Tore, City und Corona: Genesener Gündogan spricht
11.3.2021, 06:00 UhrHerr Gündogan, haben Sie im "reifen” Fußballeralter auf einmal das Torjäger-Gen in sich entdeckt?
Ilkay Gündogan: Das wurde ich die letzten Wochen sehr häufig gefragt (lacht). Aber tatsächlich hat unser Trainer Pep Guardiola etwas in mir erkannt, das mir zuvor selbst noch gar nicht so klar war. Ich habe eine etwas offensivere Rolle im Mittelfeld bekommen – nach den ersten Treffern kam dann auch noch sehr viel Selbstvertrauen hinzu, es immer öfters selbst zu versuchen, und das hat sich dann das eine oder andere Mal ausgezahlt.
Nicht nur in Nürnberg haben jüngste Statements aufhorchen lassen, dass Sie sich vorstellen können, Ihre Karriere in Manchester ausklingen zu lassen – vor ein paar Monaten war kolportiert worden, dass Sie sich das für Nürnberg vorstellen könnten. Was macht für Sie heute den Reiz von Manchester als Stadt und Verein aus?
Gündogan: Ich wollte damit nur sagen, dass ich mir grundsätzlich alles vorstellen kann. Ich weiß es aber einfach wirklich nicht, wo ich ein paar Jahren spielen möchte. Dafür möchte ich mir noch Zeit lassen. Aber Fakt ist, dass ich mich in Manchester pudelwohl fühle. Auch wenn das Wetter nicht immer das Beste ist, mag ich die Stadt, das Flair und die Menschen dort enorm. Es erinnert mich auch sehr viel ans Ruhrgebiet, wo ich aufgewachsen bin und viele Jahre auch Fußball gespielt habe.
"Nicht aus Bequemlichkeit für immer in Deutschland spielen"
Ist Pep Guardiola der "perfekte Trainer" für Ilkay Gündogan?
Gündogan: Ich bin ihm unendlich dankbar, dass er mich zu City geholt hat, als ich eigentlich verletzt war. Ich mag sein Spielstil enorm. Der Ballbesitzfußball kommt genau meinen Stärken entgegen. Zu seinen Barcelona-Zeiten war ich schon enorm davon angetan, und es war immer mein Wunsch, eines Tages mit ihm zusammenzuarbeiten. Auch menschlich passt es einfach super.
Ex-Cluberer Gündogan überrascht pflegebedürftige Fans
Sie sind seit bald fünf Jahren in Manchester – können Sie kurz beschreiben, wie wichtig/einflussreich das Leben im Ausland für Ihre Persönlichkeitsentwicklung war und ist? Was war/ist anders als in der Heimat?
Gündogan: Das war sehr wichtig. Man war in vielen Bereichen auf sich selbst gestellt. Die Sprache war nie das Problem, aber dennoch ist es einfach ungewöhnlich, so weit weg von der Familie und dem engsten Freundeskreis zu leben. Das ist oft – und vor allem auch derzeit im Corona-Zeitalter – nicht so einfach, aber irgendwo gehört es auch zum Profifußballer-Dasein mit dazu. Ich wollte nicht nur aus Bequemlichkeit für immer in Deutschland spielen, sondern auch etwas anderes versuchen und daran wachsen.
Belastung und komisches Gefühl
Sie waren im September 2020 einer der ersten prominenten Profifußballer, der an Covid-19 erkrankte und einen durchaus schweren/ernsten Verlauf durchmachen musste. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Sowohl die physische wie die psychische Belastung?
Gündogan: Es war schon erschreckend. Ich hatte die Monate davor viel gelesen und gehört, aber irgendwie denkt man ja dann doch erstmal nicht, dass es einen selbst erwischen kann – vor allem als austrainierter Profisportler. Die Diagnose war dann ein Schock, allerdings hatte ich zu dem Zeitpunkt schon Symptome, die dann noch stärker wurden. Auch als ich negativ war, hatte ich noch ein paar Tage Schwierigkeiten. Das ist dann schon ein komisches Gefühl gewesen und auch eine Belastung. Zum Glück bin ich dann auch sportlich erfolgreich aus meiner persönlichen Corona-Pause gestartet, sodass ich mir nicht mehr all zu viele Sorgen um mich selbst gemacht habe.
Haben Sie irgendwelche persönlichen Konsequenzen für sich selbst daraus gezogen?
Gündogan: Ich habe die Situation allgemein dann noch viel ernster genommen und als Person der Öffentlichkeit auch entsprechend versucht, möglichst offen über alles in den Medien zu sprechen, da ich mit meiner Geschichte vielleicht den einen oder anderen sensibilisieren kann, Corona nicht zu unterschätzen. Seither beschäftigt es mich natürlich auch privat mehr. Ich denke noch öfter an meine Eltern und Großeltern, die sicherlich gefährdeter sind als ich, und hoffe einfach, dass sie gesund bleiben und sie es auf keinen Fall so erwischt wie mich zwischenzeitlich.
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Mittlerweile ist ja auch von teils schweren Spätfolgen selbst bei leichten Verläufen zu hören – ich nehme an, Sie lauschen noch sensibler in sich hinein und lassen sich regelmäßig von der medizinischen Abteilung checken?
Gündogan: Ich denke, als Premier-League-Spieler kann ich mich sehr privilegiert fühlen, dass ich mich hier medizinisch in allerbesten Händen befinde. Auch während der Erkrankung haben sich unsere Ärzte durchgängig gemeldet und mir Medikamente zu Hause vorbeigebracht. Und klar, unabhängig von Corona werden wir regelmäßig gecheckt und geprüft. Stand heute bin ich auch wieder bestens genesen.