Wirbel um Banner: Wie rechtslastig sind die Club-Ultras?
5.10.2020, 05:57 UhrEs ist ein lautes und aufgeregtes Schweigen, das sich da in den letzten Tagen rund um den 1. FC Nürnberg aufgebaut hat. Sehr viele Menschen reden und streiten – keiner will, dass ein Wort davon in der Öffentlichkeit erscheint. Es geht um den Tod eines Menschen und darum, warum der für eine Zerreißprobe in der Fanszene rund um den 1. FC Nürnberg sorgt.
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Mitte September starb Christian K. an einem Herzinfarkt. K. war ein Fan des 1. FC Nürnberg, offenbar fest verbunden in der Szene der Ultras. K. war aber genauso offenbar fest verankert in der Nazi-Szene. Hinweise darauf gab es kurz nach seinem Tod schon in den sozialen Medien. Das Autonomie Magazin twitterte, dass K. eine führende Rolle im rechtsextremen Blood-and-honour-Netzwerk eingenommen hatte. Weiter verwies das Magazin darauf, dass die Rot-Schwarze Hilfe (RSH) ein virtuelles Kondolenzbuch für K. schnell wieder hatte offline nehmen müssen, "weil es für politische Zwecke missbraucht" worden war.
Bislang keine rechte Nähe - zumindest öffentlich
Die Rot-Schwarze Hilfe ist ein Zusammenschluss von Club-Fans, der anderen Club-Fans Unterstützung anbietet, wenn die Probleme mit der Polizei oder der Justiz bekommen. Durch eine Nähe zur rechten Szene war die RSH bis dahin nicht aufgefallen, das galt genauso für die Ultras Nürnberg, auf deren Initiative hin ein Gedenktransparent für K. am Stadion aufgehängt worden war – gezeichnet mit "Nordkurve Nürnberg". Seit die Süddeutsche Zeitung am Ende der vergangenen Woche über diese Vorfälle berichtet hat, ist die Aufregung noch größer.
Ein Recherchenetzwerk hat das Wirken K.s in der rechten Szene detailliert herausgearbeitet – bis hin zu Verbindungen zum NSU. Da müsse man vorsichtig sein, sagt Jonas Miller, der für den Bayerischen Rundfunk arbeitet und ein Kenner rechter Strukturen ist. "Da sind manche Tatsachenbehauptungen dabei, für die es keine Belege gibt", sagt Miller, "für die Kontakte zum NSU gibt es nur Indizien." Als erwiesen sieht er es an, dass K. eine Rolle bei Blood-and-honour gespielt hat.
Preis für Konrad-Choreo
Die große Frage, die nun im Raum steht, ist die, wie dieses politische Leben K.s mit den Ultras Nürnberg vereinbar war. Einer Gruppe, die seit knapp 20 Jahren tatsächlich die Fanszene rund um den 1. FC Nürnberg prägt. Einer Gruppe, der nicht alles gelang, was sie so veranstaltete, der man aber zu keiner Zeit unterstellen konnte, dass sie anfällig ist für rechtes Gedankengut.
Im Gegenteil: Erst als die Ultras als Gruppe wuchsen, waren im damals noch Frankenstadion Nazis plötzlich nicht mehr so selbstverständlich zu sehen wie noch in den Jahren zuvor. Und Nazis gehen zum Fußball – immer und überall. Die Ultras taten in dieser Hinsicht viel für die Atmosphäre in Nürnberg, sie würdigten den jüdischen – und von den Nazis vertriebenen – Club-Trainer Jenö Konrad mit einer Choreographie und wurden dafür mit dem zweiten Platz beim Julius-Hirsch-Preis 2013 bedacht.
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Einem Preis, den der Deutsche Fußball-Bund an Menschen und Organisationen vergibt, die sich für Toleranz und Menschlichkeit einsetzen. "Wir freuen uns, dass unsere Choreografie und die Veranstaltung des 1. FCN dieses wichtige Thema in die Mitte der Gesellschaft gerückt haben. Die Auszeichnung ist für uns aber auch Verpflichtung für die Zukunft, weiterhin hinter dem Thema zu stehen", sagte damals Christian Mössner, einer der Ultras.
Deutlicher Widerstand
Sieben Jahre später gedenken diese Ultras dann einem Nazi und besuchen mit einer Abordnung seine Beerdigung. Ein Fehler aus Unwissenheit war das eher nicht. "Dass man nicht wusste, wer er war, halte ich für vorgeschoben", sagt Miller. Trotzdem ist die Angelegenheit kompliziert. So kompliziert, dass von den Ultras öffentlich keiner sprechen will.
Es gibt die, so hört man das in den vertraulichen Gesprächen, die sagen, dass Ultras Nürnberg um den Fußballfan K. trauern. Man sieht sich als unpolitische Kurve, Beileidsbekundungen für Verstorbene sind üblich – und da dürfe man keinen Unterschied machen, wenn einer sein Leben außerhalb des Fußballs in rechten Strukturen verbracht hat.
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Gegen diese Sichtweise aber regt sich diesmal deutlicher Widerstand. Es gibt viele im Inneren der Gruppe, die dieser noch offiziellen Linie diesmal widersprechen, vehement widersprechen. Es gibt andere Gruppen aus der Nürnberger Fußballlandschaft, die das auch offen tun.
"Es ist für den 1. FC Nürnberg inakzeptabel"
"Christan K. war also nicht "etwas rechts", er war ein hochrangiger Nazikader! Dies macht es uns unmöglich, zwischen dem Menschen, dem Clubfan und seinem politischen Wirken zu trennen! Ebenfalls macht es uns unmöglich, um ihn zu trauern oder diese öffentliche Trauer hinzunehmen", steht in einem offenen Brief, den andere Fanclubs im Internet veröffentlicht haben. Auch der 1. FC Nürnberg, der im ständigen Austausch mit den Ultras steht, hat nach dem Artikel in der Süddeutschen Zeitung reagiert. "Es ist für den 1. FC Nürnberg inakzeptabel, dass einzelne Personen oder eine Gruppe von Fans einem verstorbenen Neonazi, der Club-Fan war, mit einem außen am Max-Morlock-Stadion angebrachten Spruchband gedacht haben", heißt es auf der Homepage des Vereins.
Eine Reaktion der Ultras gab es auch darauf nicht. Was man immer wieder hört in den Gesprächen über die Ultras: einen Rechtsrutsch hätte es in der Gruppe nicht gegeben. Der Fall K. zeige nur ein sehr verqueres Verständnis von Solidarität innerhalb dieser Gemeinschaft. Die Einsicht, einen Fehler gemacht zu haben, mache sich nur sehr langsam breit. Trotzdem dürften sie über ihr Schweigen eines sehr laut mitbekommen haben: Für die Nordkurve Nürnberg sprechen die Ultras gerade nicht.
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