Geld geht aus
"Im Prinzip bin ich handlungsunfähig": Ex-Youtuber Drachenlord ist obdachlos
25.8.2022, 19:22 UhrEs dämmert bereits, als sich Rainer Winkler Gedanken über einen Schlafplatz für die Nacht macht. Er steht an einem Parkplatz in Emskirchen und ist sichtlich mitgenommen. Die vergangene Nacht hat er im Freien verbracht, und die Aussichten für die nächsten Tage sind düster.
Der umstrittene Ex-Youtuber, besser bekannt unter dem Namen Drachenlord, hat seit kurzem kein Einkommen mehr. Die Polizei hat vor gut einem Monat sämtliche technische Geräte des Franken beschlagnahmt, wegen des Verdachts auf Verbreitung gewalt- oder tierpornografischer Inhalte. Anlass dafür dürften unter anderem Vergewaltigungsfantasien gewesen sein, die Winkler auf einem Porno-Blog veröffentlicht hatte, der auch für Minderjährige aufrufbar war.
Youtube-Kanäle des Drachenlord gesperrt
Wenige Wochen später wurden die Youtube-Kanäle des Drachenlords gesperrt. Winkler hatte die Nutzungsbedingungen der Video-Plattform umgangen. Kurz darauf verlor er auch seinen Tiktok-Kanal sowie weitere Accounts, unter anderem bei Porno-Anbietern.
Winkler ist damit quasi mittellos. Gerade eben habe er sein letztes Gehalt von Youtube ausgezahlt bekommen, erzählt er. Davor hatte er mit seinen Videos oft mehrere tausend Euro pro Monat verdient. Allerdings sind genau diese Clips auch der Grund für den Konflikt, den er seit Jahren austrägt: Wegen teilweise fragwürdiger Inhalte hat sich im Netz eine wachsende Zahl von Menschen zusammengefunden, die den Youtuber fertig machen will.
Seine Hater beleidigten ihn nicht nur im Internet, sondern pilgerten auch täglich zu seinem Haus in Altschauerberg, einem winzigen Ort im Landkreis Neustadt-Aisch/Bad Windsheim. Vor dem Grundstück fanden täglich lautstarke Auseinandersetzungen statt, teilweise kam es auch zu körperlicher Gewalt. Winkler ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Beleidigung und Körperverletzung.
Für die Anwohner wurde die Lage irgendwann so unerträglich, dass die Gemeinde das Drachenlord-Grundstück schließlich kaufte. Anfang des Jahres zog Winkler aus, kurz darauf wurde sein Haus abgerissen. Danach schlief er in Hotels oder Pensionen, auf Campingplätzen oder bei Bekannten. Dann verlor er seinen Führerschein, verkaufte sein Auto. Zusammen mit der letzten Zahlung von Youtube sind die Reste aus dem Autoverkauf das einzige Vermögen, das er derzeit noch hat.
"Mein ganzes Geld ist weg", sagt er. Pro Monat habe er manchmal mehr als 2000 Euro für Übernachtungen ausgegeben. Deshalb wendete er sich am Dienstag hilfesuchend an die Gemeinde Emskirchen, wo er zuletzt gemeldet war. Bürgermeisterin Sandra Winkelspecht bestätigt, dass es Gespräche mit Winkler gab und er mehrere Stunden im Rathaus war. Allerdings sei es zu keiner Einigung gekommen. Am Nachmittag begleitete die Polizei den Ex-Youtuber nach draußen, wohl hauptsächlich aus Gründen des Selbstschutzes.
Drachenlord will in der Gegend bleiben
"Im Prinzip bin ich handlungsunfähig", sagt Winkler nun. Er wolle in der Gegend bleiben, finde dort aber keine Bleibe. Kurzfristigen Lösungen wie einer Unterbringung in einem Obdachlosenheim oder bei der Heilsarmee steht er skeptisch gegenüber, er wolle etwas Dauerhaftes. Außerdem wolle er vermeiden, dass Hater ihn in einem solchen Heim finden und es dann zu Problemen komme.
Rein rechtlich gesehen müsse die Gemeinde nicht tätig werden, betont Winkelspecht. Trotzdem sei man bereit, im Gespräch zu bleiben.
Zu schaffen macht dem 33-Jährigen nicht nur seine finanzielle Situation, sondern auch die Verfolgung durch die Hater. Während des Gesprächs auf dem Emskirchener Parkplatz stehen zwei Männer in unmittelbarer Nähe, machen Fotos. Mit einem von ihnen kommt es zu einem kurzen Wortgefecht. Auch Menschen, die den Drachenlord unterstützen, geraten ins Visier der Hater. Scherzanrufe, massenhafte Pizzabestellungen, Hass-Mails und gefälschte Paketlieferungen trafen immer wieder auch Unbeteiligte wie Behördenmitarbeiter, Polizisten oder Hotelangestellte, die mit Winkler Kontakt hatten.
Hater uneinig über Fortgang des Drachengames
In der Hater-Gemeinschaft selbst herrscht aktuell Uneinigkeit darüber, wie man mit dem Drachenlord in Zukunft umgehen solle. Ursprünglich sei das Ziel des "Games" gewesen, dass Winkler sich aus dem Internet lösche. Das haben mehrere Hater im Gespräch mit der Redaktion bestätigt - und auch in sozialen Netzwerken wird diese Einstellung immer wieder verbreitet.
Die Community war schon immer heterogen, die Gründe und Ziele, warum Menschen sich an der virtuellen und realen Hetzjagd auf Winkler beteiligen, höchst unterschiedlich. Das tritt nun deutlich zutage.
Winkler habe gerade genug am Hals, er sei besiegt, man solle ihn in Ruhe lassen, schreiben Nutzer in einer Telegram-Chatgruppe, in der sich tausende Hater austauschen. Man solle sich zurückhalten, solange er sich aus dem Internet fernhält. Manche zeigen sogar so etwas wie Mitgefühl. Andere glauben, dass es Jahre dauern werde, bis das Interesse an seiner Person nachlasse. Viele wollen ihn weiter leiden sehen.
Winkler selbst fühlt sich, wie bereits so oft, ungerecht behandelt. Er will nun einen Anwalt einschalten.
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