Olympia + Paralympics: Zwei Nürnberger Schwimmer in Tokio
14.4.2021, 12:58 UhrAn manchen Tagen ist Taliso Engel ein ganz gewöhnlicher junger Mann, mit ganz normalen Tagesabläufen und Routinen. 15 Minuten hat er an diesem Nachmittag Zeit für ein kurzes Telefonat, dann wartet wieder die Schule. Spanisch steht auf dem Stundenplan, im Sommer wird der 18-Jährige an der Lothar-von-Faber-Fachoberschule sein Abitur machen. Wenn er sein Zimmer aber verlässt und ins Becken steigt, dann wird aus Taliso Engel einer der besten Schwimmer der Welt.
Am vergangenen Wochenende ist er in Magdeburg die 50m Brust in 0:28,82 Sek geschwommen und hat den bis dahin gültigen Weltrekord um 0,8 Sek unterboten. Es war der nächste Erfolg eines jungen Sportlers, der mit jedem Wettkampf schneller zu werden scheint, für den Grenzen offenbar nur da sind, um eingerissen zu werden. 2018 gewann er mit 16 bei der EM in Dublin sensationell Bronze, ein Jahr später schwamm er bei den Para-Weltmeisterschaften in London über 100 Meter Brust zu Gold.
Angeborene Sehbehinderung
Mit seinen Zeiten kann Engel, der eine angeborene Sehbehinderung hat, auch bei den nicht-behinderten Sportlern mithalten, bei den Para-Athleten gehört er schon mit 18 zu den Besten der Welt. Die Norm für die Paralympics in diesem Sommer (1:09,09) hat er bereits im vergangenen Jahr um mehrere Sekunden unterboten, seine aktuelle Bestzeit über 100m Brust sind 1,04,62.
Dennoch gibt sich Engel gelassen, er weiß, was er kann, aber auch, dass die Konkurrenz bei den Paralympics ebenfalls sehr gut ist. "Andere Sportler entwickeln sich auch weiter", sagt er, "ich kann überhaupt nicht einschätzen, wie die anderen so drauf sind, aber natürlich will unter die Top drei kommen." Vorher muss er aber noch die sieben bis neun Trainingseinheiten pro Woche und die Wettkämpfe mit der Vorbereitung aufs Abitur in Einklang bringen, "zur Zeit klappt das ganz gut", sagt Engel, "vielleicht muss ich mal eine Trainingseinheit rausnehmen, wenn es auf die Prüfungen zugeht."
Nürnberg, Heidelberg, USA
Ein paar Wochen vor Engel wird ein anderer Nürnberger nach Tokio reisen. Fabian Schwingenschlögl ist beim 1. FC Nürnberg groß geworden, hat am Bundesstützpunkt in Heidelberg trainiert, später in den USA studiert und mit Weltstars trainiert. Inzwischen lebt er in Neckarsulm, wo er 20 Stunden pro Woche als Ingenieur arbeitet.
Die Qualifikation für Olympia 2016 in Rio hat er einst knapp verpasst, "es war nicht leicht damals", sagt er heute. "Zum Glück war ich noch jünger, sodass ich einen zweiten Anlauf nehmen konnte." Drei Jahre lang war der 29-Jährige keine Bestzeiten mehr geschwommen, an sich selbst und seinem Traum von Tokio zweifelte er aber zu keiner Sekunde. Beim Qualifikations-Wettkampf in Heidelberg war es dann soweit: Die Olympia-Norm über 100m Brust unterbot er bereits im Vorlauf, anschließend blieb er mit 58,95 Sekunden als erster Deutscher unter 59-Sekunden und brach so einen zwölf Jahre alten Rekord.
Der Traum im Kopf
"Ich hatte immer die Geduld und den Willen, besser zu werden", sagt Schwingenschlögl, er hat Widrigkeiten getrotzt, Rückschläge verarbeitet, "wäre ich daran verzweifelt, hätte ich alles hinschmeißen können". Im Juli wird er nach Japan fliegen - aber nicht nur, um mal dabei zu sein. "Ich möchte dorthin fahren, um eine Bestleistung zu schwimmen", sagt er. Genauso wie Taliso Engel, der ein paar Wochen später ebenfalls ins Becken steigen wird. Mit dem Abitur in der Tasche und einem großen Traum im Kopf.
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