Ohne Sportvorstand und Trainer: Der Club sucht nach Balance
13.2.2019, 05:48 UhrDer 1. FC Nürnberg ist einer von nur noch fünf eingetragenen Vereinen in der Fußball-Bundesliga, mithin ein Volksverein – und stolz darauf; Bestrebungen, den Profifußball in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern, stoßen auf Skepsis in einer Zeit, da das Spiel als Marktspektakel den Kontakt zu seinen Wurzeln zu verlieren droht. Der Club gehört seinen Mitgliedern, was das – auch – bedeuten kann, sah man in der Nacht zum Dienstag.
Da sah sich der Club, sahen sich die Mitglieder – vertreten durch die von ihnen gewählten ehrenamtlichen Aufsichtsräte – gezwungen, einen Trainer zu beurlauben, besorgt von der fußballerischen Entwicklung. Sie verloren dabei: einen leitenden hauptamtlichen Angestellten, den Sportvorstand, der diesen Trainer nicht beurlauben wollte.
Es gab Argumente für den verdienstvollen Trainer Michael Köllner, aber auch Argumente gegen ihn, die Diskussion zu führen, war notwendig geworden, der Anstoß dazu war nicht weniger als die Pflicht des Aufsichtsrates.
Wann beginnt eine Krise?
Festzuhalten bleibt auch, dass der loyalen Haltung des Sportvorstands Andreas Bornemann Respekt gebührt, in solcher Konsequenz sieht man das selten, so prallten zwei Standpunkte aufeinander – und stellten sich genau die Fragen, die den Club seit Jahrzehnten regelmäßig beschäftigen: Was bedeutet Kontinuität? Wann hat eine Krise begonnen? Wie konsequent darf man einen gemeinsam eingeschlagenen Kurs fortsetzen, ab wann muss man korrigieren, und wie soll das geschehen?
Der Austausch darüber war den Beteiligten zufolge sehr intensiv und wohl auch fruchtbar, ohne die nie angestrebte Beurlaubung Bornemanns – die nötig war, um Köllners Amtsenthebung durchzusetzen – wäre es ein ganz normaler Trainerwechsel gewesen, so hat die Entscheidung aber natürlich auch Züge eines Richtungsstreits.
Aus für Köllner und Bornemann: So reagieren Leser und Netzgemeinde
Der 1. FC Nürnberg stand zu Bornemanns Amtsantritt an einem kritischen Punkt, nämlich vor der Zahlungsunfähigkeit, gemeinsam mit Finanzvorstand Michael Meeske und dem Aufsichtsrat glückte Bornemann ein immer noch unterschätztes Meisterwerk: Eine Konsolidierung, die, erkauft über einen beträchtlichen sportlichen Schrumpfungsprozess, trotzdem und überraschend in die Bundesliga führte – wesentlich auch dank des Trainers Köllner.
Es gehört zur Ironie dieser Geschichte, dass der Club damit sportlich die finanzielle Entwicklung sogar überholt hatte – und deshalb in der Erstklassigkeit an die bekannten Grenzen stieß, derweil die Ansprüche logischerweise wuchsen, auch die eigenen, das gehört elementar zum Wettkampfgedanken.
Die Grenzen des Machbaren
Wie damit umzugehen sei, war die Frage, eine weitere Ironie der Geschichte besteht darin, dass man Bornemann als Versäumnis anlastete, in der Personalpolitik nicht höhere Risiken eingegangen zu sein – also nicht das getan zu haben, wofür man seinem Vorgänger Martin Bader bis heute heftig zürnt.
Das dürfte, da der Albdruck des Konkurses nicht mehr über dem Verein lastet, eine der wichtigsten Fragen auch für die nähere Zukunft sein. In einer Jahr für Jahr stärkeren Konkurrenzsituation auf einem von Konzernen diktierten Markt wird es Energie und gute Ideen brauchen bei der Auslotung der Grenzen des Mach- und Vertretbaren.
Der Aufsichtsrat hat dabei Fehler in der Kommunikation eingestanden und jetzt ein Konstrukt angeboten, das – nach dem Kahlschlag auf der Sport-Führungsebene – eine Verlegenheitslösung ist. Die resultiert aus dem starken Gewicht des Ehrenamtes, im Konzernfußball hätte es anders ausgesehen – da hätten allerdings smarte Manager gehandelt, für die ein Verein selten mehr ist als ein Arbeitgeber, manchmal nur ein Spekulationsobjekt. Der Club ist in der Krise der Club. Das ist eine Qualität dieses Vereins und gut so. Wenn auch nicht immer.
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