Derby ohne Zuschauer: Welche Mannschaft davon profitiert
27.11.2020, 11:50 UhrEs wird ein ganz anderes Derby: Keine Fans, die sich gemeinsam auf dem Weg zum Stadion machen. Keine Menschen, die sich auf den Rängen in den Armen liegen. Keine Spieler, die vor Zehntausenden feiern. Es ist eine Bundesliga-Saison wie es sie noch nicht gab: Zum zweiten Mal in dieser Saison spielen die Vereine vor leeren Kulissen.
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Manche sagen, Fußballprofis müssten das wegstecken können. Sie erhielten schließlich viel Geld dafür, ihre Leistung auf den Punkt abzurufen. Und doch haben Geisterspiele Auswirkungen auf das Spielgeschehen, sagt Markus Gretz, der als sportpsychologischer Berater für Fußballer, Basketballer oder auch Tennisspieler tätig ist.
Weniger Karten
Dabei sind nicht nur die Spieler selber die entscheidenden Faktoren: "Aktuelle, in der Corona-Pandemie angelegte Studien zeigen, dass die Schiedsrichter ein bisschen weniger für die Heimmannschaft pfeifen." Die Nachspielzeit wird nicht mehr so lange angesetzt, wenn die Heimmannschaft zurückliegt - in normalen Zeiten lassen sie das Spiel dann etwas länger laufen. Und es werden weniger Karten für die Gastmannschaft gezeigt. "Schiedsrichter werden nicht mehr so beeinflusst von den Fans und der sozialen Erwünschtheit."
Gleichzeitig zeigen Spieler ein geringeres aggressives und emotionales Verhalten, es wird weniger diskutiert oder der Schiedsrichter wird weniger angegangen. Nichtsdestotrotz reagiert natürlich jeder Sportler unterschiedlich. Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe der deutschen Fußballnationalmannschaft hat vier Typen unterschieden: Mancher lebt von der Unterstützung des Publikums und blüht nur richtig auf, wenn er sich live vor Fans präsentieren kann.
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Andere wiederum empfinden die Kulisse im Stadion als einschüchternd und können nun befreit aufspielen. Andere werden sich schnell anpassen. Und manche können - egal vor welcher Kulisse - leicht in den Wettkampfmodus umschalten.
Aggressionen ausleben
Was die Geisterspiele mit den Fans machen, ist bisher weniger untersucht. Gretz verweist aber darauf, dass das Stadion immer ein Ort war, in dem Menschen ihre Aggressionen ausleben konnten, die man im Alltag nicht einfach so zeigt: Fluchen, brüllen, schimpfen - alles Teil des "normalen" Fantums. "Das Stadion ist ein Tempel der Emotionen. Für viele Fans fehlt jetzt das gemeinsame Ausleben dieser Emotionen. Sie können jetzt nur noch ihren Fernseher anschreien und Zuhause alleine jubeln. Was sich aber nie so gut anfühlt wie in der Fangemeinschaft", sagt Markus Gretz.
Und so rückt die Fankultur aktuell in den Hintergrund. Sicher werde sich mancher so sehr auf das samstägliche Ritual freuen, dass er nach den Corona-Beschränkungen noch motivierter ins Stadion zurückkehrt. Andere wiederum könnten ein wenig die Lust verlieren. Viel hängt jedoch an den Bedingungen, unter denen die Stadien wieder für Fans geöffnet werden. Und auch an der Wertschätzung, die Vereine ihren Unterstützern entgegenbringen. "Sie sind gut beraten, die Fans aktuell nicht zu vernachlässigen, sondern sie sogar vermehrt einzubeziehen."
Es ist eine Chance
Letztlich, so sagt Gretz, könne die aktuelle Situation auch eine Chance bieten: "Die Konzentration auf den Kern des Fußballs nimmt zu." Es geht weniger um die lautstarke Show drumherum, das Spiel steht im Vordergrund. Und vielleicht wird es, dank weniger beeinflusster Schiedsrichter, sogar ein wenig fairer.
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