Streit um Landesstützpunkt: Offener Brief der Spitzenschwimmer
25.11.2020, 14:01 UhrDie Worte sind drastisch. "Wir wollen vom BSV und von Ihnen, Herr Präsident, für unseren Einsatz für den Bayerischen Schwimmverband ernst genommen werden", schreiben die Spitzensportler in einem offenen Brief an Harald Walter. Es ist eines der letzten Mittel, bevor Ende des Jahres der Landesstützpunkt in Erlangen geschlossen wird - auf Wunsch des Verbands.
"Warum will uns der BSV unseren Trainer wegreißen?"
Die Schwimmer verstehen nicht, warum. Bislang habe alles perfekt geklappt: Sie trainieren unter Erfolgscoach Roland Böller in Erlangen und besuchen die Bertold-Brecht-Sportschule in Nürnberg. Jahr für Jahr gehören sie zu den Besten in Deutschland. "Warum will uns der BSV unseren Trainer wegreißen?", heißt es in dem Brief. Nicht zum ersten Mal äußerten die Sportler ihren Unmut.
"Wir wollen erzählen, wie es uns damit geht und auf welchem Weg der Schwimmsport in Erlangen zerstört wird", sagt die Forchheimerin Annalena Wagner. Die 17-Jährige hat es bis in Finale der Jugend-EM geschafft und bei Deutschen Meisterschaften Medaillen geholt. Auf eine persönliche Antwort von Harald Walter aber warteten sie und ihre Teamkollegen bis nach der Veröffentlichung dieses Berichts.
Traurig und wütend, "wie blutjunge Sportler von Dritten derart skrupellos instrumentalisiert werden"
Der Redaktion antwortet der BSV-Präsident schriftlich. Walter schreibt, es mache ihn traurig und wütend, "wie blutjunge Sportler von Dritten derart skrupellos instrumentalisiert werden". Er betont, dass der Turnerbund bislang mehrere "gerichtlich entschiedene Verfahren verloren" habe. Die "Spekulationen", Roland Böller werde nur nicht weiter beschäftigt, weil es zwischen ihm und Walter persönliche Differenzen gab, weist Walter zurück. Der Verband sieht in der "Sportstadt Nürnberg" mehr Entwicklungspotenzial, im 1. FC Nürnberg den passenden Stützpunkt-Verein und in Jill Becker eine geeignete Stützpunktleiterin.
Auch Claus Swatosch, der Vorsitzende der FCN-Schwimmer, sieht die Vorteile in Nürnberg. "Hier haben wir ideale Voraussetzungen, der Schritt des BSV ist überfällig und konsequent." Er habe Verständnis für die Leistungssportler, die an ihrem Trainer hängen, "doch der Verband muss weiterschauen", die Pendelei zwischen Erlangen und Nürnberg müsse aufhören. "Wir wollen die Aktiven hier am Stützpunkt ausbilden", sagt Swatosch. Dem Turnerbund habe er das Angebot für ein persönliches Gespräch gemacht. "Darauf gab es aber keine Antwort." Stattdessen habe der Verein das Schreiben seinem Anwalt übergeben. Und dort liegt das Verfahren nun auch - bei den Juristen.
Andreas Redl begleitet es für den Erlanger Turnerbund. "Es geht um junge Menschen, die ihr Leben hergeben für den Sport", sagt der Rechtsanwalt. Ihm gehe es nicht darum, vor Gericht über einen Anspruch auf den Landesstützpunkt (LSP) zu streiten. Vielmehr sei das Ziel der Gerichtsverfahrens, endlich eine "Dialog-Lösung" zu finden, wie Redl sagt. "Diese entspricht auch dem Wunsch des DOSB und aller beteiligten Spitzenverbände."
Grundsätzlich können Gerichte über Beschlüsse in Sportverbänden nur in engen Grenzen entscheiden, Verbände handeln eigenständig. Wo Grundrechte von Mitgliedern verletzt werden, können Gerichte Einfluss nehmen. Abgesehen vom Recht gibt es nach den eigenen Regeln der Spitzenverbände die Pflicht, fair zu handeln. "Die Compliance-Regularien des DSV und des BSV verlangen auch Transparenz", sagt der Anwalt, "und die ist überhaupt nicht gewahrt worden".
Der Bayerische Schwimmverband hatte den Turnerbund vor vollendete Tatsachen gestellt und die Versetzung des Leistungsstützpunkte schlichtweg verkündet. Ohne vorher zu informieren oder darüber zu diskutieren. "Es gibt keinen sachlichen Grund für die Beseitigung des Landesstützpunkts in Erlangen", sagt Redl.
Was es hingegen gibt, ist ein Stützpunktvertrag zwischen Verband und den Stützpunkt-Vereinen, also auch mit dem Turnerbund . "Verträge kann man nicht einfach ignorieren. Die Parteien haben vertragliche Nebenpflichten, unter anderem Rechte des Vertragspartners nicht zu verletzen." Das Oberlandesgericht (OLG) in München hat bestätigt, dass Verbände eben doch nicht einfach machen können, was sie wollen. In einem Auszug der Begründung des OLG München, die der Redaktion vorliegt, hatte es geheißen: Der "BSV darf gegenüber Kaderschwimmern und Teilnehmern des Trainings keinen Zwang dahingehend ausüben, dass von diesen am LSP Nürnberg unter einem anderen Trainer als dem Stützpunkttrainer Roland Böller zu trainieren ist".
Agiert der BSV im Wettbewerb um Landesstützpunkte als Monopolist?
Zur jetzt bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth erhobenen Klage wegen Kartellrechtsverstößen durch das Vorgehen des BSV habe sich das Gericht für zuständig erklärt, sagt Redl. Das heißt, die von ihm verfolgte Argumentation sehen die Richter als schlüssig an. Dieser folgend, agiert der BSV im Wettbewerb um Landesstützpunkte als Monopolist. Und das kann bedeuten, dass das Vorgehen des BSV nicht erlaubt ist.
Bis Ende September hätten Verband und Turnerbund über den Fortsetzung des Stützpunktvertrags über das Jahr hinaus sprechen müssen. Bislang aber habe der BSV-Präsident "jedes inhaltlich ernsthafte Gespräch mit dem TB verweigert. Auch das Gericht und Schiedsgericht haben Vergleichsgespräche angeboten, die wurden bis heute abgelehnt." Doch Redl gibt nicht auf, er hofft weiter, eine Dialog-Lösung zu finden.
"Jeder weiß, dass etwas falsch läuft"
Matthias Thurek, der Präsident des Turnerbunds, fühlt mittlerweile eine "Ohnmacht" angesichts der ausbleibenden Kommunikation mit dem Verband. "Jeder weiß, dass etwas falsch läuft", doch es tut sich nichts. Anfang September hat der Verband offiziell den Landesstützpunkt in Nürnberg ausgerufen, bis Ende des Jahres gibt es noch eine "Übergangsphase", dann ist der Stützpunkt in Erlangen Geschichte. Aus dem Zusammenschluss der Schwimmvereine, der SG Mittelfranken, ist der TB bereits ausgetreten. Seit einer Woche ist Harald Walter zudem Vorstandsmitglied im Deutschen Schwimmverband. Sein Einfluss könnte dadurch steigen, fürchten die Erlanger. Sie glauben trotzdem, einen Weg zu finden. Für ihre Sportler.
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