Die Falcons fliegen wieder - aber ohne Zuschauer

Sebastian Gloser

Sportredakteur

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16.10.2020, 10:55 Uhr
Marcell Pongó (links) und Jackson Kent (Mitte) sind diesmal die einzigen Spieler ohne deutschen Pass.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Marcell Pongó (links) und Jackson Kent (Mitte) sind diesmal die einzigen Spieler ohne deutschen Pass.

Am Anfang beantwortete Ralph Junge die Frage noch mit einem Lächeln und ein paar höflichen Worten, später, wenige Wochen vor Saisonbeginn, empfand er sie fast schon als Beleidigung. Wann er denn nun gedenke, US-Amerikaner für die kommende Spielzeit zu verpflichten? So in etwa lautete die Frage.


Trummeter: Eigengewächs der Falcons auf dem Sprung zum Profi


Knapp 130 Jahre, nachdem der Kanadier James Naismith Basketball erfunden hat, ist es dem Sport noch immer nicht gelungen, sich von seiner nordamerikanischen Herkunft zu emanzipieren. Die NBA ist mit großem Abstand die populärste Liga der Welt und wer andernorts erfolgreich sein will, setzt zwangsläufig auf Spieler aus den USA. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz und besitzt in Deutschland die gleiche Gültigkeit wie in China, Russland oder Israel.

South Central, Bronx, Franken?

Auch in Nürnberg standen in den vergangenen Jahrzehnten pro Jahrgang wenigstens zwei, drei Spieler unter Vertrag, die auf den Freiplätzen zwischen der South Central von Los Angeles und der New Yorker Bronx groß geworden sind. Und die - man kann das durchaus positiven Rassismus nennen - allein durch ihre Hautfarbe den Verdacht nahe legten, das Spiel besser zu beherrschen als andere. "White Men Can't Jump" heißt einer der berühmtesten Basketball-Spielfilme, wobei die deutsche Übersetzung wie so oft eher ungenügend die eigentliche Botschaft transportiert: "Weiße Jungs bringen's nicht".

In diesem Sommer hat Junge, der Cheftrainer und Geschäftsführer von Nürnbergs Zweitliga-Basketballern, der sich schon seit vielen Jahren das Fördern einheimischer Talente zur Mission gemacht hat, diese Botschaft endgültig ignoriert. "Kartoffeltruppe" nennt er liebevoll sein Team, das tatsächlich ausschließlich aus weißen Jungs besteht. Mit Jackson Kent ist ein einziger Spieler aus den USA dabei, genau wie der Ungar Marcell Pongó geht er allerdings bereits in seine dritte Saison in Nürnberg. Lediglich die Behörden erkennen sie noch nicht als Kartoffeln an.

Fans müssen draußen bleiben

Dass die Mannschaft aussieht wie sie aussieht, hat mehrere Gründe: Zum einen ist es Ralph Junge gelungen, den Kern zu halten, zum anderen ist er davon überzeugt, dass Neuzugänge wie Fynn Fischer (Würzburg) oder Martin Bogdanov (Rostock) ihre Vorgänger William Lee und Duane Wilson einigermaßen problemlos ersetzen können. Und dann ist da natürlich dieser Faktor, der die Kalkulation in diesem Jahr noch schwieriger macht: Corona.


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"Wer weiß, ob es überhaupt Sinn macht, noch einen Spieler aus den USA einzufliegen?" fragt sich Junge, denn: Breitet sich das Virus weiter so schnell aus, könnte ja möglicherweise auch die Saison, die für die Falcons am Samstag mit einem Heimspiel gegen Ehingen beginnt (19.30 Uhr), vorzeitig abgebrochen werden.

Es bleibt nur der Livestream

So oder so werden die Auftritte im Eventpalast am Flughafen zunächst ein Draufzahlgeschäft. Gerade mal 300 Zuschauer hätten am Samstag kommen dürfen - wenn es die aktuellen Rahmenbedingungen zugelassen hätten. "Es ist ein Wahnsinn", sagt Junge, "aber natürlich wollen wir unsere Fans dabei haben, wenn es möglich ist." Nachdem das Gesundheitsamt noch am Mittwoch eine Zusage erteilt hatte, wurde die Entscheidung am Freitag kassiert. Aufgrund der stark steigenden Infektionszahlen in Nürnberg dürfen beim von vielen sehnsüchtig erwarteten Neustart keine Fans dabei sein. Ihnen bleibt nur der Livestream bei sportdeutschland.tv.


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Ob die "Kartoffeltruppe" in dieser Saison, deren Durchführung mehr denn je ungewiss ist, zu den Playoff-Kandidaten der Pro A gehört? Schwer einzuschätzen. Bremerhaven und Rostock dürften wieder ganz oben mitspielen, dahinter wird viel davon abhängen, wie gesund die Mannschaften bleiben und wie oft sie vom Heimvorteil mit Zuschauern profitieren können.

"Ich glaube nicht, dass wir davon abhängig sind, dass noch amerikanische Spieler dazukommen", sagt Center Jonathan Maier: "Ich hoffe, dass wir auch spielerisch überzeugen und ein Statement setzen können. Und dass das auch als tragfähiges Modell für die Zukunft gesehen wird: ein Team, das mit vielen deutschen Spielern erfolgreich ist."

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