Nürnberger Opernhaus: Mammutaufgabe bei Sanierung
10.8.2018, 05:55 Uhr"Das Opernhaus gehört zum Stadtbild von Nürnberg wie die Burg", sagt Christian Ruppert, Verwaltungsdirektor des Staatstheaters. Die Silhouette sei stadtbildprägend. 1905 wurde es nach langer Diskussion in der Stadtgesellschaft nach den Plänen von Heinrich Seeling gebaut. Seeling galt als ausgewiesener Theater- und Opernhaus-Architekt, der viel Wert auf die Akustik gelegt hat. Neben Nürnberg hat er auch die Theater in Freiburg und Frankfurt am Main gebaut.
Der Nürnberger Bauhistoriker Sebastian Gulden hat jetzt in einer mehrbändigen Studie die Geschichte des Opernhauses detailliert aufgearbeitet und kommt zu dem Schluss, dass das Haus am Ring im Jahr 1905 ein überzeugendes Klangerlebnis für die Besucher bot.
Gulden verweist dabei auf die Berichte von Ohrenzeugen. Die architektonischen Elemente des Jugendstils setzte Seeling offenbar so ein, dass sie sich positiv auf die Akustik ausgewirkt haben. Sie waren kein architektonisches Beiwerk, das nur optisch wirken sollte, sondern eine Voraussetzung für ein sehr gutes Klangerlebnis. "Das neue Stadttheater am Ring stellte im besten Wortsinn ein Gesamtkunstwerk dar, dem sich bei den Aufführungen Musik, Gesang und Schauspiel hinzugesellten", so Gulden.
Das künstlerische Glück währte aber nur bis 1933. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten durch Adolf Hitler wurde das Opernhaus Teil der "Choreographie der Reichsparteitage" (Gulden). Hitler erklärte Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" zu einem festen Bestandteil der Reichsparteitage. Aufgeführt wurde sie im Opernhaus. Der Sachverhalt wird derzeit gut in der Ausstellung "Hitler. Macht. Oper." im Dokumentationszentrum dargestellt.
Hitler, passionierter Opernbesucher, residierte während seiner Aufenthalte in Nürnberg im Hotel "Deutscher Hof" direkt neben dem Opernhaus. Er hatte nicht nur ein Faible für Opern, sondern auch für Architektur. Das Opernhaus, vor allem im Inneren, sein Umfeld und Teile der Innenstadt wurden nach dem Willen des Diktators umgebaut, wenn es nicht dem Nürnberg-Ideal der Nationalsozialisten entsprach. Die Nazis nannten es "Entschandelung". Es wurden Schaufensteranlagen aus dem 19. und 20. Jahrhundert durch pseudomittelalterliche Arkaden ersetzt, so Gulden. Fachwerk wurde freigelegt, um eine mittelalterliche Anmutung zu bekommen. Nürnberg sollte, so der Jargon der Nazis, die "deutscheste der deutschen Städte" werden. Oberbürgermeister Willy Liebel war ein williger Helfer, bauliche Spuren des Historismus, der Kaiserzeit und vor allem des Jugendstils zugunsten einer "reinen, deutschen" Architektur zu tilgen.
Als entschiedener Gegner der floralen, ornamentalen und fantastischen Stilmittel des Jugendstils wollte Hitler den Zuschauerraum, die Eingangshalle und die Gänge das Opernhauses umbauen. Der Reichskanzler beauftragte den Architekten Paul Schultze-Naumburg, der einer rassenideologischen Baukultur das Wort redete, mit der Umgestaltung des Opernhauses.
Probleme mit der Akkustik
Schultze-Naumburg, der, wie sich herausstellte, keine Ahnung von guter Akustik hatte, zerstörte nicht nur den größten Teil der Jugendstilarchitektur im Inneren, sondern damit auch die Raumakustik des Opernhauses, indem er eine Voutendecke in Zuschauerraum und Proszenium – das ist der vorderste Bereich der Theaterbühne – einzog. "Die Orchester spielen deshalb in Nürnberg leise. Das größte Problem ist der Orchestergraben, denn der Schall wird schlecht reflektiert", sagt Ruppert.
