Club-Rückkehr: Schon Max Morlock spielte gegen Berlin
24.8.2018, 05:58 UhrWas passiert war? "Ich weiß es nicht", sagte Javier Pinola noch zwanzig Minuten später im Keller des Berliner Olympiastadions und war damit nicht alleine. Die Verwirrung war groß in den Schlussminuten des Nürnberger Gastspiels bei Hertha BSC in Berlin, die 37.000 Zuschauer wussten so wenig wie die Spieler, was genau sie da erlebt hatten.
Nürnbergs Ondrej Petrak hatte wegen eines Handspiels auf der Torlinie die Rote Karte gesehen und war schon auf dem Weg in die Kabine, Club-Torwart Raphael Schäfer hatte den Ball bereits auf den Elfmeterpunkt gelegt — gleich würde die Hertha zum 2:2 ausgleichen, aber dann kam alles ganz anders.
Petraks besondere Premiere
Keine Rote Karte, kein Elfmeter, Schäfer holte Petrak zurück auf den Platz, der Linienrichter hatte den Schiedsrichter auf eine Abseitsstellung des Berliners Adrian Ramos aufmerksam gemacht. Schäfer bekam den Ball zum Abstoß, ein paar Sekunden später gab es dann doch einen Elfmeter – für Nürnberg, Josip Drmic verwandelte in der letzten Spielminute zum 3:1 für den Club.
Alle Turbulenzen, die den 1. FC Nürnberg im am Ende deprimierenden Spieljahr 2013/14 durchgeschüttelt hatten, sah man komprimiert an diesem 2. Februar 2014. So aufregend ist die Bundesliga; Ondrej Petrak kann den Nürnberger Spielkameraden davon erzählen, bevor jetzt, am Samstag bei der Hertha in Berlin, nach vier Jahren Zweitklassigkeit das Bundesliga-Comeback des Clubs ansteht. Der Tscheche, der damals sein erstes Bundesligaspiel von Beginn an bestritt, ist immer noch dabei, als einziger Nürnberger, mehr Bundesliga-Erfahrung als der heute 26 Jahre alte Petrak bringt keiner der Aufsteiger mit.
Es sind genau elf Spiele, die Petrak erstklassig bestritt. "Richtig gut" fand Verteidiger Pinola den jungen Petrak damals, "er kann uns noch entscheidend helfen im Kampf gegen den Abstieg." Heute klingt es ähnlich, wenn Trainer Michael Köllner über Petrak spricht, einen der Gewinner der Vorbereitung auf ein Jahr, das vermutlich wieder ganz im Zeichen des Abstiegskampfs steht.
Damals in Berlin hatte Nürnberg wieder Hoffnung geschöpft, nach einer Hinrunde ohne einen einzigen Sieg war das 3:1 das zweite Erfolgserlebnis hintereinander, der Club des Trainers Gertjan Verbeek war erstmals auf einem Nichtabstiegsplatz notiert. Aber das Hoch hielt nicht lange, gut drei Monate später war Nürnberg zum achten Mal abgestiegen.
Folgen hatte diese Begegnung auch für Hertha, damals gerade wieder aufgestiegen. Die Niederlage bedeutete das Aus für Trainer Jos Luhukay, der Nachrücker war der Berliner U 15Trainer, der es als Profi zum Idol und Hertha-Rekordspieler gebracht hatte: Pal Dardai, vorgestellt als Interimslösung – und am Samstag, wenn Nürnberg kommt, noch immer der Cheftrainer. Mit Dardai schaffte es Hertha vor Jahresfrist sogar in die Europa League; die Berliner, nach den Abstiegen 2010 und 2012 noch am Boden zerstört, sind weit an Nürnberg vorbeigezogen und ein etablierter Bundesligist mit europäischen Perspektiven.
Spektakulär waren die Begegnungen mit Nürnberg zuletzt immer. Ein 0:1 in Berlin stieß den 1. FC Nürnberg im Mai 2008 – ein Jahr nach dem DFB-Pokalsieg im Olympiastadion – in die 2. Liga, eine Woche später war der Abstieg perfekt. An beiden Berliner Abstiegen wirkte wiederum der Club mit. Vor sieben Jahren hieß das Bundesliga-Auftaktspiel ebenfalls Hertha gegen Nürnberg, der Club gewann durch ein Tor von Tomas Pekhart mit 1:0 beim späteren Absteiger, im März 2010 hatte ein 1:2 gegen Nürnberg für Hertha den entscheidenden Schritt Richtung Abgrund bedeutet.
Eine Halbzeit lang hatte nur ein überragender Torwart Raphael Schäfer den Club im Spiel gehalten, aber in der 90. Minute glückte Angelos Charisteas nach einem Sololauf von Ilkay Gündogan das 2:1-Siegtor für den Gast, dessen Spieler damals eiligst in die Kabine flüchten mussten – wildgewordene Hertha-Fans stürmten den Platz und sorgten für Angst und Schrecken. Hertha stieg ab; in Berliner Zeitungen wurde – tatsächlich – der 1.FC Nürnberg als Vorbild für einen soliden Neuaufbau empfohlen.
Alte Bekannte für Petrak
Die Verbindung beider Traditionsklubs ist lang und innig, vor 55 Jahren trafen sie sich am historischen allerersten Bundesliga-Spieltag in Berlin. Max Morlock, Weltmeister von 1954, erzielte beim 1:1 Nürnbergs ersten Bundesligatreffer, für Hertha verteidigte ein dynamisches Energiebündel namens Otto Rehhagel (der 2012 als Trainer-Nothelfer mit den Berlinern abstieg). 1401 Nürnberger Tore kamen seit jedem 24. August 1963 hinzu, das bisher letzte fiel vor vier Jahren und drei Monaten beim 1:4 auf Schalke durch Josip Drmic.
Zu den Nürnberger Absteigern gehörten im Mai 2014 Marvin Plattenhardt, inzwischen Nationalspieler und WM-Teilnehmer, Niklas Stark, inzwischen U 21-Europameister, und Alexander Esswein – allesamt spielen sie heute für Hertha BSC, jetzt gemeinsam mit Pascal Köpke. Der stürmende Sohn der Nürnberger Torwart-Legende, ausgebildet am Valznerweiher, wechselte gerade aus Aue nach Berlin. Immerhin Ondrej Petrak wird ein paar alte Bekannte treffen.
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