Hans Sarpei liest

Ein Hallelujah fürs Kleeblatt: Gottesdienst vor dem Bundesliga-Start

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

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11.8.2021, 16:55 Uhr
Der ghanaische Kleeblatt-Profi Hans Nunoo Sarpei liest aus Psalm 18 im Gottesdienst in der Fürther Kirche St. Michael.

© Andreas Goldmann, NN Der ghanaische Kleeblatt-Profi Hans Nunoo Sarpei liest aus Psalm 18 im Gottesdienst in der Fürther Kirche St. Michael.

Erst hört man nur einen leisen Gesang, fast vorsichtig, doch dann wird er immer lauter. Seit vielen Jahren lassen die Fans der Spielvereinigung im Ronhof oder in der Gustavstraße „die Kutschn rutschn“ und gehen „mit Gesang auf der Fürther Straß‘ entlang“. Tätärä. Also darf der Kultsong auch in der Kirche St. Michael nicht fehlen. Doch diesmal erklingt er nicht aus tausenden Kehlen, sondern nur aus einigen wenigen – und begleitet von den feinen Klängen einer Orgel.

Der gemeinsame Gesang ist der Abschluss eines ganz besonderen Abends, zu dem Dekan Jörg Sichelstiel unter dem Namen „Miteinander - Gottesdienst fürs Kleeblatt“ eingeladen hat. Schon vor neun Jahren beim ersten Bundesliga-Aufstieg des Kleeblatts hatte Sichelstiel bei den Menschen eine ganz besondere Verbindung zu Gott ausgemacht. „Da sind die Grenzen zwischen Himmel und Erde durchlässig geworden“, erinnert er sich, „viele Menschen sind zum Grab gegangen und haben der Verstorbenen gedacht.“

An die Menschen, die ihr Leben dem Kleeblatt gewidmet hatten, die jahrzehntelang im Ronhof standen – und dann nicht mehr dabei sein durften beim größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte. Der Fußball ist für viele Menschen eine Religion, der zentrale Bezugspunkt im Leben, der ihnen Kraft gibt – und der eine eindeutig religiöse Dimension hat. Immer wieder sieht man Spieler, die sich auf dem Platz, vor den Augen vieler Tausend Menschen, bekreuzigen, die Gebete in den Himmel schicken, um erfolgreich Fußball spielen zu können. Auch viele Menschen beten, während sie ein Spiel verfolgen. Sie tun es ganz intuitiv, zum Beispiel wenn sie eine höhere Macht bitten, der Ball möge ins Tor gehen.

Öffentliche Gebete

Während der Europameisterschaft ist auch Dekan Sichelstiel mal wieder bewusst geworden, wie groß diese Verbindung ist. „Es haben so viele Menschen öffentlich im Fernsehen gebetet“, erinnert er sich. „Es gibt kein anderes Programm, bei dem so viel in Gesten sichtbar wird.“

Einer, für den Religion eine ganz wichtige Rolle spielt, ist Mittelfeldspieler Hans Nunoo Sarpei. Er betet vor jedem Spiel, nach dem Abpfiff sieht man ihn immer zu Boden sinken und in Richtung Himmel sprechen. Deshalb war er auch am Dienstagabend dabei, als Sichelstiel die Verbindung zwischen Fußball und Gott in Erinnerung rief. Auf Englisch trug er einige Verse aus Psalm 18 vor, die ihn schon lange begleiten, die er vor jedem Spiel wieder spricht, um sich mental einzustimmen.

So auch am vergangenen Samstag beim Pokalspiel in Babelsberg, wo er vor seiner Einwechslung nochmal kurz die Verbindung in den Himmel suchte – und dann im Elfmeterschießen seinen Versuch im Tor unterbrachte. „Der Glaube gibt mir Kraft, Gott beschützt mich und gibt mir Selbstbewusstsein“, sagte Sarpei im Gespräch mit Sichelstiel.

Doch er war nicht der einzige Gast, der die Verbindung von Himmel und Erde, von Gott und Fußball zelebrierte. Stadionsprecher Julian Pecher sang mit der Gitarre eine emotionale Version von „Hallelujah“, Heinz List vom „Kleeblatttreff unterm Moritzberg“, der sich in Lauf als Mesner in der Kirche engagiert, erinnerte sich an den 23. Mai, als er vor dem entscheidenden Aufstiegsspiel eine Kerze anzündete und dann betete, dass alles gut gehen möge. Als ganz Fürth ausflippte und den Aufstieg feierte, hatte sich das Beten gelohnt.

"Demütig und dankbar"

Vize-Präsident Volker Heißmann erinnerte sich daran, wie er als kleiner Junge in St. Paul aufwuchs und dort für sein Leben geprägt wurde. „Ohne die Kirche gäbe es keine Comödie“, sagte Heißmann, der dafür warb, „demütig und dankbar“ zu sein – im Leben und beim Fußball. Auch nach einem bitteren Pokal-Aus wie am vergangenen Wochenende.

„Es geht ums Miteinander, um Zusammenhalt und die Gemeinschaft“, sagte Kleeblatt-Geschäftsführer Holger Schwiewagner. „Der Glaube, dass es nur gemeinsam geht, ist bei uns zur Überzeugung geworden.“ Als Verein will er „Ruhe ausstrahlen und Zuversicht vermitteln“ – und mit dieser Herangehensweise in der Bundesliga bestehen. Dann wird auch die Kutschn wieder rutschn.

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