Der Demokratie verpflichtet

Die Geschichte der Nürnberger Nachrichten

18.4.2018, 15:31 Uhr
Der Geburtstag der Nürnberger Nachrichten: Die feierliche Überreichung der Lizenzurkunde an Herausgeber Joseph Drexel.

© Archiv Der Geburtstag der Nürnberger Nachrichten: Die feierliche Überreichung der Lizenzurkunde an Herausgeber Joseph Drexel.

Wer die sechs Jahre des Kriegs und den Nazi-Terror überlebt hatte, der hatte sich jetzt im täglichen Überlebenskampf gegen Hunger und Krankheit zu behaupten. Es gleicht im Grunde einem kleinen Wunder, dass fünf Monate nach dem Ende des "totalen Kriegs", der zuletzt auch große Teile Nürnbergs in Schutt und Asche gelegt hatte, inmitten des improvisierten Tauschhandels der Straße für 20 Pfennige eine sechsseitige Zeitung zum Kauf angeboten wird.

In der einstigen Druckhochburg hatte sich schließlich kein einziger intakter Betrieb mehr gefunden, der für eine Zeitungsproduktion getaugt hätte. Papier, Druckfarben, selbst Bleistifte sind absolute Mangelware. Im 20 Kilometer entfernten Zirndorf, wo die kleine Druckerei Bollmann das Glück hatte, von Bomben unversehrt geblieben zu sein, wird das neue Blatt in den ersten vier Jahren geschrieben und gedruckt.

Joseph E. Drexel: Mit Visionen gegen die Verzagtheit

Eine freie, demokratische und unabhängige Presse soll nach dem Willen der amerikanischen Besatzer in Deutschland entstehen. Entsprechend gründlich wählen sie unter den 200 Bewerbern aus, die sich um die Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung beworben haben. Joseph E. Drexel garantiert nach Überzeugung der Amerikaner am zuverlässigsten einen solchen Neuanfang. Der Publizist war während der NS-Jahre im Kreis um Ernst Niekisch im Widerstand gegen das Hitler-Regime aktiv gewesen. Zuchthaus und KZ-Haft in Mauthausen und Flossenbürg hatte ihm diese aufrechte Haltung eingetragen.

Drexel glaubt auch jetzt fest daran, dass aus den Trümmerhaufen etwas wachsen kann, für das es sich lohnt zu werben und zu arbeiten. Gegen Verzagtheit und Depression schreibt er an in seinem ersten Leitartikel der Nürnberger Nachrichten — aufs Neue erfüllt von einer alten Zuversicht: "Demokratie ist etwas, was unaufhaltbar im natürlichen Gefälle der Geschichte liegt. (. . .) Gegen ihren sieghaften Fortgang gibt es kein zureichendes Mittel. Sich um diese Konsequenz herumzudrücken, ist keinem Volke gestattet – auch dem deutschen Volke nicht."

Nach dem Krieg hungern die Menschen nach Informationen

Drexel mag gespürt haben, dass nach zwölf Jahren Diktatur und entmutigt von der Erinnerung an das Scheitern der Weimarer Republik längst nicht die große Mehrheit der Deutschen überzeugt davon war, dass im zweiten Anlauf das Projekt Demokratie gelingen könnte. Aber er darf dann auch erleben, wie groß doch der Hunger der Menschen nach Information und sich endlich wieder frei entfaltender Debattenkultur ist. Die Nürnberger Nachrichten, die vor allem aufgrund des anhaltenden Papiermangels zunächst nur zweimal die Woche erscheinen, finden reißenden Absatz.

Als 1949 mit der Wirksamkeit des Grundgesetzes die Lizenzpflicht entfällt und erste Konkurrenzblätter entstehen, liegt die Auflage der in der Region bereits um zusätzliche Lokalausgaben ergänzten NN bereits bei stattlichen 150.000 Exemplaren. Das stetig wachsende Redaktions- und Verlagsteam zieht im selben Jahr von Zirndorf nach Nürnberg um.

Die neue Wirkungsstätte von oben: die Nürnberger Nachrichten am Marienplatz, dem heutigen Willy-Brandt-Platz.

