Disco-Shutdown: Nürnbergs Clubs kämpfen ums Überleben
25.8.2020, 05:24 UhrHätte er doch nur eine Glaskugel, alles wäre so viel einfacher. David Hlavacek klingt desillusioniert, wenn er über die Situation in seinem Club spricht. Eigentlich ist das "Schimanski" in der Adlerstraße am Wochenende voll. Beste Lage, der Eintritt kostenlos, Musik, die dem Zeitgeist entspricht. Über Monate aber blieb die Tanzfläche wegen der Corona-Pandemie leer. "Wir gehen alle davon aus, dass wir dieses Jahr nicht mehr aufsperren dürfen", sagt Hlavacek. "Irgendwann im März nächstes Jahr, vielleicht, wenn wir Glück haben."
Es ist die Ungewissheit, wie und vor allem wann es weitergeht, die viele Club-Betreiber umtreibt. Not macht erfinderisch, deshalb haben die Diskotheken in Nürnberg umdisponiert. Das "Schimanski" betreibt seit einigen Wochen einen kleinen Außenbereich auf den Parkplätzen in der Adlerstraße. Dutzende solcher kleiner Biergärten hat die Stadt mittlerweile bewilligt. "Das Angebot ist in Nürnberg derzeit gewaltig", sagt Hlavacek. Das entzerre den Ansturm auf die Bars der Altstadt, wird aber auch zum Problem für die Gastronomen. Gerade außerhalb der Stoßzeiten am Wochenende bleiben viele Plätze leer.
Hohe Fixkosten, begrenzte Kapazitäten
"Ich sag's mal so", beginnt Hlavacek, "das erste Wochende war sehr, sehr gut." Aber sonst? "Das hat sich dann schon beruhigt, weil das Angebot einfach seitdem sehr groß ist."Die Tisch-Kapazitäten sind begrenzt, die Fixkosten hoch. Gerade bei einem Club erwarten die Leute Action und laute Musik. "Genau das dürfen wir im Außenbereich aber ja nicht." Rein wirtschaftlich, sagt der Diskobetreiber, sei all das überhaupt kein Ersatz für den Regelbetrieb.
Besser läuft da schon das Geschäft mit den Privatpartys. "Wir versuchen, unseren Laden mindestens ein Mal am Wochenende zu vermieten", sagt Hlavacek. Hochzeiten, Geburtstage, besondere Anlässe. Auch das halte das kleine Unternehmen zwar "gerade so über Wasser" - aber immerhin. Ein Tropfen auf den glühend heißen Stein der Club-Landschaft. "Dürften wir das nicht mehr machen, wäre es ganz schwierig."
Viele Betreiber setzen auf Privatvermietung
Die Diskussion, wie gefährlich die Privatpartys sind, tobt. Neue Studien zeigen, dass sich ein Großteil der Infizierten bei eben solchen Anlässen mit dem Coronavirus ansteckt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach sich erst kürzlich für strengere Regeln aus, um einen zweiten Lockdown zu verhindern. Der CDU-Politiker bekommt Unterstützung, etwa vom Ärzteverband Marburger Bund, der für einheitliche Regeln auf Bundesebene plädiert. In Nürnberg wurden zudem Partys im privaten Rahmen möglicherweise nur vorgetäuscht, das Ordnungsamt prüft entsprechende Vorwürfe.
Corona-Infizierter bei Party im "Mach1": Behörden suchen Kontaktpersonen
Strengere Regeln, das zeichnet sich ab, dürften die ohnehin angespannte Lage in Nürnbergs Clubs weiter verschärfen. Viele Diskotheken setzen auf das Privatparty-Konzept, etwa das "Mach1", das "Gemein & Gefährlich" oder die "Bombe". Der "Club Stereo" in der Klaragasse hingegen will öffentlich sichtbar sein, mit einer Parkplatzkneipe und dem Sommergarten auf dem Kornmarkt.
"Ohne Rettungsschirme nicht überlebensfähig"
Wenn er über die wirtschaftliche Lage seines Clubs spricht, findet Betreiber David Lodhi deutliche Worte. "Ich glaube nicht, dass wir ohne die Rettungsschirme überlebensfähig wären", sagt der Gastronom. "Wenn wir die Gelder bekommen, dann sind wir denke ich dieses Jahr sicher."
Auch Lodhi rechnet nicht damit, dass im "Stereo" 2020 noch getanzt und gefeiert wird. "Das geht an die Existenz", sagt er. Seit Mitte März leben die Betreiber vom Ersparten, auch die Mitarbeiter, die man in Kurzarbeit schicken musste, seien kaum überlebensfähig - zu wenig sei das, was man in der Branche üblicherweise zahlen könne. "Wir gehören auch zu den Betrieben, die keinen Erlass vom Verpächter bekommen haben." Deshalb laufen die Fixkosten weiter, die Miete für den Club, die Büroräumlichkeiten. Jeder Tag ohne Einnahmen kostet Geld.
Nürnberg.Pop findet noch 2020 statt
Auch Lodhi spricht mit Blick auf den Biergarten und die Parkplatzkneipe des "Stereo" von einem "Tropfen auf den heißen Stein". Es sei schön, Präsenz zeigen zu können und Stammgäste der Diskothek begrüßen zu dürfen. "Aber rein betriebswirtschaftlich ist das nicht die große Sache."
Doch es gibt Lichtblicke. "Wir nehmen die Möglichkeit wahr, Dinge zu machen", sagt Lodhdi. Gemeint ist damit etwa das Club-Festival Nürnberg.Pop, das 2020 am 9. und 10. Oktober stattfinden kann. "Wir haben von der Stadt ein Konzept abgesegnet bekommen, unter Berücksichtigung aller behördlichen Vorgaben." Die Konzerte sollen "klein aber schön" werden, sagt der Gastronom. Details werde man im September bekanntgeben.
Klar ist: Auf Nürnbergs Diskotheken-Betreiber kommen harte Zeiten zu. Wie viele das Jahr der Corona-Pandemie überleben, hängt auch maßgeblich von Staatshilfen und klugen Konzepten der Gastronomen ab. Die Bürokratie, sagen die Betreiber, dürfe den Club-Kosmos in der Stadt aber nicht endgültig ersticken. David Lodhi vom "Stereo" ist zuversichtlich. "Wir spüren, dass die Kultur bei der Stadt eine hohe Akzeptanz hat."
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