Die Flächen sind durch den Umbau zu glatt. Der Zierrat des Jugendstils hatte seine akustische Funktion. Auch etliche Plätze sind nach der Umgestaltung von 1935 nicht mehr verkäuflich, weil man von ihnen aus die Bühne nicht mehr sieht. Das Opernhaus wurde nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg in den fünfziger Jahren und auch in den neunziger Jahren saniert, doch mit wenig Erfolg, so Gulden: "Nachdem die Jugendstilausstattung 1935 Hitlers Kunstgeschmack zum Opfer gefallen war, verbannten die 1990er Jahre die Zutaten der 1930er und 1950er Jahre in dem aussichtslosen Versuch, die verlorene Pracht der Jahrhundertwende zurückzugewinnen."
Für Ruppert ist es jetzt höchste Zeit, sich zu überlegen, welche Sanierung von der Stadt gewollt wird. "Pflegen wir ein Denkmal in der Tradition des Nationalsozialismus?", fragt er und fügt an: "Dann haben wir weiter eine schlechte Akustik." Da es keine Pläne mehr gibt und das Opernhaus auch unter Denkmalschutz steht, ist eine Rückkehr oder Rekonstruktion des ursprünglichen Jugendstils ausgeschlossen.
Der Verwaltungschef wünscht sich deshalb von der Stadt die Einsetzung einer Expertengruppe, die eine klare Linie für die Sanierung aufzeigt und mit der sich dann die Denkmalpflege auseinandersetzen kann. "Im Zentrum muss dabei die Akustik stehen. Was macht die Sanierung für einen Sinn, wenn die Funktionalität nicht besser wird? Wir würden sonst die Zerstörung des Opernhauses konservieren", so Ruppert. Es gehe dabei ja nicht nur um einen Kulturbau, sondern um ein Wahrzeichen Nürnbergs. "Die Stadtgesellschaft muss sich darüber klarwerden, was sie will", so Ruppert. Und das möglichst schnell, denn die Kasse des Freistaats als Zuschussgeber ist derzeit sehr gut gefüllt. Nach dem Willen des Verwaltungschefs sollten spätestens in zwei Jahren Beschlüsse getroffen werden.
Keine Möglichkeit für Erweiterung
Doch die architektonische Stilistik ist nicht die einzige Hürde bei der Sanierung. Die Nutzfläche des Opernhauses liegt derzeit bei 38.000 Quadratmetern und es müssen, um den neuesten technischen Anforderungen zu genügen, zwischen 6000 und 7000 Quadratmeter mehr sein. Für Haustechnik, Magazinräume und für Nebenbühnen fehlt bislang der Platz. Doch es gibt für die Erweiterung kaum Möglichkeiten. Ruppert kann sich vorstellen, dass ein Teil der maroden Tiefgarage für die Erweiterung des Opernhauses verwendet wird oder aber es wird in die Tiefe gebaut.
Sicherheitstechnik und Brandschutz müssen erneuert werden, das technische Gebäudemanagement auf Digitalisierung umgestellt werden. Auch soll die Erlebnisqualität des Opernhauses verbessert werden. "Wir haben keine gastronomische Infrastruktur, nicht einmal für Caterer", sagt Ruppert. Es spendet kaum Trost, dass Nürnberg nicht allein ist mit der Sanierung eines älteren Hauses. Auch in Mannheim, Karlsruhe, Stuttgart und Augsburg stehen historische Theater, die erneuert werden müssen. Doch das Problem mit der Nazi-Vergangenheit hat in dieser Größenordnung nur Nürnberg – wieder einmal. Augsburg muss nur etwas Nazi-Heraldik zurücknehmen, mehr nicht.
Sebastian Gulden hat in "Das Nürnberger Opernhaus" auf über 1300 Seiten die Baugeschichte des Opernhauses untersucht. Die drei Teilbände sind in 30 Exemplaren im Auftrag der Stiftung Staatstheater erschienen. Gefördert wurde die Veröffentlichung vom Immobilienentwickler Terraplan.
7 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen