Kommentar: Dem Club fehlen Erfahrung und Qualität

Hans Böller

Sportchef der Nürnberger Nachrichten

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12.5.2019, 11:30 Uhr
Es sind schöne Bilder nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga. Hanno Behrens und sein Team zollt den Fans für deren Unterstützung beim letzten Heimspiel seine Anerkennung.

© Sportfoto Zink / DaMa, Sportfoto Zink / DaMa Es sind schöne Bilder nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga. Hanno Behrens und sein Team zollt den Fans für deren Unterstützung beim letzten Heimspiel seine Anerkennung.

Neun Meistertitel, neun Bundesliga-Abstiege: Der 1.FC Nürnberg hat es wieder nicht geschafft, das Leiden an der Bundesliga dauert nun schon exakt ein halbes Jahrhundert an – 1969 ging es, damals als Deutscher Meister, erstmals in die Zweitklassigkeit.

Das war ein Präzendenzfall und eine Sensation, am Samstag hingegen vollzog sich, was man befürchten musste. Kaum je waren die Voraussetzungen so ungünstig wie diesmal, an der Konkurrenzfähigkeit der Aufsteiger bestanden vom ersten Anstoß an große Zweifel, und die haben sich bestätigt. Der Club hat kein Geld, der Club schoss keine Tore. Das ist der Fußball-Kapitalismus der Neuzeit. Natürlich kann man den glücklicherweise überlisten wie Mitaufsteiger Fortuna Düsseldorf. Nur passiert so etwas selten.

Nürnbergs Ansatz, auf die Lernwilligkeit einer begeisterungsfähigen Mannschaft zu setzen, ging nicht auf. Trainer Michael Köllners Idee vom spielerischen Fußball erwies sich als schöne Utopie, der Trainerwechsel war nachvollziehbar, aber auch der pragmatischere Ansatz von Boris Schommers griff nicht. Köllner holte im Schnitt pro Spiel 0,57 Punkte, Schommers 0,58. Beide Ansätze scheiterten am Grundproblem: Einer willigen, geschlossenen und leidenschaftlich kämpfenden Mannschaft fehlte es an Erfahrung und Qualität.

Natürlich: Der Club hätte in der Personalpolitik ein höheres Risiko eingehen können – nur war es eine der angeblichen Lehren aus dem Abstieg von 2014, das besser nicht zu tun, weil es den Verein an den Rand des Ruins führte, nicht zum erstem Mal. Schon in den 1970er Jahren und Mitte der 1990er wieder stand der von seinen Ambitionen getriebene Club nahe am Konkurs. Für das halbe Jahrhundert seit 1969, in dem der Fußball (zuletzt rasend) professionell wurde, lässt sich konstatieren, dass Nürnberg nie dauerhaft eine Balance zwischen sportlichem Ehrgeiz und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit fand. Das Ringen darum wird den wiederholt abgehängten Verein weiterhin begleiten, aber der Abstieg 2019 kann dafür sogar Mut machen, weil das Publikum zu einer Mannschaft hielt, die Tapferkeit und Teamgeist umso beeindruckender vorlebte, je schwieriger die Mission wurde.

Weder Wut noch Häme begleiten diesen Club, sondern Verständnis und Zuneigung. Mit so viel Liebe ist selbst der 1.FC Nürnberg noch nie abgestiegen. Das Publikum honoriert ein ehrliches Bemühen – es wirkte wie ein Konsens darüber, was möglich ist und was nicht. Darin lägen die besten Voraussetzungen für den nächsten Neuanfang. Ein Volksverein wie der 1.FC Nürnberg lebt von Glaubwürdigkeit und Vertrauen – in jeder Liga.

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