Bamberg im Wandel: "Ich glaube, die Fans verstehen es"

Sebastian Gloser

Sportredakteur

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28.5.2020, 16:16 Uhr
Eine bröckelnde Freak-City-Wand? Bambergs Geschäftsführer Arne Dirks hat dahingehend noch nichts bemerkt.

© Sportfoto Zink / HMI Eine bröckelnde Freak-City-Wand? Bambergs Geschäftsführer Arne Dirks hat dahingehend noch nichts bemerkt.

Herr Dirks, Sie sind jetzt seit etwas mehr als einem Jahr in Bamberg. Haben Sie schon herausgefunden, was die Bamberger Basketball-Identität ist?

Dirks: Ja, denn das ist ja auch der Grund, warum ich hier hergekommen bin. Bamberg ist ein sehr spezielles Pflaster. Ich habe mal gesagt: Basketball ist hier eine Religion, der Sport steht im Mittelpunkt der Stadt. Ich bin einmal morgens um 6 Uhr in ein Taxi gestiegen und der Fahrer fing sofort an, mit mir über Basketball zu sprechen.

"Basketball ist hier eine Religion, der Sport steht im Mittelpunkt der Stadt", hat Arne Dirks in seinem ersten Jahr in Bamberg festgestellt.

"Basketball ist hier eine Religion, der Sport steht im Mittelpunkt der Stadt", hat Arne Dirks in seinem ersten Jahr in Bamberg festgestellt. © isslerimages, NN

Mit Blick auf die vergangenen Jahre scheinen einige in Bamberg - um den Begriff der Religion aufzugreifen - etwas den Glauben verloren zu haben. Ist diese Identität tatsächlich noch da?

Dirks: Ich glaube ja, aber natürlich waren die letzten Jahre nicht so erfolgreich wie die davor. Es entsteht eine gewisse Erwartungshaltung bei Fans und Partnern und wenn es sportlich nicht so läuft, dann sind manche enttäuscht und hinterfragen Dinge, das ist völlig normal.

Vor drei Jahren wollte es der Verein unter die besten Acht Europas schaffen, aktuell ist man nur Bundesliga-Mittelmaß und das Stichwort heißt "Konsolidierung". Wie kann es gelingen, die Fans bei diesem Kurswechsel mitzunehmen?

Dirks: Indem man offen kommuniziert. Wir hatten am Montag ein Zoom-Meeting mit den Fans, bei dem sie alle Fragen stellen konnten und wir transparent geantwortet haben. Es gibt hier ein großes Basketball-Know-how. Und den Spirit hat es in Bamberg ja auch schon vor den großen Erfolgen gegeben, weshalb ich glaube, dass unsere Fans und Partner verstehen, was hier gerade passiert, und uns wohl gesonnen bleiben.

"Das hat viel mit Corona zu tun, aber eben auch..."

Sie haben bei der Videokonferenz mit den Fans gesagt: "Die Zeit der zweistelligen Etats ist vorbei in Bamberg." Das Budget wurde im Vergleich zur Vorsaison um 30 Prozent reduziert, zur kommenden werden es noch einmal mindestens 30 Prozent weniger.

Dirks: Das ist korrekt. Es kommt natürlich darauf an, wie wir in die neue Saison gehen. Im Moment gibt es acht Szenarien zwischen einem normalen Start im September bis zu Geisterspielen noch im Januar, aber wahrscheinlich werden wir den Etat noch einmal um 35 bis 40 Prozent senken müssen. Das hat viel mit Corona zu tun, aber eben auch mit dem durch die Krise entstandenen reduzierten Engagement der Brose-Gruppe.

Womit Bamberg vermutlich nicht alleine dasteht, die Auswirkungen der Corona-Krise dürften auch die Mitbewerber treffen.

Dirks: Ja. Wer will sich nächste Saison zum Beispiel noch eine Dauerkarte leisten? Da sind im Moment viele Fragezeichen. Aber Fakt ist, dass wir uns restrukturieren müssen, denn wir sind eine Organisation, die viele Jahre auf einem Euroleague-Niveau sehr erfolgreich gearbeitet hat, jetzt aber nicht mehr in der Euroleague spielt. Und andere Zielsetzungen hat. Der Hauptfokus ist, seitdem ich hier bin, den Klub so aufzustellen, dass er in der Bundesliga und in der Champions League mitspielen kann.

Wobei "mitspielen" für Michael Stoschek immer zu wenig war. Wie soll Brose Bamberg weiter um Titel kämpfen, wenn das Budget so drastisch gekürzt wird?

Dirks: Ich glaube, dass es noch zu früh ist, um abzuschätzen, wo wir mit dem Etat in der neuen Saison stehen. Wichtig ist, dass wir die Corona-Krise gut überstehen und da machen wir momentan einen guten Job.

Vor der vergangenen Saison hat Michael Stoschek das Motto der "jungen, hungrigen Spieler" ausgegeben. Viel zu sehen war davon aber auch in dieser Spielzeit nicht.

Dirks: Wir haben eine der jüngsten Mannschaften in der Bundesliga. Wir haben Mateo Seric als Jugendspieler eingebunden, aber auch ausländische Spieler wie Paris Lee oder Kameron Taylor sind immer noch sehr jung. Der Verjüngungsprozess hat definitiv stattgefunden. Jetzt können wir uns über das Erreichen von sportlichen Zielen unterhalten, da haben wir uns etwas anderes vorgestellt. In der Champions League war das Ziel ein anderes, Pokal-Halbfinale war in Ordnung, wenn auch nicht die Art und Weise, wie wir ausgeschieden sind. In der Liga haben wir nun noch das Finalturnier, um einiges zu erreichen.

