Zwangsbeleuchtung: Ärger in Nürnberg um zu helles Licht
08.03.2020, 05:30 UhrWohnen mit Blick auf eine Wand aus Licht: Wenn die Sonne untergeht, bleibt es daheim bei Familie Lemser taghell. Das neue Parkhaus gegenüber beleuchtet die Räume, die an der Deutschherrnstraße liegen, als stünde ein riesiger Scheinwerfer vor den Fenstern. Bis 22 Uhr geht das so, dann erlöschen die Lampen auf den zehn Parketagen. Früh um sechs gehen sie wieder an – auch an den Wochenenden, wenn niemand parkt.
"Unseren Kindern bringen wir bei, das Licht auszumachen", sagt Frank Lemser, der mit Ehefrau Susanne seit Wochen einen zähen Kampf gegen die Zwangsbeleuchtung führt. Gegenüber aber werde sinnlos gehaust mit Leuchtstoffröhren, deren kalter Schein die nach 18 Uhr weitgehend leergefegten Parkflächen erhellt.
Dazu kommt: Wenn ein Auto im Dunkeln durchs Parkhaus nach unten kreiselt, leuchten seine Scheinwerfer zusätzlich in die Wohnungen. Der schmale Blendschutz vor den offenen Geschossen verhindert das kaum. Susanne und Frank Lemser, die sich stellvertretend für ihre Nachbarn massiv bei der Stadt beschwert haben, fordern einen Sichtschutz, der seinen Namen auch verdient. Lamellen zum Beispiel, wie es sie am Parkhaus in der Adlerstraße gibt. Oder dunkel getöntes Glas, das am Parkhaus Bärenschanzstraße die Wohnhäuser gegenüber schützt. Auch ein Bewegungsmelder könne die Lichtplage lindern.
Kein Bebauungsplan
Die Stadt allerdings hat den Anwohnern wenig Hoffnung gemacht, dass die Lichtquellen bald versiegen werden. Die etwa 100 Parkplätze sind ausschließlich dem Bürokomplex Deutschherrnkarree vorbehalten, in dem 18 unterschiedliche Firmen mit rund 1000 Beschäftigten untergekommen sind.
Es steht auf Gewerbegebiet, einen Bebauungsplan gibt es nicht; der Bauherr hatte deshalb laut Bauordnungbehörde einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass sein Parkhaus genehmigt wird, so heißt es. Das Recht auf Schlaf bei natürlichem Licht, wie es die vierköpfige Familie fordere, gebe es in dieser Innenstadtlage nicht.
Alle Parkhäuser in Nürnberg in der Übersicht
Während von den Berliner Investoren, die das Deutschherrnkarree betreiben, keine Stellungnahme zu bekommen war, verspricht Baureferent Daniel Ulrich Besserung. Die Stadt habe mit dem Betreiber verhandelt und zugesichert, das Licht vor 22 Uhr herunterzudimmen. Auch an den Wochenenden sei das geplant. Ulrich weiter: "Wir haben die Anwohner ernst genommen."
Massive Pendlerströme
Frank Lemser hat noch ein anderes Argument gegen das Parkhaus im Köcher. "Das ist wie eine Einladung: Kommt doch bitte alle mit dem Auto in die Stadt!", sagt der Familienvater und verweist auf das schon länger bestehende öffentliche Parkhaus der Erlerklinik ganz in der Nähe sowie die geplanten neuen Parkhäuser der N-Ergie in Sandreuth und hinterm Volksbad. Es sei ein Widerspruch, wenn die Stadt gleichzeitig über massive Pendlerströme klage.
In Nürnberg entsteht "Parkhaus der Zukunft"
Das Thema sei zweischneidig, entgegnet der Baureferent. Über Stellplätze entscheide grundsätzlich der Stellplatzschlüssel. "Plätze abzulösen ist billiger, als ein Parkhaus zu bauen", so Daniel Ulrich. Allerdings müsse vermieden werden, dass Wohngebiete zugeparkt werden. Beim Neubau der GfK am Kohlenhof, der an der S-Bahnstation liege, seien nur 80 Prozent der möglichen Parkplätze entstanden. Das sei Trend, heißt es. Seit 2008 seien in Nürnberg 50.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Die Zahl neuer Parkplätze bleibe weit dahinter zurück.
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