Neu beim FCN - Klauß: "Es kann am Ende gut sein"

Hans Böller

Sportchef der Nürnberger Nachrichten

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4.8.2020, 13:32 Uhr
Erfolgsgarant engagiert Erfolgsgarant? Dieter Hecking hat Robert Klauß als Trainer am Neuen Zabo installiert.

© 1. FC Nürnberg Erfolgsgarant engagiert Erfolgsgarant? Dieter Hecking hat Robert Klauß als Trainer am Neuen Zabo installiert.

Den 1. FC Nürnberg kennenzulernen, war noch nie ganz leicht, der Club ist einfach zu viel. Zu viel auf einmal, chaotisch, liebenswert, peinlich, manchmal verrückt, manchmal immer noch großartig. Manche Trainer verließen den 1. FC Nürnberg wieder, ohne ihn je kennengelernt zu haben – der bisher letzte war, wenn man ihn richtig verstanden hat, Jens Keller, das ist erst ein paar Wochen her.

Kellers Nachfolger trat den Dienst beim Fußball-Zweitligisten, aus dem beinahe ein Drittligist geworden wäre, gestern an. Mit dem Kennenlernen, sagte Robert Klauß, sei es allerdings so eine Sache, "aktuell schwierig" findet er das; seine Spieler zum Beispiel sah er bisher nur hinter Atemschutzmasken – es laufen die Corona-Tests –, die Journalisten, die gestern allerhand Fragen hatten, waren bloß virtuell zu Gast im verwaisten Pressekonferenzraum.

Was den 1. FC Nürnberg eigentlich ausmacht, wird Robert Klauß aus Eberswalde in Brandenburg, bisher Co-Trainer beim Champions-League-Viertelfinalisten RB Leipzig, sogar auf noch unbestimmte Zeit verschlossen bleiben. Die Menschen, die dieser spezielle Verein so bewegt, bleiben auf Distanz; wenn am Donnerstag das Auftakttraining ansteht – zum selben Anlass feierten vor Jahresfrist rund 2000 Fans das damals gerade aus der Bundesliga abgestiegene Team –, wird das Übungsgelände weiter abgeriegelt sein.

Fußball im Labor

Pandemiebedingt bewegt sich auch der 1. FC Nürnberg unter einer Art Käseglocke, das könnte an Fußball als Laborversuch erinnern, und tatsächlich kommt Robert Klauß ja aus einem sehr speziellen, sehr modernen Fußball-Labor, aus jener Leipziger Rasenball-Fabrik, die für den Red-Bull-Konzern das Spiel der Zukunft entwirft – oder vielmehr eine besonders erfolgreiche Variante davon, denn die Idee von Tempo- und Umschaltspiel verbindet seit Jahren, zumindest theoretisch, die Kreisklasse mit der Champions League.

Irgendwo dazwischen – wo genau, ist wohl Ansichtssache – wäre aktuell der 1. FC Nürnberg einzuordnen, und so wurde Klauß natürlich gefragt, wie er sich den Club der Zukunft vorstellt, wie die ersten Labor-Testreihen wohl aussehen könnten und was idealerweise dabei herauskommt.

"Innovativ und mutig"

Dem neuen Sportvorstand dürfte er solche Fragen beantwortet haben beim Bewerbungsgespräch, Dieter Hecking jedenfalls berichtete von "Gesprächen unterschiedlichster Art" mit insgesamt drei Trainer-Aspiranten, "einen Tacken mehr" als die Mitbewerber habe Klauß zu bieten gehabt, so Hecking, der erstmals in seiner mehr als drei Jahrzehnte langen Fußballkarriere in der Funktion des Sportvorstands einen Trainer suchen musste.


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Die Premiere, ist Hecking sicher, ist ihm gelungen, als "innovativ und mutig" stellte er den erst 35 Jahre alten Klauß vor, "einen sehr guten Auftritt" habe er auch, aber das, bemerkte Hecking einleitend, werde man ja gleich selbst feststellen können.

Tatsächlich erlebte man einen Trainer, der sich davor hütete, Versprechungen zu machen oder ein Team in Aussicht zu stellen, das bald mit Fußball der Marke Red Bull light zu begeistern imstande wäre. Es beginne "ein Prozess", sagte der jüngste Trainer der Vereinsgeschichte, es bleibe "viel Zeit, sich den Kader genau anzusehen", Stärken mitzunehmen und an Schwächen zu arbeiten.


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Methodisch und leistungsphysiologisch, das klang an, steht der Fahrplan schon, die taktisch-systematische Arbeit bestehe auch darin, "die Jungs von meinem Weg zu überzeugen". "Zielstrebig und organisiert" soll alles natürlich aussehen, "aber trotzdem auch wild werden" können, kurz: Robert Klauß hat nicht einfach alles mitgebracht, was der 1. FC Nürnberg jetzt braucht, er will es gemeinsam mit der Mannschaft entwickeln. Es könne "vielleicht etwas länger dauern", sagte er, aber "am Ende gut sein".

"Der zweitschönste Beruf der Welt"

"Ein gewisses Talent", das sagte Klauß auch, brauche es für den Beruf des Trainers, er selbst, der im Alter von 21 Jahren erstmals E-Jugendliche anleitete, habe es "irgendwann bemerkt"; "Beharrlichkeit und Begeisterung" hätten ihn angetrieben. Nur die Sache mit dem Jahrgangsbesten bei der Trainer-Abschlussprüfung, bat er, möge man bitte nicht überbewerten, die Einskommanull im Zeugnis sei gar kein Bestwert, sondern entspreche etwa 14 von 15 Punkten, theoretisch seien noch bessere Abschlüsse möglich, ergo: "Man muss nicht alles richtig machen."

In Nürnberg genügte es zuletzt, ein einziges Mal, in der letzten Minute der Nachspielzeit des Relegations-Rückspiels in Ingolstadt, einmal etwas richtig zu machen. Klauß sah das späte Tor zum 1:3 am Bildschirm, die ganze Wucht des 1. FC Nürnberg habe er "selbst da gespürt", und die Rettung in letzter Sekunde könne sogar eines jener "Extremerlebnisse" sein, "die etwas auslösen". Robert Klauß wird es alles kennenlernen, nach und nach, sein Trainerteam soll möglichst bis Donnerstag komplett sein. "Spannende Kandidaten" verspricht der neue Chef, der den Beruf des Fußballtrainers so beschreibt: "Nach Fußballspieler ist es der zweitschönste Beruf der Welt."

Dieter Hecking, früher Fußballspieler, später Fußballtrainer, für drei Jahre auch in Nürnberg, sah kurz so aus, als sei Fußball-Sportvorstand der drittschönste Beruf der Welt. Das kann sich, wie es alle seine Vorgänger erlebten, ändern. Aber Hecking immerhin hat den 1. FC Nürnberg aus verschiedenen Perspektiven schon längst sehr gut kennengelernt.

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