Gehaltsdeckelung? "Das ist eine Philosophiefrage"

In der Deutschen Eishockey-Liga gibt es die Idee, aufgrund der Corona-Krise eine Art Gehaltsdeckelung einzuführen. Wäre das auch eine Option für den Basketball?

Dirks: Das ist eine Philosophiefrage. Bayern München ist allen Klubs enteilt, Alba Berlin bringt auch noch einen großartigen Etat mit. Viele Vereine in der Bundesliga haben derzeit Probleme, die Etats werden sinken, die Spielergehälter auch. Aber ob uns ein Salary Cap weiterbringt? Ich weiß es nicht. Im Moment ist auf jeden Fall die richtige Zeit, um viele Dinge zu hinterfragen. Und das ist vielleicht der positive Aspekt dieser Krise: Dass man enger zusammenrückt, sich gegenseitig hilft und austauscht.

+++ Aufatmen in Bamberg: Brose bleibt doch Gesellschafter +++

Wenn Sie sich gerade so viel austauschen. Wie viele bemitleidende SMS haben Sie am Wochenende bekommen?

Dirks: Bemitleidende SMS gar nicht, aber schon die ein oder andere Nachfrage von Kollegen.

"Ich finde es sehr begrüßenswert, dass Michael Stoschek auch Ideen hat, wie das in Bamberg weitergeführt werden soll", sagt Dirks über den Brose-Chef (links, hier mit Präsident Norbert Sieben)

"Ich finde es sehr begrüßenswert, dass Michael Stoschek auch Ideen hat, wie das in Bamberg weitergeführt werden soll", sagt Dirks über den Brose-Chef (links, hier mit Präsident Norbert Sieben) © Sportfoto Zink / HMI, NN

Dann helfen Sie uns bei der Aufklärung. Michael Stoschek hatte zunächst angekündigt, sich als Gesellschafter zurückzuziehen, eine Woche später gab es den Rückzug vom Rückzug. In einer Mitteilung hieß es, dass es mit anderen Unternehmern "zu keiner Übereinstimmung über die grundsätzliche Ausrichtung des Clubs und seiner sportlichen Ziele" gekommen ist.

Dirks: Zunächst einmal bin ich sehr froh und dankbar, dass Michael Stoschek und die Brose-Gruppe weitermachen. Als angestellter Geschäftsführer war ich bei dem gesamten Prozess nur am Rande eingebunden. Michael Stoschek hat die Beweggründe, sich mit Brose zurückzuziehen klar benannt. Die Automobil- und die Corona-Krise gehen am Unternehmen nicht spurlos vorbei, weshalb man sich entschieden hat, die Lizenz an neue Gesellschafter zu verkaufen, allerdings möchte er drei weitere Jahre Haupt- und Namenssponsor bleiben. Das bedeutet, dass er da gewisse Ideen hat, wie sich der Klub aufstellt.

Von welchen Ideen sprechen wir da?

Dirks: In den vergangenen Jahren hat sich der Verein einen guten regionalen, vor allem aber auch einen guten nationalen und internationalen Ruf erarbeitet. Es geht um unser Personal, es geht um unsere Sponsoren, um einen Wettbewerb wie die Champions League und über eine Erwartungshaltung der Fans, über die wir bereits gesprochen haben. Sich rein regional aufzustellen, ist da zu wenig.

"Sich rein regional aufzustellen, ist zu wenig"

Das heißt, dass andere Unternehmer nicht das Geld aufbringen konnten oder wollten, um Bamberg auf diesem Niveau zu halten?

Dirks: Es geht nicht nur um finanzielle Dinge, sondern auch um ein Konzept und ich finde es sehr begrüßenswert, dass Michael Stoschek auch Ideen hat, wie das in Bamberg weitergeführt werden soll. Und dann sind wir wieder bei dem Satz, dass über die "organisatorischen" und "sportlichen" Ziele keine Einigung erzielt werden konnte.

Auf absehbare Zeit werden Sie trotzdem einen Nachfolger finden müssen. Wie optimistisch sind Sie, dass das nach diesem gescheiterten Versuch funktioniert?

Dirks: Michael Stoschek hat betont, dass er zunächst Mehrheitseigner bleibt, dass es auf absehbare Zeit aber auf mehrere Schultern verteilt werden muss. Das ist ein Prozess für den wir uns jetzt die Zeit nehmen müssen. Zunächst einmal bin ich froh, dass wir Planungssicherheit haben und dann schauen wir, wie es weitergeht.

"Wir wollen das ein oder andere Zeichen setzen"

Zunächst einmal geht es in München weiter. Bamberg geht fast unverändert in das Finalturnier, welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Dirks: Ich glaube, wir sind der einzige Klub, der unverändert in dieses Turnier geht, abgesehen von zwei Verletzten. Jordan Crawford hat vor der Unterbrechung in zwei Spielen aber auch dem Training angedeutet, dass er eine große Hilfe sein kann. Die Mannschaft freut sich sehr auf das Turnier, es wird hart gearbeitet. Es ist eine große Chance, die Saison positiv zu Ende zu bringen. Der Auftakt gegen Berlin wird nicht leicht, aber wir wollen schon das ein oder andere Zeichen setzen.

Theoretisch reichen sechs Siege zur Meisterschaft.

Dirks: Ich würde mich nicht darüber beschweren, wenn wir Meister werden, aber da gibt es natürlich sehr starke Teams in dieser Runde. Diejenigen, die ihre Mannschaft nicht zusammenhalten konnten, haben nicht ganz unprominent nachverpflichtet. Es ist ein spannendes Format, das dem Basketball sehr helfen kann und vielleicht Geschichten erzählt, um alles etwas nachhaltiger aufzustellen.

+++ Ende der Kooperation: Bamberg macht mit Baunach Schluss +++

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