Kinder sind dafür großteils sehr offen, ich hoffe immer, dass auch ihre Eltern zuhören und verstehen, warum Rechtsradikalismus inakzeptabel ist. Die Integration von Geflüchteten in den Vereinen klappt eigentlich gut – bis auf den Umstand, dass die neuen Mitglieder stets davon bedroht sind, entweder innerhalb Deutschlands umgesiedelt oder gar in ihre Heimat zurückgeführt zu werden.
5 Kommentare
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dergrossebauer
@Pacho2020 und G_Noergel:
Volle Zustimmung meinerseits.
Mutig ist am Hitz gar nix. Der hat während seiner gesamten Karriere nicht den Mund aufgemacht. Er hat aus diesem fragwürdigen System seinen Vorteil gezogen und alles mitgenommen was ging.
Das mit dem Outing ist natürlich ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft.
Es betrifft ja auch nicht nur Homosexualität. Ich zum Beispiel kann mir mit meinen 53 Jahren nix, aber auch gar nix mit einer gleichaltrigen Frau vorstellen...da bin ich nun mal wie der Loddar veranlagt...nur, dass der aufgrund besserer Liquidität schon mehr Auswahl haben dürfte...:-)
Aber dazu stehe ich und es ist mir egal ob es jemandem passt oder nicht. Meine Tochter ist 23 und manchmal falle ich zum Beispiel im Supermarkt einer ihrer spontanen Zuneigungsattacken zum Opfer. Sogar da schauen einen manche Leute an.
Und es ist mir egal, es war mir immer egal und ich bin zuversichtlich dass es mir auch in Zukunft egal sein wird, was die Leute von mir denken.
Tommie Smith und John Carlos haben es 1968 eindrucksvoll vorgemacht. Die haben meinen allergrößten Respekt.
Auch ein Lutz Long hat sich 1936 nicht beeindrucken lassen und ist offen zu seiner Freundschaft mit Jessie Owens gestanden.
Eier zu haben - wie Pacho es richtig benennt - ist in unserer heutigen Gesellschaft einfach nicht mehr gefragt.
Bleibt`s gsund...
G_Noergel
@dergrossebauer:
„Sexualität ist Privatsache und die geht sonst auch niemandem etwas an.“
Volle Zustimmung. Und vermutlich liegen
Sie auch mit dem Rest nicht wirklich daneben.
Was irgendwie paradox ist, da der von mir zitierte Satz und der Rest Ihres Beitrages eigentlich im Widerspruch zueinander stehen.
Normalerweise sollte es in einer aufgeklärten Gesellschaft überhaupt keine Rolle spielen, ob jemand hetero-, homo-, bi- oder sonstwas-sexuell ist.
Die verbreitete Erwartungshaltung, Betroffene müssten sich „outen“ (allein die gängige Wortwahl suggeriert ja eigentlich schon, dass da gesellschaftlich noch Nachholbedarf besteht, das klingt schon nach „etwas gestehen“) zeigt, dass die Realität noch nicht so weit ist, dass Sexualität wirklich Privatsache ist.
Um diesen Zustand zu erreichen, ist es als Zwischenschritt scheinbar in der Tat unumgänglich, dass sich zumindest die „Lufthoheit“ bei dem Thema von den Vorgestrigen hin zu denen verlagert, um die es eigentlich geht. Und dies sind nicht eben homosexuelle Menschen, aber auch alle anderen, die nicht in das heteronormative und binäre Konstrukt dieser diesbezüglich immer noch weitgehend verknöcherten Gesellschaft passen.
Der Kommentar von Pacho2020 unterstreicht das perfekt - eine Gesellschaft, in der diese Situation „Mut“ erfordert, ist offensichtlich noch nicht in der Moderne angekommen. Dass besagter Kommentar ansonsten niveau- und respektvoll ist wie gewohnt, passt dabei voll ins Bild.
Pacho2020
Es müsste mal ein Homsexueller die Eier haben und sich während seiner Karriere outen und nicht wie Hitzelsberger erst danach um bewusst die Karriere nachdem Fussball anzuschieben!! Was ist daran bitte mutig Herr Hitzelsberger?
DonCarlos
Lieber @Herr Haas, Jenö Konrad war kein Glubbspieler sondern ein Trainer.
dergrossebauer
Das Einzige, was helfen könnte diesen unsäglichen Umstand der Diskriminierung zu ändern, wäre, wenn sich homosexuelle Sportler während ihrer aktiven Zeit dazu bekennen würden.
Outings wie die von Herrn Hitzlsperger - also nach Beendigung der Karriere - bringen da gar nix.
Einfach dazu stehen und es so machen wie damals der Berliner Bürgermeister...ich bin schwul und das ist auch ok...fertig...und sich nix drum scheren was andere sagen.
Ein bisserl Selbstvertrauen gehört immer dazu wenn man in allen Lebenslagen akzeptiert werden soll.
Sexualität ist Privatsache und die geht sonst auch niemandem etwas an.