Die neue Wirkungsstätte von oben: die Nürnberger Nachrichten am Marienplatz, dem heutigen Willy-Brandt-Platz. © Bischof & Broel

Verleger Bruno Schnell im Jahr 1993.

Verleger Bruno Schnell im Jahr 1993. © Eduard Weigert

Ab 1952 erscheint die Zeitung endlich sechsmal wöchentlich. Chefredakteur Roland Buschmann macht aus dem etwas unstrukturierten Mitteilungsblatt der Anfangsjahre eine moderne Tageszeitung. Und zum Führungsteam des Verlags stößt ein junger Mann, der bald zur prägenden Figur des Unternehmens wird: Bruno Schnell.

In den späteren 50er Jahren entwickelt er das Konzept einer "Arbeits- und Interessengemeinschaft" zwischen den Nürnberger Nachrichten und den in den Kleinstädten der mittelfränkischen Region mittlerweile wiederbelebten Heimatzeitungsverlagen. Die Produktion einer vollwertigen, attraktiven Tageszeitung war da nämlich zu einer kostenträchtigen Angelegenheit geworden.

Bruno Schnell: Ein prägender Herausgeber mit Stil

Schnells "Nürnberger Modell", das den kooperierenden Lokalzeitungen einen qualitativ hochwertigen Mantelteil mit Politik-, Kultur-, Wirtschafts-, Sport- und Regionalberichterstattung sichert, ihnen gleichzeitig aber verlegerische Selbstständigkeit lässt, führt zu einem Anwachsen der Gesamtauflage auf weit über 300.000 Exemplare. Das Verbreitungsgebiet umfasst ganz Mittelfranken und reicht mit eigenen Lokalredaktionen in Forchheim, Pegnitz und Neumarkt auch nach Oberfranken und in die Oberpfalz hinein.

Bruno Schnell, der von 1974 bis zu seinem Tod im Jahr 2018 Verleger und Herausgeber der Nürnberger Nachrichten war, sorgte nicht nur für den wirtschaftlichen Erfolg des Hauses, er prägte auch den von hohem sozialem Verantwortungsbewusstsein geprägten Unternehmensstil des Hauses.

Und im Gegensatz zu vielen anderen Verlagen in der deutschen Medienszene gilt die hohe Arbeitsplatzsicherheit bei den NN auch noch jetzt, wo die ökonomischen Rahmenbedingungen schwieriger werden.

Die Zukunft der Zeitungen: Angekommen in der Digitalisierung

Quer durch die Branche lösten die Disruptionen erhebliche Verunsicherung und sich im Pessimismus überbietende Prognosen für das baldige Ende des alten Mediums Tageszeitung aus. Seit man bemerkt hat, dass die düstersten Vorhersagen bereits ganz munter überlebt wurden, kehrt allmählich das Selbstbewusstsein zurück. Auch die Nürnberger Nachrichten haben allen Grund dazu. Gemeinsam mit der in den 60er Jahren vom Verlag übernommenen Nürnberger Zeitung steigerten sie in den vergangenen Jahren ihre Reichweitenwerte und erreichten 809.000 Leserinnen und Leser. Online lesen rund 580.000 Menschen pro Woche die Nachrichten auf Nordbayern.de.

Damit sämtliche Kanäle optimal bespielt werden können, hat der Verlag Nürnberger Presse nicht nur inhaltliche, sondern auch räumliche Strukturen verändert: NN, NZ und nordbayern.de arbeiten seit dem Umbau im Jahr 2018 in einem gemeinsamen Newsroom.

Damit sämtliche Kanäle optimal bespielt werden können, hat der Verlag Nürnberger Presse nicht nur inhaltliche, sondern auch räumliche Strukturen verändert: NN, NZ und nordbayern.de arbeiten seit dem Umbau im Jahr 2018 in einem gemeinsamen Newsroom. © Stefan Hippel

Die in sieben Jahrzehnten erworbene journalistische Kompetenz, das größte Vermögen eines Medienhauses, soll auch die Zukunft des Verlagshauses sichern. Nur die Ausspielkanäle, über die die Nachrichten, Hintergrundberichte und Kommentare bei den Leserinnen und Lesern landen, werden im Laufe der Zeit noch vielfältiger werden, als sie es ohnehin schon sind.

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